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Ein Demonstrant schwingt die US-Fahne im Kapitol / dpa

Sturm auf das Kapitol - Was geschah am 6. Januar?

Nachdem ein Mob aus gewaltbereiten Anhängern des damaligen US-Präsidenten Donald Trump das Kapitol erstürmte, wird noch immer über Hintergründe und Unterlassungen spekuliert. Das National Security Archive hat nun Dokumente veröffentlicht, die genauer erklären können, wie es zu den damaligen Ereignissen kam.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Am 6. Januar drohte der amerikanischen Demokratie eine Kernschmelze. Trump-Anhängern war es gelungen, gewaltsam ins Innere des Kapitols vorzudringen. Doch wie genau war das eigentlich möglich? Noch immer spekuliert die amerikanische Öffentlichkeit über die Motive der Demonstranten, vor allem aber auch über das Versagen der vorgelagerten Sicherungssysteme. 

Schlechte Ausrüstung

Bereits kurz nach den Ereignissen hatte das National Security Archive, eine Forschungseinrichtung an der George Washington University, die sich dem Sammeln und Publizieren politischer Dokumente verschrieben hat, damit begonnen, Unterlagen ins Netz zu stellen, die tiefere Einblicke in die Ereignisse vom 6. Januar gewähren konnten. Nun hat das Archiv, das im Kern im Rahmen des „Freedom of Information Acts“ handelt, den dritten Teil des sogenannten „January 6 Sourcebook“ veröffentlicht.

Aus diesem geht hervor, dass die Beamten der United State Capitol Police (USCP) am besagten 6. Januar unter schlechter Ausrüstung gelitten hätten. So hätten etwa Teile der Ausrüstung unerreichbar in einem verschlossenen Bus gelegen, während andere in einem schlechten Materialzustand gewesen seien.

Der Kongress selbst war das Ziel

Aufschlussreich ist auch eine erstmals veröffentlichte Aussage des USCP-Generalinspektors Michael Bolton, die dieser am 15. April vor dem Verwaltungsausschuss des Repräsentantenhauses tätigte. Bolton zufolge hätten nachrichtendienstliche Ermittlungen bereits drei Tage vor der Erstürmung des Kapitols ergeben, dass ein Mob vorhabe, das Parlament zu stürmen. „Im Gegensatz zu früheren Protesten nach der Wahl, war das Ziel der Pro-Trump-Anhänger nicht die Gegendemonstration, sondern der Kongress selbst.“ Man habe die Beamten daher angewiesen, weniger tödliche Waffen zu tragen, um Tote oder Verletzte zu vermeiden. 

Dennoch sei die USCP nicht ausreichend auf den Angriff vorbereitet gewesen. Im Gegenteil, man habe toleriert, dass bereits im Vorfeld eine Kultur der verminderten Einsatzbereitschaft geschaffen wurde. Und auch der Einsatz selbst wurde laut einer Aussage des Generals der D.C. Nationalgarde nur verzögert autorisiert. Dabei war die Gefahrenlage klar: Laut einer zitierten Aussage des FBI-Direktors Christopher Wray ging die größte Bedrohung der inneren Sicherheit damals von denjenigen aus „die wir als rassisch oder ethnisch motivierte gewalttätige Extremisten identifizieren, insbesondere die, die für die Überlegenheit der weißen Rasse eintreten.“

Die Originaldokumente können Sie hier lesen.

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Christoph Kuhlmann | Fr., 7. Mai 2021 - 13:55

Wasserwerfer und Tränengas. Allerdings sind die auch nicht immer zur Stelle wenn man sie braucht. Schon wegen der Deeskalationsstrategie. Jetzt mal im Ernst Ein bisschen Panzerglas und einbruchssichere Türen werden sich die USA ja wohl noch leisten können.

Hans Page | Fr., 7. Mai 2021 - 14:20

Ich bezweifle stark dass selbst eine längerfristige Besetzung des Kapitols der amerikanischen irgendeinen Schadfn zugefügt hätte, genauso wenig wie der „Sturm auf den Reichstag“ eine Gefahr für did deutsche Demokratie darstellte. Die Institution „ Demokratie“ besteht auf der Interaktion und dem Austausch von Ideen und der anschließenden Willensbildung durch Abstimmung durch klare nachprüfbare Regeln und ist nicht an ein Gebäude gebunden. Viel gefährlicher für die Demokratie sind Prozesse/Aktionsweisen die freie Meinungsäußerungen - und die dafür notwendige Informationsbeschaffung - beeinträchtigen/verhindern durch Einschüchterung/Bedrohung/Manipulation/etc. Die Deppen am Kapitol waren daher niemals eine Bedrohung für die amerikanische Demokratie.

Wenn die Besetzung " erfolgreicher " gewesen wäre, dann hätte noch viel passieren können. Es ging auch um die Verhinderung der Kongress-Bestätigung des Wahlergebnisses. Wenn diese gelungen wäre, hätte Trump den Notstand ausrufen können und wäre b.a.w. Präsident geblieben. Das war das Ziel der Capitol-Stürmer, und von Trump.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 7. Mai 2021 - 14:20

In den letzten Monaten las man so viele Artikel über diesen Vorgang, dass mir als Leser es schwer fällt, das Geschehene richtig einzuordnen. Mal sind es "nur" Trump Anhänger", mal sind es alles nur "Rechtsextreme", mal ging die Initiative von ANTIFA Mitgliedern aus. Mal soll Trump es gewusst haben, mal soll er es nachträglich goutiert haben, mal habe er es verurteilt, mal soll er es sogar "gewünscht" haben.
Mal soll die Polizei sie hineingelassen haben, sogar Barrieren weggeräumt haben, jetzt lese ich mal wieder, sie wussten es, waren aber personell und logistisch unterrepräsentiert.
Je nach politischer Lesart wird sich gegeneitig die Schuld zu geschoben. Für mich ist es schwer, aus der Fülle an Informationen ein klares Bild zu bekommen. Eines jedoch steht für mich fest. Vor dem Gebäude demonstrieren geht in Ordnung. Ins Gebäude gewaltsam eindringen und Menschen töten und verletzen, Sachen beschädigen ist nicht zu rechtfertigen. Vielleicht muss man sich fragen: Cui bono.

Es ist erstaunlich, dass jemand, der zu wissen glaubt, dass Biden dement ist, höchstens ein Jahr durchhält und von "Kamilla [sic] Harris missbraucht" wird, in dieser Sache nicht den Durchblick hat. Dabei hat Trump doch 2016 und 2020 klar gesagt, dass er eine Wahlniederlage akzeptieren würde, er hat nicht gesagt dass sich Schlägerkommandos wie die "Proud Boys" bereithalten sollen, er hat am 6. Januar nicht gesagt, dass "wir wie der Teufel kämpfen müssen, da wir sonst kein Land mehr haben", und sein Privatanwalt hat nicht zu "trial by combat" aufgerufen.
Zu "cui bono" (das durfte natürlich nicht fehlen:-): Klar, wer könnte ein größeres Interesse an der Verhinderung der endgültigen Bestätigung der Wahl Bidens haben als diejenigen, die ihn (Biden) gewählt haben?!
Ironie aus!
Zwischen Trump-Anhänger und Rechtsextremist besteht nicht zwingend ein Widerspruch.
Lobenswert: Ihre Absage an Gewalt. Das unterscheidet Sie, Herr Konrad, wohltuend von manch anderen hier!

"Uffbasse!"

Tonicek Schwamberger | Fr., 7. Mai 2021 - 19:10

. . . aber mal ehrlich: Wen interessiert das Ganze heute denn noch? Ist doch alles Schnee von übervorgestern, der keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlockt!
Also mir persönlich ist das alles so egal wie die Sache mit dem Reissack in China . . . Nix für gut!

Hans Meiser | Sa., 8. Mai 2021 - 10:00

„[...] ging die größte Bedrohung der inneren Sicherheit damals von denjenigen aus „die wir als rassisch oder ethnisch motivierte gewalttätige Extremisten identifizieren, insbesondere die, die für die Überlegenheit der weißen Rasse eintreten.“
Das ist eine Aussage. Solange sie jedoch nicht mit Beweisen belegt ist, kann auch ihr Gegenteil zutreffen.
Die Gefahrenlage war also nicht klar, sondern wurde so definiert, wie sie sich im Sinne einer Seite am besten ausnutzen ließ und lässt.
Davon sollte man bis zum Beweis des Gegenteils ausgehen.

Tobias S. | Sa., 8. Mai 2021 - 11:03

Schon das Wort "Sturm" ist eine Übertreibung, deren Ziel es ist, das Geschehnis in die Schmuddelecke zu schieben. Wer so berichtet, gibt seine Objektivität auf.

Der Ablauf dieses Tages ist schon lange rekonstruiert. Man hat die Menschen gewähren lassen, um zu deeskalieren. Es gab zwei Herzinfarkte, einen Selbstmord und eine Frau wurde unnötiger Weise beim durchklettern einer Tür erschossen, was wohl eine Panikreaktion war. Soviel zu den Toten. Die Situation war zu keiner Zeit außer Kontrolle. Das alles habe ich schon vor Monaten gelesen.

Und zuletzt möchte ich noch anmerken, dass die Demokratie in den USA genauso wenig an dieses Gebäude gebunden ist wie bei uns an den Reichstag. Das eine einzelne Gruppe von Menschen keine Demokratie zu Fall bringt, indem sie ein Gebäude betritt, dass muss man doch hoffentlich hier niemandem erklären. Daher wäre es auch schön, wenn man diese Art des Framings lässt.

Christian Haustein | Sa., 8. Mai 2021 - 11:26

Persönlich sehe ich das ein wenig differenzierter. Wer an Myanmar oder Weißrussland denkt, der merkt, dass die Politiker die diese Gewalt verurteilen, sehr schnell selbst zu Protesten aufrufen, um dem politischen Feind zu schaden. Das wirkt auf mich sehr bigott, wenn man jetzt von Umsturz spricht und sich empört. Weil wir sind ja die Guten und die Anderen die Bösen... Das ist natürlich eine Logik die indirekt Gewalt hervorruft. Ich bestimme die moralischen Rahmenbedingungen und bin so immer auf der richtigen Seite... "With God on our side", hat bin Dylan diesen Wesenszug schön beschrieben.

Rob Schuberth | Sa., 8. Mai 2021 - 19:37

Es war eine dunkle Stunde, als dieser Mob stürmte, aber ich denke so etwas wird sich nicht wiederholen können.

Denn die US-Regierung wird klug genug sein und nun entspr. vorbeugen (Panzerglas, mehr Personal etc.).

Ich pers. gehe übrigens davon aus das DT seine Finger im Spiel hatte, um es diesem Mob besonders leicht zu machen.

Hans Jürgen Wienroth | So., 9. Mai 2021 - 08:08

Cui bono ist die richtige Frage, nicht nur bei der Erstürmung des Kapitols, auch bei dem „Sturm auf den Reichstag“. Da hatte selbst der sonst ausgebuchte Bundespräsident schon am Tag danach die Zeit, 3 Polizisten für ihren „heldenhaften Einsatz“ zu ehren. Von diesem Tag an waren alle Querdenker „Demokratiefeinde“. Auch hier war das Parlament strafhaft unterbesetzt.
In den USA war die (zu verurteilende!) Erstürmung des Kapitols der dankbare Anlass, Trump von allen sozialen Medien dauerhaft fernzuhalten. Wie gefährlich kann ein einzelner Mann in einer Demokratie sein, dass man so viel Angst vor ihm hat?