Ein Mann liest in einer Kairoer Moschee im Koran
Ein Mann liest in einer Kairoer Moschee im Koran / picture alliance

Buchkritik - Eine islamische Aufklärung gibt es nicht

Die Debatte darüber, ob der Islam zu Deutschland gehöre, streift immer wieder auch die Frage, ob diese Religion reformierbar ist. Der britische Autor Christopher de Bellaigue hat dazu ein Buch geschrieben. Das Problem: Er beschreibt eine schöne Fata Morgana

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es gibt gute Bücher. Und es gibt schlechte Bücher. Und dann gibt es noch ärgerliche Bücher. „The Islamic Enlightenment“ von Christopher de Bellaigue (als „Die islamische Aufklärung“ ab 21. März im Fischer-Verlag erhältlich) ist ein solches ärgerliches Buch. Es wirkt wie eine Bestätigung dieser These, dass der britische Historiker Peter Frankopan auf der Umschlagseite ein hochtönendes Kompliment loswird; de Bellaigues Werk sei „zeitgemäß, gedankenreich und provokativ“. Auch Franko­pan hat jüngst mit „The Silk ­Roads. A New History of the World“ ein ärgerliches Buch vorgelegt.

Dabei ist das Sujet de Bellaigues hochinteressant. Denn der „moderne Wettstreit zwischen Glauben und Vernunft“, wie das Buch im Untertitel heißt, zielt genau auf jene Stelle, an der der aktuell real existierende Islam einen blinden Fleck aufweist. Die Radikalen haben seit mehreren Jahrzehnten dort das Sagen, alles, was man als westlich-christlich sozialisierter Mensch mit der segensreichen Säkularisierung der Aufklärung verbindet, fehlt in dieser hermetischsten aller Weltreligionen. Sie ist so hermetisch, dass es noch nicht einmal zu einer Revolution von innen, einer Reformation, gereicht hat, geschweige denn zu einer Reformation von außen, einer Aufklärung.

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Markus Michaelis | Mo., 19. März 2018 - 18:45

Es gab im Islam natürlich auch Ansätze, die man als Aufklärung auffassen kann, aber meist früher in den Blütezeiten. Allerdings ist Aufklärung nicht das Maß aller Dinge - es ist etwas sehr europäisches. China oder Japan hatten auch keine Aufklärung, wollen dies auch nicht, zumindest keine europäische (Befruchtungen natürlich schon), sind trotzdem erfolgreich.

Ich denke Europa sollte die Welt nicht nur nach seinen Maßstäben beurteilen, aber trotzdem zu den eigenen Werten stehen und auch darauf stolz sein. Was am besten mit etwas mehr Abgrenzung geht.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 20. März 2018 - 10:20

bewirken, wenn Intelligenz auf Intelligenz trifft und vorzugsweise auf den Gebieten des Islam.
Wir sind aufgeklärt, brauchen keine sich aufklärenden Muslime, deren Länder aber brauchen das.
Also kann man Schüleraustausch und vieles mehr vereinbaren, statt wie Merkel einen Schlussstein vor eine nicht absehbare Entwicklung setzen zu wollen mit der Besiedlung Europas durch den Islam.
Mir graut davor, wenn zwischen Deutschland und Dänemark, Belgien, Holland, Schweiz, Österreich immer 10 Millionen Muslime stehen. wobei das Verhältnis noch ungünstiger ausfällt, wenn man deren eigene muslimische Bevölkerung mitdenkt.
Über einen Zeitraum von Jahrhunderten, Jahrtausenden mag das nicht ins Gewicht fallen, weil sich dann nicht "der" Muslim mit "dem" Muslim verbindet, sondern integrierte Europäer aufeinandertreffen.
Es mag charmant erscheinen, auch die entferntesten Leute in die CDU zu integrieren, man muss aber aufpassen, dass die nicht anders stärker integriert sind und die CDU zerstören.

würde ich aber werten wollen, dass die unterschiedlichsten Menschen in Deutschland leben wollen.
Das kann allerdings nicht in Form einer verordneten Massenimmigration von Leuten, die vor allem sich selbst sehen, vonstatten gehen->Bezüglichkeiten.
Einen aufgeklärten Islam erwarte ich nicht schnell, vor allem Respekt vor unserer Kultur und Offenheit und eigentlich Zuneigung zu uns.
Was sonst wollen Leute hier?
Ich gehe doch auch nur in Länder, die ich mag, bin allerdings sehr abhängig, ob die mich auch akzeptieren, tolerieren oder gar mögen.
Um den USA etc. den Massenmord an den indigenen Völkern """nachzusehen""", brauchte ich allerdings erst für mich eine andere Sicht auf die Besiedlung Amerikas.
Es wird sich zeigen, ob da "Leute" zurückgekehrt sind, zuwanderten oder besiedelten. Sinniges Leben gibt es nicht erst mit dem ersichtlichen Menschen und überhaupt schon etwas länger.
Die Palette der US-Horrorfilme zeigt die Auseinandersetzung mit dem Land und seiner (Ur)Geschichte.

Christa Wallau | Di., 20. März 2018 - 12:57

Ja, lieber Herr Schwennicke, genauso ist es:
Es gibt keine muslimische Aufklärung, und es kann sie auch nicht geben, so lange es keine kritische
Betrachtung des heiligen Buches der Muslime, des
Korans, gibt.
Alles andere ist Wunschdenken.
Die R e a l i t ä t sieht so aus, daß weiterhin die
Anhänger dieser Religion belehrt werden, daß
Allah der einzig wahre Gott ist, der von seinen
Gläubigen absoluten Gehorsam fordert. Jeder
Nicht-Muslim ist ein Ungläubiger, der keine Menschenrechte besitzt. Er darf deshalb im
Falle der Auseiandersetzung getötet werden, ebenso wie jeder Abtrünnige.
Die wenigen sog. aufgeklärten Muslime werden
verfolgt. Bisher gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, daß sich an dieser Lage etwas ändern wird.
Wer sich also auf eine Einwanderung von Muslimen in großer Zahl einläßt, spielt mit dem Feuer oder
er hat heimliche Sympathien für sie, was ich
inzwischen von den Bischöfen annehme, die sich mit den Imamen gemein machen.

Ehrenfied Wohlfarth | Di., 20. März 2018 - 17:02

Antwort auf von Christa Wallau

die Hierarchen beider großen Kirchen in Deutschland sympatisieren angesichts einer säkularer werdenden Gesellschaft in der Tat mit dem Islam und vor allem mit den konservativen Islamverbänden, weil durch deren Aufwertung die Religion im allgemeinen einen höheren Stellenwert erlangen kann. Mit dieser kurzsichtigen Denkweise erhoffen sich deutsche Bischhöfe, dass auch der Einfluss ihrer Kirchen wieder gestärkt wird. Unterstützung erhalten sie durch die Politik, weil unsere Regierenden Kirche und Staat nicht konsequent trennen sowie die konservativen und reaktionären islamischen Verbände hofieren.

Peter Wagner | Di., 20. März 2018 - 16:05

Solange es Muslime gibt, gegen die eine Fatwa mit Todesurteil ausgesprochen wurde und die sich des halb nur mit Polizeischutz in der Öffentlichkeit bewegen können, gehört der Islam nicht zu Deutschland!

Werner Peters | Di., 20. März 2018 - 17:31

Wenn der Islam zu Deutschland gehören soll, gehört dann das Christentum auch zur Türkei, stellvertretend für alle muslimisch geprägten Länder ?
Werden dort Kirchen gebaut bzw. alte renoviert ? Können dort Kinder von Christen unbehindert Religionsunterricht besuchen ? Sind Christen dort in ihrer Berufs- und Karriere-Entwicklung frei ? Gibt es Unis, die Christentum lehren ? Was meinen Sie, Frau Merkel ?

Sylvia Schramm | Di., 20. März 2018 - 21:25

Wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann müßte ja auch unsere Verfassung geändert werden. Mit dem Bekenntnis zum Islam, gehören dann aber auch die Ehe mit mehreren Frauen, die Kinderehe und auch die Scharia ! Da werden wir uns da wohl auch anpassen müssen. Ebenso werden wir als Frauen ein ganzes Stück von unserer Selbständigkeit wieder aufgeben müssen. Denn zum Islam gehört auch all dies!
Jetzt wird immer Herr Wulf zitiert, daß der Islam auch zu Deutschland gehört. Das machte mich stutzig. Wußte man damals schon was auf Deutschland zukommen würde? Dann hätte man ja vorher vielleicht schon etwas steuern können! Dann wären wir 2015 nicht so überfordert worden.

Marianne Bhatia | Mi., 21. März 2018 - 08:56

Sehr geehrter Herr Michaelis,
Viel Dank fuer Ihren so unaufgeregten Beitrag dem ich voll zustimme. Hoeren wir doch endlich auf allen Voelkern unser Weltbild auf zu zwingen. Wir werden den auskam nicht aendern.
Wir muessen den Moslems in Europa erklären
das wir ein christlich gepraedtes Abendland
sind.Die Mehrheut eines Landes sagt wo es lang geht. Religion ist Privatsache. Keine Extras.

Klaus Hoffmann | Mi., 21. März 2018 - 11:17

Auch bei uns ist die säkulare Reformbewegung nicht aus dem Inneren des Christentums gewachsen. Die Gedanken kamen im wesentlichen über die Renaissance aus der Antike und mussten gegen den z.T massiven Widerstand der Kirchen durchgesetzt werden. Religionsfreiheit gibt es bei den Katholiken erst seit dem 2. Vatikanischen Konzil (ca. 1965)! Sloterdijk meinte daher mal, dass wir christlich und griechisch denken (soweit auch zu unserer „christlichen Prägung“). Im Islam gab und gibt es durchaus interne „aufklärerische“ Ansätze wie heute die Ankaraner Schule. Bei uns denke ich an Bassam Tibi, Khorchide, Kermani oder den interessant zu lesenden Penzberger Imam Idriz - http://www.islam-penzberg.de/?page_id=1080 Das ist aber nicht Mainstream. Aber das müssen wir fördern. Die Islamverbände tun das nicht, jedenfalls nicht genug. Ein wesentliches Hindernis scheint mir der Einfluss aus dem Ausland (s. etwa Internet-Fatwa-Dienste oder den einflussreichen Prediger Yusuf al-Qaradawi).

Tarik Cviko | Do., 22. März 2018 - 14:00

Was "aus der Antike über die Rennaissance" nach Europa kam, kam aus der islamischen Welt. Doch die These, die Araber/Perser hätten, wie J.Khalili bemerkt "die aristotelische Katze aufbewahrt" überholt. Was Europa bekam, war "keine Katze, sondern ein ausgewachsener Wüstenlöwe". Empirische Wissenschaft, Theorien über Paralleluniversen, die Methode des kritischen Zweifels - der Platz für eine Auflistung ist zu knapp -, all das wurde in Bagdad, Basra etc. entwickelt. Dass sich durch die Aufklärung in Europa ein Quasi Atheismus entwickelt hat, liegt daran, dass man sich gegen etwas wehren musste, dass es im Islam gar nicht gab (Kirche). Der Islam braucht eine Gegenreformation, eine Besinnung auf den "adab al-ikhtilaf" - der islamische Ethik der Meinungsverschiedenheit, die sich in einer "Einheit in der Vielfalt" ausdrückte und kein bloßes Überstülpen eines Säkularismus, der in seiner Konsequenz => dem bloßen Heil in der Technik zu suchen, den Planeten vor ernsten Herausforderungen stellt.

Tarik Cviko | Do., 22. März 2018 - 14:35

Der Islamismus ist ein modernes, junges Phänomen. Wie John Gray richtig schreibt:
"Kein Klischee trägt mehr zur allgemeinen Verdummung bei als die Behauptung, al-Qaida sei ein Rückfall ins Mittelalter. Es handelt sich vielmehr um eine Begleiterscheinung der Globalisierung[...]der Glaube, dass durch spektakuläre Zerstörungsaktionen eine neue Welt schneller entstehen kann, ist im Mittelalter nirgendwo zu finden. Die engsten Vorläufer von Al-Qaida sind die revolutionären Anarchisten im Europa des späten neunzehnten Jhdt."
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Islamisten rufen zwar "zurück zu den Quellen", doch sie versuchen, den Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, indem sie das Seil zerschneiden: den mittelalterlichen Islam, den Reichtum und die Vielfalt islamischen Denkens ist für sie nur "totes Holz." Zurecht spricht die Koranforscherin A.Neuwirth auch von einer "Protestantisierung des Islams". Hegels "Dialektik der Geschichte" passte nicht in eine Welt mit vielfältigen Ideen, sie musste gewaltsam aufgezw. werdern.