Das Restaurant "Dreamland" in Alabama
Das „Dreamland“ entpuppt sich als Bretterbude / picture alliance

US-Gesellschaft - Sweet Home Alabama

Im US-Staat Alabama mussten Donald Trump und der republikanische Senatskandidat Roy Moore eine bittere Niederlage hinnehmen. Unser Autor dreht dort gerade einen Film. Vom amerikanischen Optimismus spürt er kaum etwas. Die Menschen wirken zerrissen und verängstigt

Autoreninfo

Wolfgang Mueller ist Filmproduzent und Schriftsteller. Bei btb / Random House erscheint sein aktueller Roman „Der Freund von früher“ in diesen Tagen als Taschenbuch.

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Zu Thanksgiving lädt uns Peter, der Vermieter unserer Produktionsbüros, in sein Haus ein. Die ganze Familie ist versammelt, im Fernsehen läuft das wichtigste Football-Ereignis des Bundesstaates, der Iron Bowl zwischen den rivalisierenden College-Mannschaften von Auburn und Birmingham. Ein amerikanisches Idyll. Gehobenes Bürgertum. Bodenständig, patriotisch, von überbordender Herzlichkeit. Und dann, wie nebenbei, erzählt uns eine ältere Cousine Peters von ihrer über dreißigjährigen Heroin- und Tablettensucht. Prompt berichten die anderen am Tisch von ihrem eigenen Schicksal, denn auch sie waren ja abhängig gewesen und bedauern die vertanen Jahre. Am meisten schämen sie sich, sich in Abhängigkeit von Percs, Oxys und Heroin nicht so um die Familie gekümmert zu haben, wie es sich für Amerikaner gehört. Diese Sucht, begreifen wir, hat eine uns nicht bekannte Dimension.  

Einige Tage später absorbieren uns die Dreharbeiten. Wider aller Vorhersagen schneit es in Alabama, ein Hindernis für jede Form von Filmarbeit. Die lokale Verwaltung, völlig unvorbereitet (der zweite Wintereinbruch innerhalb von nur zehn Jahren!), lässt die Schulen schließen und rät allen Bürgern, im Haus zu bleiben. Viele Crewmitglieder sind besorgt. Sie stammen, wenn nicht aus Alabama, aus „aller Herren Länder“: aus New Orleans (einem Filmzentrum), aus Atlanta (ebenfalls einem Filmzentrum), aus Minnesota (wo bekanntlich die freundlichsten Amerikaner leben) und natürlich aus Los Angeles. Die aus Kalifornien fürchten sich am meisten. 

Die leere Magic City

Währenddessen erreicht der Wahlkampf um den freien Senatorenposten neue Höhepunkte des Schlammwerfens. Die Frau von Roy Moore, des später unterlegenen Kandidaten der Republikaner behauptet, ihr Mann sei gar kein Rassist, denn er habe sowohl schwarze als auch jüdische Freunde. 

Birmingham, ökonomisches Zentrum des Staates, scheint indessen unbeteiligt vom Kampf um den freien Senatsplatz. Nirgendwo ein Plakat. Nicht die sonst üblichen Aufkleber auf Autos, die für einen der Kandidaten Stimmung machen wollen. Die Stadt ist leer, fast fußgänger- und autofrei. Erst denkt man, es sei ein Feiertag, bis man begreift: So ist es immer. Selbst zur rush hour morgens bilden sich Autoschlangen höchstens vor dem Drive-Through von Starbucks. Die Innenstadt ist voller Neu- und restaurierter Altbauten an drei- bis vierspurigen Einbahnstraßen, aber darunter ist kein einziges Geschäft, nur Büros und Werkstätten. Die wenigen Restaurants und Bars, alle im Stil der fünfziger Jahre, sind dagegen voll. 

Birmingham, The Magic City, war eigentlich bloß eine Kreuzung gewesen für die ewig langen Fernzüge, die den Osten nach Westen, den Norden nach Süden durchrollten, bis irgendwann Kohle gefunden und Stahl gekocht wurde. Das machte die Stadt innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Industriestandort. Dann, irgendwann in den dreißiger Jahren, begann die Depression, die Depression eines ganzen Landes. Gewalt, Drogen und der Klu-Klux-Clan wurden immer mächtiger. Zum Glück blüht seit einigen Jahren die University of Alabama wieder und hat viele Jobs in die Stadt zurückgebracht. 

Das „Dreamland“ – eine Bretterbude

Ja, die Menschen wissen um das nicht endende Unrecht, das in den Südstaaten bis heute tief verwurzelt ist. Die ewige Diskriminierung. Es gibt ein Frauengefängnis in Alabama, ein brutaler Ort, in dem seit Jahrzehnten Kinder zur Adoption freigegeben werden, weil die Insassinnen den Wärtern gefügig sein müssen, um zu überleben. Bekannt ist das schon lange. Wirklich geändert hat sich bis heute nichts. 

Am drehfreien Sonntag fahren wir ins „Dreamland“ nach Tuscaloosa, dem über die Landesgrenzen hinaus berühmten Restaurant, das seine süßscharfe Sauce ins ganze Land exportiert. Das zentrale Alabama ist waldreich und hügelig wie ein Ostküstenstaat, noch im Dezember glänzen die Blätter der Bäume rostbraun und betten die Landschaft in das milde Licht eines indian summers. Das „Dreamland“ entpuppt sich als winzige Bretterbude. Wenige Tische. Die schwarze Bedienung, verängstigt und gleichzeitig gelangweilt uns musternd – wie nur Menschen auf dem Land einen anstarren können – serviert uns die berühmten Spare Ribs. Alles auf Pappgeschirr. Zu trinken nur Softdrinks. Kein Alkohol, da das County mit seinen religiösen Führern vor einigen Jahren abgestimmt hat, dass sonntags nirgendwo Alkohol verkauft werden darf. 

Der wunderbare Jim, unser Tonmeister aus Minnesota, verzweifelt an den nächtlichen Geräuschen der Sirenen von Feuerwehr und Polizei. Vor allem das dröhnende Hupen der Züge verdirbt den Ton für die Filmaufnahmen, in manchen Nächten müssen wir stundenlang warten, bis endlich Stille einkehrt. Und das Seltsame: man sieht diese Züge nie, diese schier endlosen Waggons. Ihr Schnauben und Tuten wirkt wie ein Gespenster-Grollen. 

Lieber irgendjemand wählen als einen Demokraten

Alle aus der Crew, soweit sie aus Alabama stammen, werden diesen Dienstag blau (demokratisch) wählen, doch ihre Eltern, erzählen sie, wüssten es diesmal nicht. Denn den demokratischen Kandidaten – im tiefrot-republikanischen Staat – könnten sie ja kaum unterstützen, fast schämen sie sich, Doug Jones überhaut zu erwähnen. Wahrscheinlich werden sie einfach den Namen eines anderen auf den Wahlzettel schreiben. Das write-in ist ein uramerikanisches Recht. Statt einen der aufgestellten Kandidaten zu wählen, gibt man seine Stimme einfach einem Namen, den man einträgt. 

Und Trump? Was halten sie von Trump? Die meisten lächeln nur, zucken entschuldigend mit den Schultern und säuseln in diesem einzigartigen Slang der Südstaatler, den man erst nach Wochen versteht: We’ll survive.

In Birmingham, Alabama, dreht Wolfgang Mueller derzeit den Spielfilm „Inherit The Viper“, ein Thrillerdrama über drei Geschwister im lokalen Kampf der Opiate-Dealer, u.a. mit Josh Hartnett, Margarete Levieva und Bruce Dern

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Gunvald Steinbach | Di., 19. Dezember 2017 - 15:13

"Und Merkel? Was halten sie von Merkel? Die meisten lächeln nur, zucken entschuldigend mit den Schultern und säuseln mit diesem einzigartigen Akzent der Süddeutschen, den man erst nach Wochen versteht: We might survive. We might..."

Christa Wallau | Di., 19. Dezember 2017 - 15:29

Wenn Amerikaner mich hier nach
Merkel fragten, würde ich auch so reagieren
wie die Leute in Alabama.
Unsere Kanzlerin ist nur noch zum Fremd-Schämen, allerdings aus anderen Gründen als sie im Falle
Trump vorliegen.

Stefan Zotnik | Di., 19. Dezember 2017 - 16:17

gelesen ist, ist er inhaltlich recht schwach und enttäuschend.

Der Eingangstext erweckt Interesse (dafür ist er ja da), welches der Artikel selbst nicht annähernd stillen kann.

Wen interessiert, was die Crew aus dem linken Subkosmos Filmindustrie wählt, wenn der Artikel suggeriert, es gehe um die Landbevölkerung Alabamas?
Die einzige Person, die ich dieser Landbevölkerung zuordnen würde, ist die Kellnerin im Dreamland (an dieser Stelle im Text übrigens ein netter sprachlicher Holperer). Und ihr wird eigentlich nur ein einziger Satz gewidmet.
Nichtmal warum die Straßen leer, aber die Bars voll sind, wird erklärt.

Der Artikel hat ein Niveau, wie auf Focus.de oder welt.de.
Ziemlich schwach.

martin falter | Di., 19. Dezember 2017 - 16:22

nicht mehr das Traumland wie es in den 50èr bis in die 80èr Jahre noch war. Klar jede Zeit geht mal zu Ende und die Anderen schlafen auch nicht. Nur die Amerikaner scheinen es noch nicht gemerkt zu haben. Sorry die Britten auch nicht!

Aber die Deutschen schon, gell, Herr Falter. Wir sind das Traumland, wohin die ganze Welt kommen mochte.

Bernhard Jasper | Di., 19. Dezember 2017 - 16:39

Mir sind das inzwischen die liebsten Darstellungen (egal welches Medium), die nicht beweisen, sondern einleuchten wollen. Die Betrachtung will nichts beweisen. Es ist ein Fenster auf eine Landschaft, es sind Eindrücke und Erfahrungen, die ich ebenso während meiner Amerika-Aufenthalte gemacht habe.

Ich kenne auch diese Züge in den USA mit den endlosen Waggons, da wo Orte dem Transport untergeordnet waren. Die Eisenbahn hat Amerika erschlossen. Der Zug hält an bestimmten Orten jedoch nicht mehr. Oft war es der Niedergang der Industrien mit ihren Arbeitsgängen, die die Bewohner der Orte vollzogen. Und so werden diese Orte oft Orte der Melancholie, denn nicht Verfall sondern Vereinsamung ist das Kaputte.

Oscar Peterson Trio Night Train
https://youtu.be/WDCbfZxRg48

Achim Scharelmann | Di., 19. Dezember 2017 - 16:49

Unter einer bitteren Niederlage verstehe ich was anderes, zum Beispiel die Verluste der SPD und der CDU/CSU hierzulande, aber der Republikaner lag gerade mal ca. 1,5% hinter dem demokratischen Kandidaten und irgendwo findet halt mal die Grenzziehung statt, das ist beim Fußball ebenso, selbst wenn die Mannschaften gleich gut gespielt haben, gibt es trotzdem einen Verlierer, aber wie gesagt, wenn schon darüber berichtet wird, dann bitte ausgewogen und den Tatsachen entsprechend berichten und aus einer Mücke keinen Elefanten machen, sonst ist die Nachricht nur noch wenig wert.

wolfgang spremberg | Di., 19. Dezember 2017 - 16:54

in Alabama wünschen sich mehr oder weniger Globalisierung ? Mehr oder weniger Migranten aus Lateinamerika ?
Wenn wir nicht aufpassen sieht es bei uns auch bald so aus. Nur das die Migranten nicht aus Lateinamerika stammen.
Das Zusammenleben zwischen schwarz und weiß klappt nicht so gut ? Mal sehen wie es bei uns klappen wird. Müssen wir das eigentlich ausprobieren ?

Stefan Zotnik | Di., 19. Dezember 2017 - 17:46

Antwort auf von wolfgang spremberg

Wenn nicht sogar DIE Fragen.

Aber man will sie selbst in den USA nicht hören.
In Deutschland und Europa ist es ohnehin ungehörig, diese Fragen zu stellen, schließlich "geht es um Menschen".
Es fällt mir immer schwerer, diese Träumer und ihre Träumereien zu ertragen.

Trump ist böse, weil er dafür sorgt, dass weniger Migranten in die USA kommen und illegale Einwanderer tendenziell wieder eher außer Landes gebracht werden, als dass sie ins Land kommen.
Ich wünschte, wir hätten einen Kanzler wie Trump.
Die ÖVP-FPÖ-Koalition macht Hoffnung.

Wilhelm Maier | Di., 19. Dezember 2017 - 17:33

„Die Stadt ist leer, fast -fußgänger und autofrei.“ Und das in der größten Stadt Alabamas. Aber auch wie Auburn, war auch damals vor 3-Jahrzehnten genau wie in Harrisonburg VA, Hermitage PA, oder Mansfeld OH fast -fußgänger und autofrei. Außer im Zentrum gab es kaum Fußgänger Wege. Und schon damals hat Bedienung in der „Kneipe“ mit Gipsschiene am Fuß bedienen müssen, weil keine Versicherung hatte. Was natürlich nicht am „BBQ Ribs“ als nachteilig im -geschmack wirkte. Die (Ribs) waren immer hervorragend. „dass sonntags nirgendwo Alkohol verkauft werden darf“ das man Packung „Miller Draft“ nur in einer Lagerhalle kaufen kann am Stadtrand ohne das man vom Auto aussteigen muss sollte man auch voraus wissen.
„Und Trump? Was halten sie von Trump?“, was hat das mit Tramp zu tun? Das hat mit Amerika zu tun. „Amerika First“ war auch damals. Mit Flaggen an jedem Haus.
Hat sich fast gar nichts geändert? Die Autobahnen mit löcher, marode Stromnetzen, Wasserleitungen, Abwasser... Oder doch?...

Mathias Trostdorf | Di., 19. Dezember 2017 - 22:06

Und warum sind die Menschen nun "zerissen und verängstigt"? Habe im Artikel keine Antworten auf diese These gefunden. Auch frage ich mich, warum die KellnerIn verängstigt guckt, wenn Gäste reinkommen? Konnte man den Grund dafür noch rausfinden?
Und wenn die Familie schon seit 30 Jahren von Drogen abhängig ist, kann ja eigentlich auch nicht Trump daran schuld sein, oder?
Ich kann wenig mit diesem Artikel anfangen.

Peter Lieser | Mi., 20. Dezember 2017 - 12:08

Trump versucht zumindest seine Wahlversprechen durch zu setzen, ob ihm das gelingt ist eine andere Sache, gegen das Etablisment in Washington.
Motto in unserem Land : Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern und Wahlversprechen sollte man nicht so ernst nehmen............