Emmanuel Macron an der Wahlurne
Emmanuel Macron an der Wahlurne / dpa

Wahl in Frankreich - Klatsche für Macron bei französischer Parlamentswahl

Schwere Schlappe für Präsident Macron: Bei der Parlamentswahl hat er die absolute Mehrheit klar verfehlt. Für seine politischen Vorhaben muss er sich nun Unterstützung jenseits des eigenen Mitte-Lagers suchen. Massiven Zuwachs hat die rechtsnationale Partei von Le Pen.

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Frankreichs wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron hat mit seinem Mitte-Lager nach Hochrechnungen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verfehlt. In der Endrunde der Parlamentswahl am Sonntag kamen die Liberalen demnach auf 210 bis 250 der 577 Sitze. Das neue linke Bündnis angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon wird mit 150 bis 180 Sitzen im Parlament vertreten sein. Für die absolute Mehrheit wurden mindestens 289 Sitze benötigt.

Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Macron, dessen Lager derzeit noch die absolute Mehrheit im Parlament hat. Denn normalerweise wird die kurz nach der Präsidentschaftswahl abgehaltene Parlamentswahl als Bestätigung gesehen, so dass oft die gleiche politische Kraft mit absoluter Mehrheit siegt. Einen enormen Erfolg verbuchen hingegen das neue Linksbündnis, das damit als mächtigste Oppositionsgruppe mehr Einfluss erhält.

Herbe Schlappe für bisher stärkste Oppositionskraft

Einen spektakulären Zuwachs verbucht nach den Hochrechnungen die rechtsnationale Partei Rassemblement National, deren Spitzenkandidatin Marine Le Pen Macron in der Endrunde der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Sie kam auf 80 bis 100 Sitze, mindestens zehn Mal so viel wie bisher, und wird damit voraussichtlich drittstärkste Kraft im Parlament.

Die bisher stärkste Oppositionskraft im Parlament und traditionelle Volkspartei der Republikaner plus Verbündete kamen auf 60 bis 78 Sitze, eine herbe Schlappe. Allerdings könnte die Regierung von Macron sich bei der Suche nach Unterstützung im Parlament nun möglicherweise verstärkt an die bürgerlich-konservativen Républicains halten.

Bei der Parlamentswahl ging es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Dafür benötigt er eine Mehrheit im Parlament. Mit einer nun nur noch relativen Mehrheit sind Präsident und Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. So eine Regierung gab es zuletzt unter François Mitterrand (1988-1991).

Deutschland kann weiter auf Frankreich zählen

Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, profitierte der 44-Jährige davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause.

Zum Nachteil des Linksbündnisses war das komplizierte Wahlsystem, das zu teils gravierenden Unterschieden zwischen prozentualem Stimmanteil und der Sitzverteilung führt. Dabei zählen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Wahlkreis.

Trotz nur noch relativer Mehrheit für das Macron-Lager werden Deutschland und Europa am Ende weiter mit einem verlässlichen Partner Frankreich rechnen können. Auch wird Frankreich im Ukraine-Konflikt zweifelsohne fester Bestandteil der geschlossenen Front des Westens gegen den Aggressor Russland bleiben.

Ex-Investmentbanker vs. linkes Urgestein

In Frankreich warten wichtige Projekte auf die Umsetzung: Angemahnt werden Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die Menschen warten auf Kaufkrafthilfen in der Krise und viele wollen energischere Schritte in der Klimakrise. Außerdem will Macron eine umstrittene Rentenreform durchziehen, die Franzosen sollen länger arbeiten.

Die Wahl war auch ein Fernduell zwischen zwei sehr unterschiedlichen politischen Charakteren. Auf der einen Seite der 44-jährige eloquente Präsident und Ex-Investmentbanker Macron. Auf dem internationalen Parkett agiert er als souveräner Staatslenker, auf nationaler Ebene kämpft er jedoch mit einem Image als arroganter Elitepolitiker. Ihm gegenüber stand das linke Urgestein Mélenchon, ein gewiefter Linksideologe und Stratege, der sich als Fürsprecher des Volks und der sozialen Gerechtigkeit sieht. / dpa

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Christoph Kuhlmann | Mo., 20. Juni 2022 - 05:00

zersplittertes linkes Lager wert sind wird man sehen. Der/die FN/RN von Le Pen hat seine Sitze von 8 auf 89 gesteigert und kann so i, ganzen Land die Parteiinfrastruktur ausbauen. Wenn in Europa zunehmend europakritische und russlandfreundliche rechte Parteien an Boden gewinnen werden Deutschland irgendwann die Ansprechpartner ausgehen.

das nicht merkwürdig vor? Ohne mein Steuergeld wäre dieses Gebiet in Mittel\Westeuropa schon längst in die vollkommene Bedeutungslosigkeit verfallen. Zu Recht. Aber das wird ja jetzt verstärkt von der guten Politik angegangen. Da spielt die Bevölkerung(!!) in Buntland schon jetzt keine Rolle. Sie wissen ja "ich wusste mit De noch nie etwas anzufangen..."

Thomas Hechinger | Mo., 20. Juni 2022 - 06:40

Nach der 1. Runde der Parlamentswahlen haben uns die Medien, auch der „Cicero“, erzählt, Mélenchon habe zwar einen Erfolg erzielt und Macron vom hohen Roß gestürzt, aber in der 2. Runde, da würden Macrons Allianz 260 bis 310 Sitze prophezeit (Stefan Brändle, 13. Juni 2022). War das das Pfeifen im Walde oder hat man die Wirklichkeit nicht wahrhaben wollen? In der 1. Runde der Präsidentenwahl hat Emmanuel Macron gerade einmal 27,8% bekommen. Das ist seine Anhängerschaft, nicht einmal ein Drittel der Wähler, und das mit Amtsbonus. Seine Widersacher Le Pen und Mélenchon lagen mit 23,2% und 22,0% knapp dahinter. Bei Stichwahlen verringert sich das Feld der Bewerber, und der Wählerwille wird kanalisiert. Die 58,5% für Macron in der 2. Runde der Präsidentenwahl war eher eine Entscheidung gegen Le Pen als ein Votum für Macron. Dieser Präsident ist bei der Mehrheit der Franzosen unbeliebt. Diese Mehrheit ist nur völlig inhomogen und kann deshalb nicht positiv aktiviert werden. So sieht's aus.

der Franzosen unbeliebt."

Glaube ich auch, Herr Hechinger. Schon in der ersten Runde ist fast die Hälfte der Franzosen erst überhaupt nicht wählen gegangen. Keinerlei Versprechung (eingedenk des Haltens vorheriger) von Macron hat sie hinter dem Ofen vorgelockt. In der zweiten Runde waren es noch weniger.

Fazit: Demokratischer Prozesse (siehe auch DE) sind zunehmend ungeeignet, die besten Menschen als Volksvertreter auszuwählen – moralisch und auch hinsichtlich ihrer Kompetenz. Das ist ein strukturelles Problem des politischen Systems in vielen Staaten der EU. Statt um gute politische Willensbildung und Gestaltung geht es vor allem um Machtspielchen und Absprachen in Hinterzimmern.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 20. Juni 2022 - 08:27

Übersicht.
Mir scheint das Ergebnis stimmig, denn obwohl Parlamentswahlen, stand scheinbar im "luftleeren Raum" Macron EINZIG zur Wahl.
Die vielen Nichtwähler hatten nichts dagegen und das ist neben dem eigenen Ergebnis schon eine ganze Menge für Macron, viel Raum für kluge politische Entscheidungen.
Gegen die Bevölkerung in Frankreich zu regieren, scheint mir ohnehin keine gute Idee und so macht es doch gar nichts, wenn Macron kluge und weitsichtige politische Entwürfe auch in der gesellschaftspolitischen Divergenz Frankreichs umsetzen muss.
Er kann es doch, er hat doch Ideen, er kann sie darlegen, er kann dafür werben und zuletzt mit Partnern durchsetzen.
Wo steht Macron politisch? Er ist weder Teil der Linken, noch Liberalen oder Nationalen.
Ich denke, dass er der Typus des modernen, weil gesellschaftsliberalen Konservatismus ist.
Er hat jetzt Zeit für seine Projekte, die Mühen dürfte er wohl bewältigen und er kann sich überlegen, ob er dann endet oder die Staatstragenden erneuert.

Maria Arenz | Mo., 20. Juni 2022 - 09:47

sich im Westen wieder vorrangig um die realen Probleme des jeweils eigenen Landes zu kümmern und um die Voraussetzungen für das Funktonieren unserer eigenen Demokratien statt die Oberaufseher für das Gute weltweit zu geben. Wahlbeteiligungen unter oder um die 50 %, das Erstarken extremer Ränder, die nicht mehr ein -wenn auch unterschiedlich interpretiertes- Gemeinwohl im Sinne haben, sondern nur noch die Zerstörung des verhassten "Systems" sind nach den USA Alarmzeichen nun auch in Frankreich. So ging auch Weimar zugrunde und wenn jetzt in Deutschland nicht subito der gesunde Menschverstand wieder übernimmt i.S. Energie, Innere und äußere Sicherherheit, Migration und EU sehe ich rabenschwarz. Da Deutschland aufgrund seiner schrecklichen jüngeren Geschichte nur noch seinen Wohlstand als Kern seines Nationalbewußtsiens hat, werden die Folgen der katastrophalen Fehler, die seit 20 Jahren gemacht wurden, uns noch viel schneller und gründlicher derbröseln, als anderswo.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 20. Juni 2022 - 15:44

Wenn man sich so die Schlagzeilen und die Meinungen im ÖRR anhört, geht da einigen die Klammer. Was niemand so richtig realisieren wollte, allenfalls nur hypothetisch angedacht hatte ist offenkundig Realität geworden. Melenchon wird als Deutschlandhasser und EU-Feind präsentiert und der Zugewinn von Le Pen hatten die Orakel einiger Medien gar nicht auf dem Schirm. Da bin ich aber mal gespannt, wie Macron die Reform der EU und künftige seiner Ziele praktisch umsetzen will. Auch Le Pen ist der EU gegenüber ohne echte Reformen ablehnend eingestellt. Woher soll Macron also Mehrheiten für genau was herbekommen? Es wird sehr interessant sein, an wen sich die Liberalen anschmiegen wollen, wenn sie etwas politisch durchsetzen wollen. Und selbst wenn er etwas erreichen könnte müssten diese Gesetze erstmal in den Provinzen gegen den Willen der dort herrschenden Regionalfürsten durchgesetzt werden. Wenn die sich verweigern wird Macron zu "Lame duck". Ich denke mal, Sunny Boy hat Probleme.

Sabine Lehmann | Mi., 22. Juni 2022 - 05:47

Maren Kroymann möge es mir verzeihen, aber ich muss einfach schon wieder „Die Macrons“ bemühen. Bestimmt haben am gleichen Abend noch die Drähte geglüht zwischen Emanuele und „seiner“ Angela. Sicher hat er ihr wieder sein Leid geklagt, während Bridschitte mit verkniffener Miene neben ihm im Schlafgemach der Langeweile frönte. Ach diese Bilder, sie gehen mir einfach nicht aus dem Kopf seitdem ich das erste Mal „Die Macrons“ gesehen habe. Einfach herrlich und Maren Kroymann in Bestform. Wer dem täglichen Nachrichtenwahn der Politik etwas Humor abgewinnen kann, dem kann ich diese schelmische Satire nur empfehlen.
Obwohl ich habe da auch schon einmal Mathias Riechling gesehen, wie er als Angela nächtens durch den idyllischen Vorgarten der Macrons irrt, Shakespeare zitiert, und unter dem ehelichen Balkon eine herrliche Persiflage auf Romeo und Julia hinlegt. Natürlich schlüpft Riechling dabei auch noch in die Rolle von Emanuele und seiner Göttergattin Brischittte. Zum schießen, wirklich;