Oliver Bierhoff, Manager der Fußball-Nationalmannschaft, kommt am 08.12.2017 zum außerordentlichen Bundestag des Deutschen Fussball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main (Hessen)
Brav, harmlos und stets gut frisiert: Die Bierhoffisierung des Fußballs steht für die Verdrängung echter Typen / picture alliance

Fußball - Ohne Freiheit keine Genialität

Kolumne: Schöne Aussicht. Ex-Nationalspieler Mehmet Scholl hat den hohen Konformitätsdruck und die kreative Verarmung im Profifußball kritisiert. Dabei ist das kein fußballspezifisches Problem. Wer sich in unserer Gesellschaft nicht anpasst, gerät ins Abseits

Matthias Heitmann

Autoreninfo

Matthias Heitmann ist freier Publizist und schreibt für verschiedene Medien. Kürzlich hat er das Buch „Entcoronialisiert Euch! Befreiungsschläge aus dem mentalen Lockdown“ veröffentlicht. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

So erreichen Sie Matthias Heitmann:

- „Die System-Politiker sprießen aus dem Boden, Deutschland wird sein blaues Wunder erleben.“

- „Nebenbei werden starke Charaktere aussortiert, weil sie unbequem sind.“

- „Letztlich wird ganz oben nur noch eine weichgespülte Masse ankommen, die erfolgreich sein wird, aber niemals das Große erreichen wird.“

Das alles sind öffentlich geäußerte Sätze eines Prominenten, der auch sonst mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält. Zugegeben, sie wurden leicht verfremdet, um den eigentlichen Bezug, in dem sie standen, nicht gleich sichtbar zu machen. Man könnte annehmen, es handele sich um einen meinungsstarken Politikwissenschaftler, der sich angesichts der aktuellen Lage der deutschen Politik in Rage redet. Doch dem hier Zitierten ging es nicht um Politik. Es ging um Fußball. Die Aussagen stammen von Mehmet Scholl. Mit seiner Verbalattacke gegen den Anpassungsdruck, der auf Fußballern laste, gegen die neue Generation der verkopften und taktikverliebten „Laptop-Trainer“ und gegen die systematische Aufzucht von gleichförmigen, handzahmen und leicht zu manövrierenden Elitekickern hat Scholl einigen Staub aufgewirbelt. Einige reagierten angesäuert, aber Scholl bekam für seine verbale Grätsche aus der Branche auch Rückendeckung.

Kritik tut Not

Scholl ist beileibe nicht der Erste, der den Finger in die Wunde legt. Im Magazin Novo wurde bereits im Mai 2002 dieser Trend zur systematischen Verdrängung echter Typen als die „Bierhoffisierung des Fußballs“ beschrieben – der Begriff hat es mittlerweile sogar in deutsche Leitmedien geschafft. Damals galt Oliver Bierhoff noch als Inbegriff des harmlosen und braven Lieblingsschwiegersohns, der immer gut frisiert und ebenso gelaunt und höflich auftrat und seinen Teil dazu beitrug, dass der Fußball noch ein Stückchen stromlinienförmiger, vermarktbarer und hoffähiger wurde. Sein Aufstieg zum Manager der Nationalmannschaft und mächtigen Weichensteller im DFB begann erst zwei Jahre später.

Seit Beginn dieses Jahrhunderts wurde im deutschen Fußball viel dafür getan, dass sich dürre Jahre wie die zwischen 1996 und 2006 nicht wiederholen, als die DFB-Elf (trotz der Vizeweltmeisterschaft 2002) über viele Jahre hinweg kein einziges Pflichtspiel gegen eine große Fußballnation gewinnen konnte. Die Nachwuchsarbeit wurde zum festen Bestandteil aller Profivereine gemacht. Diese Professionalisierung rief schon damals Kritiker auf den Plan: Für sie war der enge Kontakt zum urwüchsigen Bolzplatzleben ebenso in Gefahr wie die Chancen von eigenbrödlerischen Ausnahmetalenten und lauffaulen, aber genialen und lebenslustigen Straßenkickern, sich gegen fleißige, aber nur wenig kreative Systemspieler durchzusetzen. Die Kritiker wurden zwar gehört, doch die Rückkehr der radikal verjüngten Nationalmannschaft („Schweini“ und „Poldi“ kicken für „Klinsi“ und „Jogi“) in die Erfolgsspur und die einsetzende Public-Viewing-Kultur („Sommermärchen“) schienen die Befürworter des Nachwuchsförderungssystems zu bestätigen.

Der Erfolg hat die Missstände überdeckt

Unbestritten: Der deutsche Fußball kann seit Mitte der 2000er-Jahre einige Erfolge vorweisen. Die Erfolgsgeschichte beschränkt sich allerdings nur auf die obersten Zirkel der Fußballerelite: Das Ausbildungssystem des deutschen Profifußballs stellt sicher, dass eine sehr exquisite, aber auch sehr dünne Schicht von Ausnahmespielern für das Nationalteam bereitsteht: Diese Spieler sind enorm flexibel einsetzbar und anpassungsfähig, teamorientiert, in der Regel leicht führ- und kontrollierbar und ohne Reibungsverluste untereinander austauschbar. „Der Star ist die Mannschaft“ war der bezeichnende Slogan, unter dem das historische 7:1 gegen Brasilien bei der erfolgreichen WM 2014 abgeheftet wurde. Doch jenseits der blendenden Erfolge der Nationalmannschaft oder des Ausnahmevereins FC Bayern München zeigt sich: Die Mittelklasse des deutschen Fußballs lebt zu großen Teilen in ewiger Abstiegsangst und fast ohne jede realistische Chance, langfristig nach oben zu kommen und dort zu bleiben.

Selbst Vereine wie Borussia Dortmund, Schalke 04 oder die langjährigen Bayernjäger von Werder Bremen mussten dies in den vergangenen Jahren schmerzhaft erfahren. Noch schlimmer trifft es echte Mittelklassevereine, die es als „Underdogs“ gelegentlich aufs europäische Parkett schaffen, um im Anschluss zu erleben, dass ihnen dieser Ausflug oft den Bundesligaboden unter den Füßen wegzieht. Bochum, Frankfurt, Freiburg, Hannover und Köln sind Beispiele dafür, dass der Traum von der Euro-League jäh in der zweiten Liga enden kann. Häufig wird das Fehlen einer stabilen Mittelschicht als Folge der Ökonomisierung des Fußballs kritisiert. Einen weniger häufig genannten, aber ebenfalls beachtlichen Anteil daran hat auch die von Mehmet Scholl beschriebene Kultur der zunehmenden Systemfixierung, der risikoscheuen Planungsbesessenheit und der autoritären Teamorientierung, die sich in der Nachwuchsförderung zeigt.

Kreative Verarmung ist kein exklusives Fußball-Problem

Im selben Maße betroffen ist auch die Trainerausbildung des DFB, die Scholl rückblickend als „elfmonatige Gehirnwäsche“ bezeichnete. Beides zusammen führt seiner Ansicht nach zu einer kreativen Verarmung und Homogenisierung des Fußballs, die man nicht nur an den inzwischen fast wortgleichen Spielerinterviews ablesen kann, sondern auch auf dem Platz zu Gesicht bekommt. In dem Maße, in dem der Fokus immer mehr auf eine möglichst umfassende Ausbildung von Profikickern gelegt wird, schwinden Spiel- und Freiräume für Typen, die nicht in diese Muster passen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass Spieler wie Stefan Effenberg, Mario Basler, Günter Netzer oder der einstige Maoist Paul Breitner heute schlicht und ergreifend durchs Raster fallen und aussortiert würden. Aber auch aktuelle Stars wie Arjen Robben, Franck Ribéry und Thomas Müller hätten heute Schwierigkeiten, ganz nach oben zu kommen.

So richtig es ist, dass Scholl auf diese Entwicklung kritisch hinweist, so wichtig ist es jedoch hinzuzufügen, dass dieses Phänomen eben kein fußballspezifisches ist. Der Fußball ist hier, wie so oft, ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen, wenngleich unter dem Brennglas extremer öffentlicher Beobachtung und mit entsprechender Verzerrung und Zuspitzung. Daher greifen auch Scholls Schuldzuweisungen in Richtung DFB letztlich zu kurz. Das Phänomen systemorientierter „Laptop-Trainer“ oder angepasster Fußballer ist nicht einfach nur auf Versäumnisse in den Ausbildungsstrukturen des DFB zurückzuführen. Die Probleme des Fußballs reflektieren die Gesellschaftsprobleme: Anpassungsdruck, freiwillige Konformität, starke Systemfixierung, fehlender Mut zum Unbequemen, Kreativen und Aufmüpfigen sind die Folgen eines zunehmend verengten politischen und gesellschaftlichen Horizonts. Diese Verengung wird gerade spürbar in Zeiten, in denen alte Gewissheiten und Sicherheiten aufbrechen und eigentlich neues Denken und mutiges Tun angesagt wären.

Schräge Typen brauchen Freiräume

Der Bundesligatorwart René Adler hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass ihm niemand verbiete, ein Buch in die Hand zu nehmen. Er reagierte damit auf die Aussagen des Freiburger Stürmers Nils Petersen, der unlängst im Focus das niedrige geistige Niveau im Profifußball kritisiert und eingestanden hatte, selbst seit zehn Jahren „zu verblöden“. Natürlich hat Petersen Zeit und Geld genug, um sich Bücher anzuschaffen. Dennoch wäre es unfair, die heute in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen fehlende Aufmüpfigkeit gerade von jungen Männern zu erwarten, die in Leistungszentren lernten, sich ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Schweigen vergolden zu lassen. Sportler sind Vorbilder, wenn es um ihren Sport, um Disziplin und Ehrgeiz geht. Sie sind es nicht in Sachen Freiheitsstreben und Eigenständigkeit. Ähnlich absurd wäre es, von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erwarten, dass sie plötzlich von ihrer Agenda der alternativlosen Stabilität abweichen und innovative Impulse setzen möge.

Wenn wir mehr schräge Typen in entscheidenden Positionen sehen wollen, dann müssen wir bereit sein, den Preis dafür zu zahlen. Und der besteht darin, dass die Verhältnisse durcheinandergebracht werden und wir uns von altem Personal und alten Glaubenssätzen verabschieden müssen. Der Preis ist weniger Planbarkeit und mehr Risiko, weniger Standardisierung und weniger systemische Disziplinierung. Dafür erhält man als Gegenleistung mehr Komplexität, mehr Veränderung, mehr Unordnung und mehr Eigenverantwortung. Wer mehr schräge Typen sehen will, muss den Mut haben, ihnen Raum zu geben und selbst ein bisschen schräger zu werden. Ob nun mit Laptop oder ohne: Ein positiveres Verhältnis zu Individualität und Freiheit täte gut – dem Fußball wie der Politik.

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Christa Wallau | So., 24. Dezember 2017 - 09:29

Ja, das täte nicht nur gut, Herr Heitmann, sondern
es ist d r i n g e n d notwendig.
Aber was geschieht praktisch: Unsere Politiker schränken die individuelle Freiheit durch Gesetze ein, und zwar unter dem Deckmäntelchen des Schutzes von Anstand und Sprache.
Wenn man jedes Wort auf die Goldwaage legen muß, bevor man es ausspricht, bekommt man
allmählich eine Zensurschere im Gehirn, die
direktes Empfinden und f r e i e s Denken in starkem Maße behindert bzw. ganz unmöglich macht.
So entsteht ein unnatürlicher Konsensdruck -
vorgegeben von denen, die davon profitieren:
die Repräsentanten der herrschende Ideologie.
Je größer jedoch dieser Druck wird, umso
eruptiver und unkontrollierter sind die Ausbrüche, die sich bei den Menschen ereignen, die darunter leiden: Echte, starke Gefühle lassen sich eben
auf Dauer nicht unterdrücken!
Fast zwangsläufig entwickelt sich - das lehrt die Psychologie - aus einem Geschlagenen ein Schläger u. aus einem ge"maas"regelten ein Wutbürger!

Besser ist es nicht zu beschreiben. Die Mission lautet, die "Massen" einzuschüchtern und kontrollieren.
Alle sollen jedes Wort, mehrmals überdenken. Lieber sage ich nichts, als "Probleme" zu benennen und zu bekommen. Wer nichts sagt ist angepasst und dem System am nützlichsten. Die Einschüchterungsdebatten, laufen unaufhörlich in den Medien, die sich wieder auf der Seite der "Mächtigen" schlagen.
Nur mit Pseudonym trauen sich noch Menschen ihre Meinung in den Medien kundzutun, wenige Ausnahmen. Und das ist erst der Anfang. Abschaffen der Meinungsfreiheit ist im vollem Gange. Wir sind beim Salat des Menüs angelangt, die Suppe ist "gegessen", das "Hauptgericht" in Bearbeitung, ob es zum Nachtisch kommt, das ist die grosse Frage. Nochmals Bravo, zur ihrer Analyse Frau Wallau und schöne Feiertage an alle Leser und Redaktion.

Liebe Frau Wallau
Sie haben richtig erkannt, dass es bei Herrn Heitmann nicht um Fußball geht. Aber wie soll eine vielfältige Bevölkerung entstehen, wenn der Staat bereits im Frühkindesalter die Erziehung übernimmt? Entsteht nicht mit Vorgaben zur Erziehung auch „Uniformität“? Wie sollen Eltern ihre Kinder zu Individuen erziehen und ihnen kritisches Nachfragen beibringen wenn sie nach ihrer eigenen Berufstätigkeit noch den Haushalt schmeißen sollen? Wie kann ein Lehrer seine Schüler an eine vielschichtige Meinungsbildung heranführen wenn in den Medien kaum kritische Stimmen zu finden sind? Kann eine individuelle Förderung von Talenten in einer „gerechten Bildungsrepublik“ gelingen?
Herr Scholl hat richtigerweise erkannt, dass Individualität und Talente der Grundstock jedes breit gefächerten Erfolges ist, auch wenn er es im Bereich des Fußballs gesagt hat.

Dirk Lorenz | So., 24. Dezember 2017 - 09:57

Schöner Artikel wider Konformitätsdruck und Harmoniesoße. Nur das Wort "schräg" stört mich in diesem Zusammenhang. Das klingt mir zu sehr nach Klassenclown, nach Auffallenwollen um jeden Preis. Doch genau darum geht es doch nicht. Sondern darum, dass jedes System gerade die Abweichung braucht, um innovativ zu sein. Deshalb würde eher kreativ und individualistisch bevorzugen.
So sind auch im Fußball die Riberys, Aubemeyangs, Messis, Forsbergs mit ihrem individuellen Charakter unverzichtbar für den Mannschaftserfolg. Denn eine Taktik umsetzen kann jeder solide ausgebildete Spieler. Nur entscheidet die Taktik nicht das Spiel, sondern ein, zwei geniale Momente dieser Fußball-Individualisten. Jener Sorte Fußballer, die der DFB gerade nicht ausbildet. Das sehe ich als Leipziger gerade auch bei RB: da wird seit Wochen kein Spiel mehr gewonnen, weil mit Emil Forsberg und Marcel Sabitzer die Kreativspieler verletzt sind. Ein Keita allein ist da zu wenig.
Vielen Dank für den Beitrag!

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 24. Dezember 2017 - 10:45

leiden könnten, Oliver Bierhoff und Mehmet Scholl, so würde ich doch keinen Gegensatz zwischen den beiden aufbauen wollen.
Ich glaube von Oliver Bierhoff hörte ich die Worte, m.E. inmitten einer Zeit der Spiele zu Gefallen und Präsentation der Bundeskanzlerin, man möge den Fussball nicht für die Politik nutzen.
Gut so Oliver Bierhoff.
Ob der Mensch nur Mensch ist, wenn er spielt (Friedrich Schiller) oder ob er da nur anders er selbst sein kann, sei dahingestellt, aber seit ich mir nicht mehr ständig die Politprominenz bei Spielen anschauen muss, schaue ich wieder gerne hin.
Nur noch zwei Sachen am Rande.
Oliver Bierhoff mag der telegenere der beiden sein, aber zu solch einem Artikel gehört auch ein Bild von Mehmet Scholl.
Zweitens bin ich sehr beunruhigt über die möglichen Auswirkungen von Kopfbällen im Fussball.
Ich schaue nicht gerne Sport, der verletzt.
Vielleicht kann man Kopfbälle auf den Bereich ums Tor einschränken?
Es heisst doch Fussball.
Ein frohes Neues Jahr.

wird heute wirklich anders Fussball gespielt.
Man könnte es auch positiv formulieren, dass alle Spieler spielen, System eben.
Allerdings ging es mir bei Pep Guardiola zu weit.
Aber genaugenommen wären schon Spieler_innen okay, die variabel einsetzbär wären.
Dann wiederum gibt es glaube ich zu bestimmten Zeiten bestimmte Spieler.
Der Trainer muss sich nach dem Angebot richten, nicht nur nach seinen Vorstellungen vom Spiel.
Hat Fussball/Vereinsleben noch diese Bedeutung des Hochkommens/Gemeinschaftsgefühl in Deutschland oder streben nicht viel mehr Menschen als früher nach einem selbstbestimmten Leben und Arbeiten?

Dr. Lothar Sukstorf | So., 24. Dezember 2017 - 11:23

Diese Korrelation Freiheit-Genialität ist - nennen wir es mal so - eher hinterfragenswert. Freiheit im Sinne von westlicher Freiheit= Demokratie? Wenn das damit gemeint war, wieso gab es dann, als es das alles noch nicht so gab, Aristoteles, Platon, Dürer, da Vinci, Shakespeare, Goethe, Schiller, Einstein...um nur einige zu nennen???

sehe ich besonders im akademischen Bereich, weil an verschiedenen Universitäten kritische Meinungen kein Gehör mehr finden. Als Beispiele seien nur die Podiumsdiskussion von Rainer Wendt an der Uni Köln und die Aufregung um die Worte von Prof. Reger von der Uni Leipzig genannt. Von universitär Gebildeten und solchen, die es einmal werden wollen sollte man eigentlich erwarten können, dass sie sich mit Thesen jeglicher Coleur unaufgeregt und sachlich auseinandersetzen, anstatt mit Krawall und Bohei zu reagieren.

Ich möchte aber beim Fussball bleiben und würde meinen, dass man Spielübersicht haben muss.
Waren dafür nicht diese Liberos zuständig, unser Beckenbauer?
Wichtig auch, dass ein Spiel nach vorne getragen wird und da oute ich mich gerne als Lahm-Fan.
Dann muss man noch eine Antwort finden auf die Konzepte der zu überwindenen Mannschaft.
Doch ja, ich kann verstehen, wenn Fussball zur Wissenschaft wird.
Es braucht Spieler, die Analysen verstehen, sie umsetzen können, aber auch frei auf dem Spielfeld variieren können.
Grundsätzlich begeistern Spieler, die dem Spiel körperlich gewachsen sind, man denke daran, wie Boateng diesen einen Ball aus dem Tor entfernte.
Es gibt Spiele, die sich wirklich entfalten und die Zuschauer mitreissen können.

Was wurde nicht alles medial zum Fussball während verschiedener Zeitgeist-Epochen verbreitet: So war 1954 dem beginnenden Aufbauboom gewidmet(man war wieder wer) und die WM-Mannschaft/Fritz Walter wurden damit gleichgesetzt. Dumm nur, dass dies von den Fussballern damals nicht so gesehen wurde. Der Gewinn der EM 1972 wurde gleichgesetzt mit Willy Brandt, Aufbruch, Rebellion gegen das Alte etc., 1990 wurde mit dem deutschen Überschwang der Wiedervereinigung gleichgesetzt. Vor allem aber wurde in den Medien ein Bild gezeichnet wie das, daß die Fussballer der verschiedenen Generationen exakt das empfanden und ausübten/vorlebten wie es die Medien berichteten. Spätestens seit der Professionalisierung des Fussball geht es den Spielern vorrangig darum; welcher renommierte Verein, wieviel Kohle, wie kann ich mich am besten vermarkten? Das galt für Netzer, Beckenbauer, Breitner, Völler, Matthäus, Kahn und auch für Scholl...Das hat mit dem politischen System eines Landes recht wenig zu tun.

Heinrich Maiworm | So., 24. Dezember 2017 - 12:19

Einerseits: Mitten in der Debatte über Mindestlohn für Zeitungsboten fragte ich einen bekannten "kritischen" Journalisten im Anschluss an seinen Vortrag über "Zivilcourage", ob er sich für die Zusteller seiner Zeitung stark machen würde. Das könne ich ernsthaft nicht erwarten, dass er sein Nest beschmutze, antwortete er. Bei den Fussballern, ihren Managern und Kommentatoren wird es ähnlich sein: Jeder sieht sich als unangepasst, andere als angepasst.
Andererseits: Nur wer Teil der Masse ist, kann das Bedürfnis haben, aus ihr herauszuragen. Wer ihr nicht angehört, wird das oft als Belastung empfinden und versuchen, sich ihr anzupassen.

Marina Blach | So., 24. Dezember 2017 - 13:29

Dann hat Herr Nils Petersen wohl einiges nicht verstanden?
Es muss doch etwas Wahres an der Kritik am Fussball dran sein?

Axel Kreissl | So., 24. Dezember 2017 - 14:24

Der deutsche Mystiker Angelus Silesius sagt: Der Himmel ist in dir, suchst du ihn anderswo, du fehlst ihn für und für. Der ehemalige UNO Generalsekretär Dag Hammarskjöld schrieb ein Buch: die längste Reise ist die Reise nach innen. Nur auf diesem Weg findet jeder seine Einzigartigkeit, einige ihre Genialität. Wer sich anpasst, verliert sie. Die Frage ist: wer ist dieses System, das die Norm definiert, wer ist dieses gesichtslose Nichts, das vorschreibt, daß alle nicht sein dürfen?

Markus Michaelis | So., 24. Dezember 2017 - 15:02

Ich glaube solche Tendenzen gab es schon immer. Gerade sehr erfolgreiche Systeme erzeugen unter den Teilnehmern einen hohen Anpassungsdruck. Das gilt für die Finanzbranche, viele Firmen, die Gesellschaft, die deutsche Politik und wohl auch für den Fußball. Deswegen enden erfolgreiche Systeme, wie etwa das 2. Dt. Kaiserreich auch oft mit einem Knall. Weil sich der Gegensatz aus Anpassung und Realtität weit aufbauen kann. Mal gespannt wo wir mit D, Euro, Europa heute stehen. Europa ist wohl nicht erfolgreich genug, um im Knall zu enden. Bei D bin ich nicht sicher.

Ansonsten gibt es noch den generellen Gegensatz, dass Anpassung und Team wichtig sind und Erfolg geben, aber eben nicht nur. Es braucht auch Typen, Ausbrüche und Querdenken (nicht Queer - das ist heute z.T. eher angepasst). Beides hat auch negative Seiten.

Peter Dünkelhofen | So., 24. Dezember 2017 - 18:31

Der moderne Oppurtinismus ist ein Resultat des linken Mainstreams und des Neoliberalismus. Es ist ein teuflisches Zusammenspiel dieser Kräfte. Die Christliche Religion hat uns Freiräume gegeben das sie uns Absolution geben konnte, dass schafft der Linksliberalismus nicht. Der Linksliberalismus kennt nur die Strafe und er nutzt den Neoliberalismus zum bestrafen und weil der Neoliberalismus absolut durchdringend ist in unserem Leben ist auch die Strafe und die Knechtschaft absolut.

Holger Stockinger | So., 24. Dezember 2017 - 18:34

Das Unternehmen FIFA gleicht insofern der EU, daß der Kaiser von China Franz, den Zweiten von München, vermutlich für Genosse Schulz, Herzog von Würselen, hält.

Die "Liebesspiele auf der Wartburg" (frei nach Hans Sachs aus Nürnberg) könnten rein fußballerisch in Form von Weltmeisterschaften in olympischer Idee doch mal mit dem Singen von fünf gegnerischen Nationalhymnen beginnen ...

Dimitri Gales | So., 24. Dezember 2017 - 19:13

seien sie noch so kreativ, werden in der Wirtschaft gnadenlos aussortiert; da ist vielmehr Konformismus und Anpassung erwünscht, schliesslich muss man zum Unternehmen passen - und das ist kein Fussballstadion. In der Politik ist es ähnlich: wer der Parteilinie nicht gehorcht und druch eine eigene Positionen auffällt, hat dort in der Regel keine Zukunft. Auch in der Kultur ist so: dort herrschen Modediktate; wer die nicht mitmacht gilt schnell als antiquiert und kann einpacken.