
- Kritik sowohl aus Kiew als auch aus Moskau
Trumps Plan zur Beendigung des Krieges ist für die Ukraine nicht akzeptabel, weil er den Verzicht auf Territorium einschließt, und für Russland nicht, weil Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine stationiert werden sollen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko macht indes Vorschläge, wo die Ukraine sich bewegen könnte.
Donald Trump ist verärgert, dass sein Friedensplan für die Beendigung des russisch-ukrainischen Krieges nicht enthusiastisch begrüßt, sondern ganz im Gegenteil von beiden Seiten kritisiert wird. Wladimir Putin ärgert ihn, weil dieser weiter ukrainische Städte bombardieren und beschießen lässt. Immerhin verwarnte der US-Präsident den Kremlchef: „Wladimir, Stop!“ Und Wolodymyr Selenskyj erregt Trumps Unwillen, weil er nicht die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland vor elf Jahren völkerrechtlich anerkennen möchte.
Die Reaktionen auf den Friedensplan zeigen, dass Trumps Unterhändler, an erster Stelle der außenpolitisch gänzlich unerfahrene Immobilienmakler Steve Witkoff, eine Grundregel der Diplomatie missachtet haben: Sie haben nicht ausreichend erkundet, wo die roten Linien der beiden Kriegsparteien verlaufen, die diese bei einer Einigung über eine Waffenruhe keinesfalls überschreiten wollen.
Ebenso belegt der Friedensplan, der zwar nicht offiziell vom Weißen Haus bestätigt, aber in den vergangenen Tagen Gegenstand negativer Kommentare in fast der gesamten internationalen Presse wurde, dass Trump sich bislang nicht die Mühe gemacht hat, sich mit den Ursachen des Kriegs auseinanderzusetzen, und stattdessen die Moskauer Version dazu weitgehend übernommen hat. Mit dem Vorstoß, Kiew solle endgültig den Verlust der Krim anerkennen, war schon sein jetziger Berater Elon Musk wenige Monate nach der Eskalation des Kriegs 2022 auf Granit gestoßen.
Dennoch ist der Friedensplan eine Initiative, die Kiew ebenso wenig wie die verbündeten Europäer pauschal zurückweisen sollte. Denn er ist ein Anfang, nachdem Trumps Vorgänger Joe Biden einerseits Verhandlungen mit dem „Killer“ Putin abgelehnt, aber andererseits die Ukraine nicht ausreichend unterstützt hatte, um sie in die Lage zu versetzen, die russischen Invasoren von ihrem Staatsgebiet zu vertreiben. Auch die Deutschen unter Bundeskanzler Olaf Scholz und erst recht die Franzosen unter Emmanuel Macron waren – unter Berufung auf Biden – weit unter ihren Möglichkeiten geblieben.
Klitschko deutet an, wo es zu Bewegung kommen könnte
Der Kiewer Oberbürgermeister Vitali Klitschko deutete nun in einem BBC-Interview an, an welchem der umstrittenen Punkte des Friedensplans Kiew sich bewegen könnte: Es könnte die vorübergehende Kontrolle ukrainischen Territoriums durch die Russen hinnehmen, wohlgemerkt vorübergehend. Mehr lasse die Verfassung nicht zu, die das ukrainische Staatsgebiet definiert, zu ihm gehören demnach nun einmal die Krim und der Donbas. Verfassungen kann man zwar ändern, aber in der derzeitigen Lage, in der die ukrainischen Truppen nach wie vor den Aggressoren weitgehend standhalten, ist die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Kiewer Parlament kaum zu erreichen, ganz abgesehen davon, dass der Verzicht auf Krim und Donbas die Belohnung für einen völkerrechtlichen Angriffs- und Vernichtungskrieg wäre. Klitschko sieht dieses Dilemma: „Es wäre unfair, aber für den Frieden, einen vorübergehenden Frieden, könnte das vielleicht eine Lösung sein.“
Der auch in den USA überaus populäre frühere Boxweltmeister kann es sich leisten, diesen Vorschlag zu machen, während Selenskyj, der sein innenpolitischer Gegner ist, die Hände gebunden sind: Als Präsident steht er in der Pflicht, über die Verfassung zu wachen. Im Parlament fände sich eine ausreichend große Gruppe von Abgeordneten, die die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens beantragen würde, sollte er einem Abkommen über die Abtretung von Staatsgebiet zustimmen.
„Deutsch-deutsche Lösung“ in der Ukraine?
Immerhin wird in Kiew seit einiger Zeit über eine „deutsch-deutsche Lösung“ diskutiert: Laut dem Grundgesetz war auch die DDR deutsches Staatsgebiet. Die deutsche Wiedervereinigung war eine Folge der wirtschafts- und sozialpolitischen Schwäche des gesamten Sowjetblocks. Dieses Denkmodell auf die Ukraine übertragen setzt voraus, dass diese sich dank westlicher Unterstützung bei einem dauerhaften Waffenstillstand wirtschaftlich erholt und modernisiert. Sie wäre eines Tages dann auch für die Bevölkerung in den besetzten Gebieten attraktiver als Russland, das wegen seiner Rückständigkeit und des repressiven politischen Systems seinen Bewohnern wenig Perspektiven bietet. Voraussetzung dafür wäre es, dass die westlichen Staaten die Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der Annexionen offen ließen, denn daraus würde folgen, dass sich dort keine internationalen Investoren massiv engagieren würden.
Dieses Konzept greift, wie auch Klitschko, ein zentrales Element des Friedensplans Trumps auf: Der militärische Konflikt wird an der jetzigen Frontlinie eingefroren. Putin dürfte damit einverstanden sein, er setzt auf Zeitgewinn: In gar nicht ferner Zukunft müsste Kiew laut seiner Kalkulation ohnehin die Annexionen völkerrechtlich anerkennen.
Doch umstritten bleibt ein weiterer zentraler Punkt, wie Außenminister Sergej Lawrow noch einmal bekräftigte: Moskau werde niemals eine Friedenstruppe, der Kontingente von Nato-Staaten angehören, auf ukrainischem Territorium dulden. Genau diese Möglichkeit aber sieht der Plan Trumps vor; der britische Premier Kai Starmer und Emmanuel Macron haben bereits bei den europäischen Nato-Partnern ein überwiegend positives Echo auf ihren Vorstoß gefunden, für eine Friedenstruppe eine „Koalition der Willigen“ zu bilden.
Auch scheint unter den Europäern mehrheitlich Einigkeit darüber zu bestehen, dass die eingefrorenen russischen Guthaben auf Banken in den EU-Staaten und Großbritannien für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur der Ukraine verwendet werden sollen. Auch dies lehnt Moskau naturgemäß ab, die Amerikaner haben sich bislang nicht dazu positioniert.
Europäische Friedenstruppe bleibt einer der Streitpunkte
Doch scheint sich auch in der Republikanischen Partei in Washington die Erkenntnis durchzusetzen, dass Moskau nicht den außenpolitischen Kurs eines souveränen Staats bestimmen dürfe. Es waren ja die Republikaner unter George W. Bush, die 2008 dessen Initiative mitgetragen haben, der Ukraine und Georgien den Weg zu Verhandlungen über einen Nato-Beitritt zu öffnen. Damals hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy Bushs Vorstoß blockiert und damit ungewollt Putin die Botschaft vermittelt, sie akzeptierten seinen Anspruch, die ehemaligen Sowjetrepubliken wieder unter Moskauer Kontrolle zu bringen. In der Tat ließ Putin wenige Monate später russische Truppen in Georgien einmarschieren, die beiden georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind bis heute russisch besetzt und an den russischen Wirtschaftsraum angeschlossen.
Die europäische Friedenstruppe dürfte also vorerst einer der Hauptstreitpunkte bleiben. Es liegt an Washington, ob Trump nun endlich auch Druck auf Putin ausüben wird, wie er diverse Male in Aussicht gestellt hat, darunter Maßnahmen zum Verfall der Weltmarktpreise für Erdöl sowie Strafzölle für einen Teil der Länder, die nach wie vor russisches Erdöl und Erdgas beziehen.
Trump geht weiterhin sehr milde mit Putin um
Doch bislang hält Trump an seiner umstrittenen Linie fest, dass er Selenskyj massiv öffentlich unter Druck setzt, während er mit Putin sehr milde umgeht. So warf er dem ukrainischen Präsidenten nun vor, mit seiner „brandgefährlichen“ Weigerung, die Krim völkerrechtlich als Teil der russischen Föderation anzuerkennen, eine Einigung zur Beendigung des Krieges zu blockieren, und fügte die kaum verhüllte Drohung an: „Er kann Frieden haben oder drei weitere Jahre kämpfen, bevor er das ganze Land verliert.“ Selenskyjs Reaktion traf das Weiße Haus unerwartet: Er publizierte die Krim-Deklaration des damaligen US-Außenministers Mike Pompeo von 2018, in der dieser die territoriale Integrität der Ukraine einschließlich der Halbinsel bekräftigte. Präsident war damals Trump. Vom Weißen Haus kam zunächst keine Erklärung, warum dieser in diesem zentralen Punkt seine Haltung diametral geändert hat.
Zu dem jüngsten russischen Angriff auf Kiew, dem schwersten in diesem Jahr, bei dem mindestens zwölf Menschen den Tod fanden, fiel Trump nur ein, er sei damit „nicht glücklich“, es sei „nicht nötig“, es sei ein „schlechter Zeitraum“ – so als ob es auch einen günstigen Zeitpunkt auf den Beschuss von Wohngebieten geben könnte. Doch könne er nicht hinnehmen, dass jede Woche 5000 Soldaten ihr Leben bei den Kämpfen ließen. Deshalb forderte er in Großbuchstaben: „Wladimir, STOP!“ Doch der so Verwarnte ließ auch in der Nacht zum Freitag ukrainische Städte beschießen, während seine Bodentruppen massiv Stellungen der Verteidiger am Rande des Donbas attackierten.
Gleichzeitig setzt der Kremlchef seine Schmeicheleien an die Adresse Trumps fort. Zwar mokieren sich Intellektuellenblätter wie die New York Times und die Washington Post über das Porträt Trumps, das Putin für ihn malen ließ und Witkoff übergab, doch der Mann im Weißen Haus, der immer wieder seine Vorliebe für Kitsch dokumentiert, war offenbar sehr angetan davon: Es zeigt ihn unmittelbar nach dem Attentat im vergangenen Juli mit Blutspritzern im Gesicht, im Hintergrund ist die Freiheitsstatue zu sehen.
In Kiew wird allerdings auch spekuliert, ob Trump nicht zu einem „Deal“ mit Moskau auf Kosten der Ukraine kommen möchte, weil einige seiner nächsten Verwandten ihre Geschäfte mit russischen Konzernen ausweiten möchten, weil er darüber hinaus mehr Perspektiven für die amerikanische Wirtschaft in Russland als im Problemfall Ukraine sieht. Dass ihn Fragen der politischen Moral oder des Völkerrechts nicht interessieren, hat er wiederholt bewiesen.
Trumps Launen und die Inkompetenz seiner Leute
Gerade dies wäre indes das Feld, auf dem sich Außenminister Marco Rubio melden müsste. Rubio hatte während seiner eigenen letztlich gescheiterten Präsidentschaftskampagne 2016 Putin noch als „Gewalttäter“ und „Gangster“ gebrandmarkt. In jüngster Zeit hat er, ebenso wie Trumps Ukraine-Beauftragter, General Keith Kellogg, zwar in klaren Worten die russischen Angriffe verurteilt. Doch ist unklar, ob sie überhaupt großen Einfluss auf die Entscheidungen Trumps haben.
Die russischen Medien zitierten nun den Satz Rubios, dass Washington auch „andere Prioritäten“ habe, falls die Bemühungen Trumps um eine Friedensregelung scheitern sollten. Die Mehrheit der durchweg kremltreuen Kommentatoren sah dies als gutes Zeichen an: Die USA würden den Russen letztlich die Ukraine überlassen. Doch wurden auch einige Stimmen laut, die davor warnten, Trump könnte die Geduld mit Putin verlieren und das ukrainische Militär zumindest vorübergehend noch mehr als bisher unterstützen.
Die Verhandlungen mit Moskau hat Trump von Anfang an erst gar nicht dem außenpolitisch gänzlich unerfahrenen, überdies jungenhaft wirkenden Rubio übertragen. Amerikanische Spitzendiplomaten sind laut Medienberichten schlicht entsetzt über die Handlungsführung Witkoffs und auch Aussagen des Verteidigungsministers Pete Hegseth, der ebenfalls über keinerlei politische Erfahrung verfügt: Beide haben ohne Not Zugeständnisse an Moskau angekündigt, darunter die Blockade der Nato-Ambitionen Kiews, anstatt die Punkte, die Moskau schmerzen, als Druckmittel für die Verhandlungen zu nutzen.
So müssen auch versierte Außenpolitiker im State Department und in den Washingtoner Think Tanks ergrimmt hinnehmen, dass die Launen Trumps sowie die Inkompetenz der wichtigsten Leute in seiner Umgebung die eigenen Verhandlungspositionen Schritt für Schritt schwächen. Bislang spricht wenig dafür, dass der Verzicht des Weißen Hauses, Druck auf Putin auszuüben, den Frieden näher gebracht hätte.
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... mit der Ansicht des Medienunternehmers und Komikers Selenski, der in Moskau reich geworden ist. Insofern liest man nichts neues, wenn man von den Gedanken des Boxunternehmers Klitschko absieht, der in Hamburg reich geworden ist.
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Wie sagt aber schon Galilei: "Und die Erde bewegt sich doch...", auch wenn es Herrn Urban nicht gefällt.
Die USA sind durch den Isolationismus Trumps extrem geschwächt. Während die Biden-Administration nahezu perfekt auf der Klaviatur des Freien Westens spielte mit seinen 50 Demokratien an der der Spitze der technologischen Entwicklung, zwingt Trump die ehemaligen Verbündeten dazu ihre eigenen Wege zu gehen. Die Trump Administration handelt sowohl sicherheitspolitisch als auch wirtschaftspolitisch extrem unprofessionell. Das wird in wenigen Wochen auch seine Wähler in Form deutlicher Preissteigerungen und Haushaltsdefizite erreichen. Insofern ist muss Europa seine Sicherheit selbst organisieren und zwar komplett. Die USA sind als Verbündeter auf Jahre hinaus unzuverlässig. Jahre im Rahmen der NATO-Strukturen zu überwintern ist keine Lösung. Zumal Trump bald den Preis für eine zweifelhafte nukleare Abschreckung gegen Russland fordern muss.