Demonstranten protestieren gegen AfD-Anhänger am Hauptbahnhof
Demonstranten protestierten gegen AfD-Anhänger am Hauptbahnhof / picture alliance

AfD-Demo in Berlin - Wie politisch dürfen sich Journalisten zeigen?

Auf den Gegendemonstrationen zur AfD-Demo in Berlin am vergangenen Wochenende, waren auch viele Journalisten. Dürfen die das? Können diese dann noch neutral berichten? Ausgerechnet in den USA ist das viel deutlicher geregelt

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Eine knappe Woche ist es nun her, dass mehrere Tausend Menschen auf 13 Demos in Berlin gegen eine AfD-Demo mit um die 5.000 Teilnehmern auf die Straße gegangen sind. Unter den Gegendemonstranten befanden sich viele Journalisten, auch solche, die über die AfD berichten. Dürfen Journalisten privat auf Demos gehen, bei denen es inhaltlich zugleich um ihr Expertenthema geht? Ein Journalist der Zeit stelle bei Twitter diese Frage und kritisierte das Verhalten der Kollegen auf der Demo. Daraufhin diskutierten Journalisten und andere Nutzer rege über das Für und Wider, wie sehr Journalisten überhaupt ihre politische Haltung zeigen dürfen oder sollten.

Nun hat die taz zu dieser Diskussion einen aufschlussreichen Bericht verfasst. Nämlich darüber, dass es ausgerechnet in den USA, wo die Meinungsfreiheit besonders hochgehalten wird, diese Diskussion kaum gibt. Denn „dort gilt eine strenge Trennung zwischen Berichterstattung und Meinung“, schreibt der Autor. Wer Berichte schreibe, dürfe in der Regel keine Kommentare schreiben, und umgekehrt. Politisches Engagement sei verpönt – oder sogar verboten. Er führt danach Beispiele für die ethischen Vereinbarungen etwa der New York Times aus.

Mit der Frage: Darf ein Journalist Aktivist werden?, beschäftigt sich auch unser Streitgespräch zwischen Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke und Matthias Matussek aus der aktuellen Juni-Ausgabe. Viel Spaß beim Lesen und Erkenntnisse gewinnen!

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Michaela Diederichs | Fr., 1. Juni 2018 - 20:58

Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, wie Herr Matussek, ist es legitim Aktivist zu sein und muss keinen Spagat mehr machen. Ansonsten wünsche ich mir größte Zurückhaltung. Kleber, Slomka usw. sind auf ihre Art auch Aktivisten - hoch bezahlt und unverschämt belehrend. Ich will informiert werden und keine Gehirnwäsche bekommen. Frau Tekkal - die ich gut finde - kann gerne Aktivistin sein. Aber bitte nicht als Staatsministerin für Integration. Ist sie ja auch nicht geworden - leider. Journalisten sollten es mit Hajo Friedrichs halten und sich weder mit der einen noch der anderen Sache gemein machen - auch nicht mit der vermeintlich guten. Aber Hajo Friedrichs ist auch schon nur noch ein Stück Vergangenheit in der Geschichte der Meinungsfreiheit. Das Streitgespräch ist m. E. eines der ganz besonderen Highlights, dieser insgesamt sehr guten Ausgabe.

Michaela Diederichs | Fr., 1. Juni 2018 - 23:25

Für mich geht das nicht zusammen. Ich möchte von Journalisten informiert aber nicht vor einen Karren gespannt werden. Und genau das machen Aktivisten. Sie setzen sich für IHRE Sache ein und wollen mich mitnehmen. Ich möchte mich aber nicht instrumentalisieren lassen. Aber genau das tun Journalisten heute und wundern sich, dass sie keinerlei Akzeptanz und Glaubwürdigkeit mehr finden. Die Meinungsfreiheit, wie ich sie einmal kannte, gibt es nicht mehr. Können Sie sich vorstellen, auch einmal in der Situation zu sein wie Herr Matussek? Sind Sie gewappnet, für das was kommt? Wenn der Wind sich dreht, sind Sie möglicherweise das Opfer. Kein schöner Gedanke, oder?

Klaus Elmar Müller | Fr., 1. Juni 2018 - 23:34

In vielen Zeitungen erschien ein Foto vom bunt gestylten Bootsplateau auf der Spree mit jungen Leuten. Verschwiegen wurde, was man im Live-Stream von dort hören konnte: einen abgewandelten Nazispruch, aber in der Mentalität von gleichem Hass: "Deutschland, verrecke!" und "Nie, nie, nie wieder Deutschland!"

Martin Lederer | Sa., 2. Juni 2018 - 01:52

Was für eine Lieschen-Müller-Frage.
Ich glaube es war dieser Tennenbaum mit seinem Buch "Unter Flüchtlingen", der beim Spiegel davon sprach, dass es in Deutschland keine Journalisten mehr gibt, sondern nur noch Aktivsten.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

Hans Page | Sa., 2. Juni 2018 - 09:09

Die Tatsache dass sich die Frage überhaupt stellt ist ein Problem. Es ist doch offensichtlich. Ein Journalist hat eine privilegierte Position in der Meinungsbildung: er hat Zugang zu Medien und eine gesicherte Reichweite. Und Medien haben nun einmal die Möglichkeit zu informieren und zu beeinflussen. Der Leser vertraut zunächst einmal auf die Objektivität einer Information, die als Information gekennzeichnet ist wobei allein schon die Auswahl der Information Beeinflussung darstellt. Wenn der Journalist dann die schon selektierten Fakten durch seine eigene Sichtweise färbt, manipuliert er den Leser zweifach: einmal durch Informationsselektion und zweitens durch Informationsdarstellung aus seiner Brille. Er zerstört damit das Vertrauen des Lesers, der meint relativ objektiv informiert zu werden. Offenkundig ist das Selbstverständliche nicht mehr selbstverständlich wenn es um Darstellungen von "rechts" geht, zumindest in Deutschland. Es wird schamlos manipuliert.

Jürgen Waldmann | Sa., 2. Juni 2018 - 09:11

Das wäre für ARD und ZDF wünschenswert , eine Berichterstattung und nicht die Meinung von dem/der Moderator / Moderatorin in den Nachrichten . Wenn gar eine junge Dame mit bewegter Stimme über Vorgänge in der schlimmen AfD berichtet , dann frage ich mich , musste das gute Kind unbedingt über diese Partei vortragen !?

Siegmar Sulzer | Sa., 2. Juni 2018 - 10:53

Als vor mehr als 10 Jahren bei Kerner die ehemalige Tagesschausprecherin Eva Hermann oeffentlich vor ein moralisches TV-Inquisitionsgericht des oeffentlich Rechtlichen gestellt wurde, und aus der Sendung herausgeschmissen wurde, begann mein Missvertrauen gegen den deutschen Journalismus. Seidem ist es nur gewachsen. Und weil Zahlen mehr als Worte fuer mich sagen, rate ich vielen Journalisten mal in den Beruferanking nachzuschauen, woe sie stehen....sie naehern sich immer weiter den Poltikern an.

Edgar Timm | Sa., 2. Juni 2018 - 10:59

Nur dürfen sie sich dann nicht wundern, wenn sie von ihrer Kundschaft nicht als neutrale Beobachter, sondern als Parteigänger gesehen werden - und bei einseitiger (oder lückenhafter) Berichterstattung entsprechend bezeichnet werden - und die Auflagen ihres Blattes sinken.

Für Mitarbeiter/innen des zwangsfinanzierten ÖRR gilt allerdings strikte politische Neutralität - wieso eine Sprecherin (den Begriff "Moderatorin") mag ich nicht verwenden, dann auch noch für ihre diskriminierenden Äußerungen ausgezeichnet wird, kann ich nicht nachvollziehen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 2. Juni 2018 - 12:11

Sie sind Staatsbürger. Es geht nur um eine klare Trennung bei dem jeweiligen Tun. Man trägt also nicht unbedingt den Dienstausweis am Revers bei Demonstrationen und verteilt nicht ohne zu fragen Antifa-Kampfblätter im Büro oder so...
Ich muss nicht wissen, wer da wo mitläuft, das erkenne ich auch an den Texten.
Aber auch die politische Distanz ist okay.
Mag sogar einem Überblick dienlich sein.
Ich fand Brechts "Propagandagedichte" immer fürchterlich und meinte schon, dass der damalige ungeheure gesellschaftliche und politische Druck Brecht als Künstler VERHINDERT hat.
Das trifft auf viele Menschen zu.
Herr Schwennicke scheint mir goldrichtig für die Linie und die Ambition des Cicero, POLITISCHE KULTUR
Man sollte aber nie politisches Engagement mit zu hohem Blutdruck oder Unausgelastetheit verwechseln.
Herr Mattussek wollte den Aktionskünstler verkörpern?
Er spielt evtl. schon eine Weile in seiner eigenen Liga.
Wer sich das finanziell leisten kann, hat keinen Herrn über sich

wolfgang spremberg | Sa., 2. Juni 2018 - 12:40

Journalisten sind Menschen mit Erfahrungen, Wissen, Informationen...Meinungen. Es wäre aus meiner Sicht, das gute Recht von z.B. Herrn Brauns privat gegen z.B. die AfD zu demonstrieren. Seine Meinung hat er, ob er demonstriert oder nicht. Übel nehme ich wenn Journalisten ihre Position missbrauchen und unfair und einseitig berichten / kommentieren. Hajo Friedrichs : Gute Journalisten machen sich nicht mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten. Demgegenüber steht der Nannyjournalismus in den volkspädagogischen Tendenzmedien von Journalisten die meinen sie müssten die mündigen Bürger aufklären und belehren ohne dies offen als Meinung zu deklarieren.

Rudolf Stein | Sa., 2. Juni 2018 - 14:58

Diese Diskussion it in D unnütz. Denn sie verkennt, dass der Journalist ein Mensch ist, der parteilich erzogen wurde, mit dem Ziel, parteilich zu berichten. Es ist völlig - völlig - unerhebblich, ob der Jounalist noch in der DDR oder schon in der BRD-neu ausgebildet wurde. Er ist der Verkäufer der Wahrheiten der politisch Mächtigen. Sollte die AM einmal eines Tages weg vom Fenster sein, werden diese Journalisten des neuen BKs Lied singen und zugleich die Fehler der AM "entdecken".

Joachim Wittenbecher | Sa., 2. Juni 2018 - 17:16

Es gibt nicht den neutralen Menschen und somit auch nicht den neutralen Journalisten. Wer etwas anderes fordert, macht sich etwas vor. Infolgedessen können sich Journalisten natürlich politisch betätigen. Es sollte nur zum Berufsethos gehören, dass bei der beruflichen Arbeit Berichterstattung/Kommentierung von der Privatmeinung getrennt werden, so weit das möglich ist. Wir wären jedoch nicht Deutschland, wenn das Selbstverständliche bei uns nicht auf dem Kopf stehen würde; es heißt, 60-70 % der Journalisten seinen rot-grün verortet, Schwerpunkt grün. Leider trennt diese Journalistengruppe privat und beruflich nicht, sie denkt nicht im Traum daran. Wie anders kann es sonst sein, dass eine Partei, die Grünen, die im Bundestag mit 8,9 % die kleinste Fraktion stellt, fast das gesamte öffentliche Meinungsklima beherrscht und nach Belieben auch manipuliert?
Das Gegenmittel (zumindest bei Zeitungen): wann immer möglich, nicht mehr kaufen. Bleibt das Riesenproblem ÖR.

Rudi Ehm | Mo., 4. Juni 2018 - 14:40

Ich weiß jetzt gar nicht, ob man darüber noch groß streiten kann. Ich glaube den Mainstream-Angestellten sowieso kein Wort mehr. Also ist das ein rein theoretisches Abarbeiten eines uninteressanten Themas.