
- Die geopolitische Lage deutet auf eine Einigung hin
Russland stellt die USA auf die Probe, indem es sich bereit erklärte, über ein Ende des Krieges zu verhandeln, während es einen Waffenstillstand hinauszögert. Doch Donald Trump hat einen Vorteil: seine radikale Unberechenbarkeit.
Normalerweise vermeide ich es, geopolitische Ereignisse zu personalisieren, da ich Nationen und nicht Führer als die Akteure der Geschichte betrachte. Aber es gibt Momente, in denen der Fokus auf den Führern liegen muss – insbesondere im Verlauf internationaler Konflikte, in denen keine Seite einen entscheidenden Sieg erringen kann. Die Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine sind ein solcher Moment.
In gewisser Weise ähneln die Gespräche dem Pariser Friedensabkommen, mit dem der Krieg in Vietnam beendet wurde. Die USA waren zwar nicht militärisch besiegt worden, aber da sie den Krieg nicht gewannen, hatten sie effektiv verloren. Der Vietcong hingegen hat gewonnen, weil er nicht besiegt wurde. Ein Krieg, in dem niemand den Sieg davonträgt, ist das schwierigste Szenario für eine Konfliktbeilegung. Der Umgang mit Japan und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war einfach, denn beide wurden klar besiegt. Die Pariser Friedensgespräche waren viel komplizierter. Aber das Ergebnis war unvermeidlich: Jede Seite würde aus innenpolitischen Gründen handeln, um ihr nationales Ansehen zu wahren. Die USA waren bereit, den Krieg fortzusetzen, wenn keine vernünftige Lösung gefunden würde. Die Position des Vietcong war die gleiche. Der Unterschied bestand darin, dass der Vietcong viel stärker an einem Ergebnis interessiert war als Washington. Sie hatten gekämpft, um ihr eigenes Land zu erobern. Die USA hatten gekämpft, um ihren Willen und ihre nationale Macht zu demonstrieren. Nordvietnam würde durch große Zugeständnisse zerschmettert werden. Die USA würden das nicht tun. Doch jede Seite war der anderen überdrüssig und misstraute ihr, sodass der unvermeidliche Abschluss der Gespräche nicht von Ergebnissen, sondern von Äußerlichkeiten abhing: Stolz und internationales Ansehen.
Beim Konflikt in Osteuropa stehen für Russland strategische Interessen auf dem Spiel, nämlich zu verhindern, dass eine potenziell feindliche Macht ihre Streitkräfte 219 Kilometer von seiner Grenze entfernt aufstellt. Es muss zeigen, dass sein Militär eine Macht ist, mit der man rechnen muss. Aber für die Ukraine steht alles auf dem Spiel. Nur für die Ukraine ist dies eine existenzielle Frage. Sie hatte nur insofern Verbündete, als auch diese einen russischen Sieg und die Folgen fürchteten.
Wenn Washington nur als Vermittler auftritt, dann wäre es durch die Fortsetzung der Operationen nicht direkt bedroht
Unter Präsident Donald Trump versuchten die USA, sich lediglich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine zu positionieren, um ein Ende des Krieges auszuhandeln. Damit sollte Russland davon überzeugt werden, dass die Vereinigten Staaten kein fester Verbündeter der Ukraine sind, solange sie nicht auf die polnische Grenze vorrücken. Russland ließ sich davon nicht überzeugen – aber der Trick gab Moskau die Möglichkeit, die Vereinigten Staaten auf die Probe zu stellen, indem es sich bereit erklärte, über ein Ende des Krieges zu verhandeln, während es einen Waffenstillstand hinauszögerte und den Kampf fortsetzte. Wenn Washington nur als Vermittler auftritt, dann wäre es durch die Fortsetzung der Operationen nicht direkt bedroht.
Washington witterte entweder einen Versuch, die USA in Verlegenheit zu bringen, oder die Absicht, den Krieg in vollem Umfang wieder aufzunehmen. Daher haben die Vereinigten Staaten mit der Ankündigung reagiert, dass entweder die Russen innerhalb weniger Tage wieder ernsthafte Verhandlungen aufnehmen sollten oder Washington sich als vermeintlicher Vermittler zurückziehen würde. Unausgesprochen, aber offensichtlich ist, dass die USA jetzt aktiver von der Nato unterstützt werden, die im Osten umfangreiche Übungen durchführt. Es gibt Berichte, wonach sich die US-Streitkräfte auf die Entsendung von Truppen vorbereiten, aber sie sind nicht bestätigt, und selbst wenn sie wahr wären, würde das nicht unbedingt bedeuten, dass Truppen entsandt werden. Selbst wenn es sich bei diesen Berichten um absichtliche Indiskretionen seitens der Regierung handelt, sollen sie die Russen bis zu einem gewissen Grad einschüchtern.
Russland mag durch die Tatsache eingeschüchtert sein, dass sein erster Auftritt im Krieg erfolglos war. Das größere Problem besteht jedoch darin, dass Russland zwar seinen Generalstab umstrukturiert und die Truppen verstärkt hat, dass aber letztlich sein strategisches Kommando für die Misserfolge des Militärs verantwortlich war, sodass es keine Garantie dafür gibt, dass eine erneute Offensive besser abschneiden würde als ihre Vorgänger. Die USA stehen vor einem anderen Dilemma: Der Einsatz von US- oder sogar Nato-Truppen hätte schwerwiegende politische Folgen für die USA und Europa. In den Vereinigten Staaten beruhte die dramatische Umgestaltung der Zölle darauf, dass die Geopolitik des Kalten Krieges vorbei war. Eine erneute Konfrontation mit den russischen Streitkräften würde die USA dazu zwingen, das Bündnissystem zu stärken, das durch die Zölle destabilisiert wurde.
Je länger Putin die Gespräche hinauszögert, desto unsicherer wird der Westen über seine Absichten sein
Doch Trump hat einen Vorteil: Er ist für seine radikale Unberechenbarkeit bekannt. Wenn Präsident Wladimir Putin die Verhandlungen nutzt, um sich auszuruhen und nachzudenken, oder wenn er sogar seine Bereitschaft signalisiert, mehr Kräfte für eine neue Offensive bereitzustellen, weiß er nicht, was Trump tun wird. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er eine sehr unangenehme Reaktion erwartet. Die objektive Realität ist, dass die russischen Streitkräfte immer noch viel schwächer sind als die amerikanischen, und angesichts der Realität der Nato könnte Europa gezwungen sein, ebenfalls zu intervenieren. Putins Geheimdienst muss verzweifelt nach Hinweisen auf die Absichten des Westens suchen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach hängen die Absichten von den russischen Aktionen ab und sind wahrscheinlich auch auf westlicher Seite unklar.
Trumps Unberechenbarkeit schafft mehr Risiken als Gewissheiten. Doch je länger Putin die Gespräche hinauszögert, desto unsicherer wird der Westen über seine Absichten sein und desto wahrscheinlicher wird er sich einreden, dass eine weitere Offensive bevorsteht. Das würde sowohl die Sicherheit des Westens als auch Trumps innenpolitische Position untergraben. Er hat seine Präsidentschaft auf verblüffende und manchmal unüberlegte Aktionen aufgebaut. Putins Aktionen basieren auf sorgfältig geplanten Fehlschlägen, gefolgt von Unruhen, Repression und Wiederaufbau.
Diese Schlussfolgerungen deuten darauf hin, dass die Gespräche vorankommen. Die geopolitische Lage deutet auf eine Einigung hin, bei der Russland behält, was es besetzt hält, und die Ukraine die wirtschaftliche Unterstützung des Westens akzeptiert. Die politische Frage ist ungewiss. Trumps innenpolitische Handlungsfreiheit hängt von der Einschüchterung und Überwindung seiner Opposition ab. Putins Handlungsfreiheit hängt davon ab, zu zeigen, dass der Krieg nicht umsonst war.
Ich wette, dass Trump als mächtiger und unberechenbarer angesehen wird als Putin, und dass es deshalb zu einer Einigung kommen wird. Putin kann weniger Risiken eingehen, und Trump kann keine gescheiterte Initiative ergreifen. Das Problem besteht darin, dass das gleiche Muster angewandt wird, egal ob die Verhandlungen scheitern oder kurz vor dem Erfolg stehen. Das liegt in der Natur des alltäglichen Verhandelns, ob beim Hauskauf oder in der Diplomatie.
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Seit 2014 und verstärkt seit 2022 gilt in der russischen Propaganda der oberste Grundsatz: der Ukraine kommt keine Staatlichkeit zu und die "Kiewer Rus" muss von den "Nazis" befreit werden. Und mit einer solchen Regierung soll Putin verhandeln ? Vor allem die jungen Männer aus den Gebieten östlich des Ural müssen für diesen Krieg einen schwer vorstellbaren Blutzoll leisten. Auf die Begründung Putins und seines Chef-Propagandisten Medwedew bin ich gespannt.