Götz Aly
Der Historiker Göty Aly / picture alliance

68er - Fundstück: „Wir gerieten in einen Rausch verrückter Selbstüberschätzung“

Der Historiker und Alt-68er Götz Aly zieht in einem Interview eine schonungslose Bilanz seiner Bewegung. Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke empfiehlt die Lektüre

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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So selten wie Teichrosen in der Wüste: Ein 68er, der zur Selbstkritik fähig ist und die noch öffentlich ausspricht. Zum halben Jahrhundert der Bewegung zieht Götz Aly kritische Bilanz und benennt schmerzhafte Parallelen. Kostprobe: „Logischerweise trugen wir erhebliche Reste des alten Gifts noch in uns, weil wir überwiegend von Ex-Nazis, bestenfalls Neodemokraten erzogen worden sind. 1968 schwitzten wir den alten Dreck sozusagen aus. Das roch nicht gut, musste aber sein. All das ist geschichtlich verständlich. Ich finde es nur falsch, daraus im Nachhinein eine Heldentat zu machen.“  

Mit unseren „Fundstücken“ wollen wir in loser Folge auf außergewöhnliche Standpunkte aus dem Netz und anderswo hinweisen.

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Dr. Lothar Sukstorf | Fr., 26. Januar 2018 - 12:00

...es wurde nur 'altes Gift'gegen neues Gift' ausgetauscht...dieses Gift hat uns all die negativen Begleitumstände unseres jetzigen Daseins beschert. Als Zeitzeuge möchte ich meiner Meinung nach anmerken, die 60ziger Jahre vor den 68zigern waren weitaus lebenswerter als die Heutezeit.

Bettina Diehl | Fr., 26. Januar 2018 - 12:03

sollten in 50 Jahren oder früher unsere jetzigen "Aktivisten, Feministen, Gutmenschen" samt Medienschaffenden zur Reflexion im Stande sein, so wird Deutschland längst verschwunden sein.

Karoline Vomich | Fr., 26. Januar 2018 - 12:14

Zu jung um zu den 68zigern zu gehören, aber doch alt genug um mich an die Zeit davor zu erinnern, kann ich bezeugen: Wir haben uns gebessert!

Ich weiß nicht, wie es vor 1968 war.
Aber wenn man sieht, wie die Erben der 68er heutzutage Freiheit immer mehr einschränken, wie sie Meinungen beherrschen und kontrollieren wollen, dann sind wir scheinbar auch mit Leuten, die mal angetreten waren, um es besser zu machen, wieder auf dem Weg zu einem neuen Gesinnungsstaat. Die neuen Vertreter starrer Ideologien verfolgen diese mit demselben Fanatismus, den sie auch ihre politischen Gegnern oft vorwerfen- allerdings benebelt von dem Glauben, die vermeintlich "Guten" zu sein.
Ich möchte aber lieber in einer freien Gesellschaft leben, in der mir weder Rechte noch Linke noch Grüne und schon gar keine Vertreter rückschrittlicher Religionen sagen, was ich zu tun oder zu lassen oder wie ich zu leben habe.

anders geworden, Frau Vornich. Aber deshalb nicht zwangsläufig besser. Ich tendiere da mehr zu Herrn Dr. Sukstorf. Ich denke die Nachteile der Nach-68er-Ära überwiegen. Leider reichen die 1ooo Zeichen nicht aus um das alles zu begründen.

Wenn ich mir aber nur mal die Bildungsmisere ansehe, die zweifelsohne den 68ern zu "verdanken" ist, dann fehlen mir die Worte. Eine Katastrophe. Hat mal einer von den Verantwortlichen darüber wirklich nahgedacht? Ist jemandem klar, was wir unseren Kindern und Enkeln antun? Und damit unserem ganzem Lande.

Heute grade gelesen "Lehramtsanwärter haben durch die Bank massive Probleme mit der Grammatik und der Rechtschreibung der deutschen Sprache"

Deutschland war mal ein schönes Land, in jeder Beziehung.

Das ist gewiß richtig! Wir h a t t e n uns gebessert!

Leider ist die „Besserungskurve“ (hinsichtlich einer offenen, aufgeklärten und liberalen Gesellschaft) nicht streng monoton wachsend, sondern besitzt ein Maximum im Zeit-Intervall [1980,2005]. Es bleibt allerdings die Frage noch offen, ob es im Zeit-Intervall [2005,∞[ eine Nullstelle gibt.

Ralph lewenhardt | Fr., 26. Januar 2018 - 12:30

Diesem menschlichen Phänomän unterliegen derzeit auch jene Bundes-Politiker die meinen, Hauptgegenstand ihres politischen Auftrages wäre die hektische administrative Formung eines unrealistischen ideologisch-virtuellen EU-Überbaus. Und das am besten noch gleich in ihrer kurzen restlichen Amtszeit und mit den in vielen Ländern bereits gescheiterten Demokratiemethoden. Damit hoffen sie aber vor allem, schnellstmöglich ihrer nationalen Verantwortung für den unerhörten volkswirtschaftlichen Schaden daraus entfliehen zu können und auch den heiklen tatsächlichen Problemen in ihren Ländern.

Alexander Mazurek | Fr., 26. Januar 2018 - 19:16

... Geborenen wird von Generation zu Generation größer, und zwar schon immer völlig grundlos.

Hubert Siweke | Mo., 29. Januar 2018 - 14:03

kann ich mich gut erinnern, damals erkannt zu haben, dass ein Großteil der "ach so schlau sein wollenden Studenten" zwar zu recht die Väter und Mütter wegen der Nazizeit angriffen, ihrerseits aber den linken Gewaltherrschern wie Mao, Stalin oder Polpot Castro oder Che blind hinterher liefen.
Ebenso betete man den Sozialismus an. AKWs wurden bekämpft, aber gegen die AKWs der UdSSR hatte man kein Stimme.

Wolfgang Beck | Di., 30. Januar 2018 - 22:19

"Denn welcher Mensch kennt sich selbst, wer kennt andre so durch und durch, um zu entscheiden: ob, wenn er von den Ursachen seines vermeintlich wohlgeführten Lebenswandels alles, was man Verdienst des Glücks nennt, als sein angeborenes gutartiges Temperament, die natürliche größere Stärke seiner oberen Kräfte … überdem auch noch die Gelegenheit, wo ihm der Zufall glücklicherweise viele Versuchungen ersparte, die einen andern trafen; wenn er dies alles von seinem wirklichen Charakter absonderte; …wer will dann entscheiden, sage ich, ob vor dem allsehenden Auge eines Weltrichters ein Mensch seinem innern
moralischen Werte nach überall noch irgend einen Vorzug vor dem andern habe, und es so vielleicht nicht ein ungereimter Eigendünkel sein dürfte,
bei dieser oberflächlichen Selbsterkenntnis zu seinem Vorteil über den moralischen Wert (und das verdiente Schicksal) seiner selbst sowohl als
anderer irgend ein Urteil zu sprechen?"