Migrationspakt - „Das wird eine gewisse Sogwirkung auslösen“

Der Jurist Reinhard Merkel kritisiert in einem bemerkenswerten Interview im Deutschlandfunk den Umgang der Bundesregierung mit dem UN-Migrationspakt und warnt vor den sozialen Nebenfolgen

Flüchtlinge auf dem Mittelmeer: „Wir werden neue Migrationswellen kriegen“ / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Bemerkenswertes tat sich in der vergangenen Woche im Deutschlandfunk. Moderator Dirk-Oliver Heckmann hatte einen Gast am Telefon, der hörbar und nachhaltig anderer Meinung war als der Interviewer. Solcher Widerspruchsgeist ist im Deutschlandfunk nicht unbedingt die Regel. Gerade deshalb war das Gespräch mit dem emeritierten Hamburger Rechtsprofessor Reinhard Merkel ein Glanzstück. Da redeten zwei Menschen über den Migrationspakt der Vereinten Nationen und mussten wechselweise ertragen, auf eine komplett andere Sicht der Dinge zu stoßen.

Nachzuhören im Podcast ab Minute 11.10 sind unter anderem folgende Aussagen Merkels, der bis 2015 einen Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg innehatte und seit 2012 dem „Deutschen Ethikrat“ angehört: „Die Vereinbarung wird ganz sicher völkerrechtliche Wirkungen haben.“ „Vereinbart werden Ziele. Wie diese Ziele umgesetzt werden, bleibt Sache der Staaten. Dass sie umzusetzen sind, wird vereinbart – und zwar wirklich rechtlich verbindlich.“ Die Bundesregierung betreibe da eine „suggestive Irreführung“. Der Pakt werde „eine gewisse Sogwirkung auslösen“ und die „Migration aus den armen Staaten in die wohlhabenden Staaten deutlich verstärken“, „aus Afrika vor allem. (…) Wir werden neue Migrationswellen kriegen.“ Der Pakt enthalte auch „vernünftige Regelungen“, blauäugig sei aber die Erwartung, mit dem Pakt sinke der Migrationsdruck. 

Dirk-Oliver Heckmann entgegnete: „Andere Rechtswissenschaftler sehen das anders.“ „Auch da wird es sicherlich unterschiedliche Interpretationen geben.“ „Das stellt die Bundesregierung aber völlig anders dar.“ Mit dem Pakt solle „Illegale Migration bekämpft werden.“ Reinhard Merkel schloss mit dem Verweis auf mögliche soziale Nebenfolgen für Deutschland: „Der Pakt tut so, als kämen dann legal nur Migranten, die hier problemlos in der Gesellschaft ihren Platz finden können. Das ist nicht der Fall. (…) Wir werden hochproblematische soziale Reibungssituationen kriegen. Das wäre ein eigenes Thema.“ 
 

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