Xi Jinping und Joe Biden
Xi Jinping und Joe Biden treffen am Montag beim G20-Gipfel auf Bali zusammen / picture alliance

Treffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping - Pragmatische Entspannung

Das Treffen zwischen dem amerikanischen und dem chinesischen Präsidenten diese Woche beim G20-Gipfel zeigt, dass die drohende Konfrontation zwischen den beiden Mächten abgewendet werden kann – weil derzeit keine der beiden Seiten von einer Eskalation profitieren würde. Vor allem hat auch Washingtons militärische Unterstützung der Ukraine zu einem Einlenken in Peking geführt.

Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

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Anfang dieser Woche wurde der G20-Gipfel in Indonesien eröffnet, bei dem es zu dem lang erwarteten Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping kam. Es ist schon ein Erfolg, dass sie sich überhaupt getroffen haben. Auch die Tatsache, dass die Zusammenkunft drei Stunden dauerte, ist ermutigend, denn erfolglose Treffen neigen dazu, schnell zu enden und von folgenlosen gemeinsamen Erklärungen garniert zu werden. Dies alles deutet also auf Ehrlichkeit, Substanz und die Aussicht auf künftige gehaltvolle Gespräche hin.

Die ersten Berichte über das Treffen bestätigen dies auch. Die beiden waren sich offenbar bei Themen wie den Gefahren von Atomwaffen und der Aussicht auf einen künftigen Besuch von Außenminister Antony Blinken in China einig, auch wenn sie erneut betonten, dass sie Konkurrenten mit unterschiedlichen Ansichten zu Themen wie Taiwan sind. Xi soll sogar gesagt haben, das amerikanische Demokratiemodell sei veraltet.

Geopolitische Gegebenheiten

Wie ich seit einem Jahr argumentiere, sind Fortschritte an dieser Front nicht den Tugenden einer der beiden Seiten zu verdanken, sondern den geopolitischen Gegebenheiten, in denen sie sich bewegen. Für die Vereinigten Staaten ist die Konfrontation in der Wirtschaft begründet. Aus Sicht der USA hat China amerikanischen Waren noch keinen vernünftigen Zugang zu seinem Markt gewährt und den Wert des Yuan manipuliert, um Handel und Investitionen zu maximieren – ein Vorwurf, den die Obama-Regierung schon vor Jahren erhoben hat. 

Washington argumentierte, dass China angesichts des Umfangs der Investitionen und der von amerikanischen Unternehmen bereitgestellten Technologie entgegenkommend sein müsse, zumal die öffentliche Meinung den Eindruck erweckte, dass die USA von China ausgebeutet worden seien. China war nicht in der Lage, den amerikanischen Forderungen nachzukommen, ohne seine eigene Wirtschaft zu unterminieren. Damit war das Fundament für die Verärgerung in Washington gelegt.

Für China bedeuteten die amerikanischen Wirtschaftsforderungen eine militärische Bedrohung. Peking konnte den Vereinigten Staaten nicht entgegenkommen und fürchtete eine militärische Antwort der USA. China ist eine Exportmacht, und ihr Wohlergehen hängt davon ab, dass seine Waren von den Häfen an der Ostküste über das Südchinesische Meer in den Pazifik und dann in die ganze Welt gelangen können. Die Vereinigten Staaten könnten theoretisch diese Häfen mit Minen belegen oder mit anderen Mitteln schließen. Chinas Reaktion auf dieses Szenario bestand darin, so aggressiv wie möglich aufzutreten, um die USA davon zu überzeugen, dass ihre wirtschaftlichen Forderungen Krieg nach sich ziehen würden und dass China die US-Marine besiegen könnte.

Es ging nie darum, Chinas Wirtschaft zu zerstören, sondern die entsprechende Drohung zu nutzen, um Pekings Reaktion zu beeinflussen. Ebenso hatte China nie die Absicht, in einen Krieg mit den Vereinigten Staaten zu ziehen, sondern wollte die USA davon überzeugen, dass diese Möglichkeit real genug war, um einen Politikwechsel herbeizuführen. Beide Seiten zeigten sich kämpferisch, waren aber darauf bedacht, die Gegenseite nicht zu sehr zu bedrängen.

Pekings Kurswechsel gegenüber Russland

Zwei Dinge führten zu einer Zuspitzung der Situation. Zum einen Russlands Angriff auf die Ukraine: Die Bereitschaft Washingtons, einen geschickten Krieg zu führen und die ukrainischen Streitkräfte mit US-Waffen auszustatten, demonstrierte eine Fähigkeit, von der China nicht glaubte, dass die Vereinigten Staaten sie in ihrem Repertoire hätten. Chinas Bündnis mit Russland, das die Vereinigten Staaten auf zwei Schauplätzen konfrontieren sollte, brach zusammen, bevor es zustande gekommen war. Peking bewertete die militärische Macht, den Willen und die Bündnisstruktur der USA neu und sah in einem militärischen Konflikt eine größere Gefahr für sich selbst als für die USA.

Der zweite Grund war die anhaltende Verschlechterung der chinesischen Wirtschaft. Eine langfristige zyklische Kraft hat zu einem massiven Abschwung geführt, der die soziale Stabilität bedroht. Vorschriften für Einfuhren aus China und Investitionen in China könnten diese ungute Situation noch verschlimmern. Anders ausgedrückt: Für China steht viel auf dem Spiel; für die Vereinigten Staaten gilt das weniger. In Ermangelung einer militärischen Bedrohung profitierten die USA von kostengünstigen chinesischen Produkten. Die USA haben wenig zu gewinnen bei einer militärischen Konfrontation und viel von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit. China hatte keine Lust auf einen Krieg, den es verlieren könnte, und die USA hatten kein Interesse an einer Wirtschaftskrise in China. 

Wirtschaftliche Verbesserungen sind sehr verlockend, solange sie möglich sind. Das Treffen in dieser Woche hat gezeigt, dass dies durchaus der Fall sein kann.

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Karl-Heinz Weiß | Di., 15. November 2022 - 16:01

Das Thema Taiwan wird in der Analyse komplett ausgeblendet. Nur zur Erinnerung: die Leugnung der Souveränität und Kultur der Ukraine durch Putin wurde bis zum 24.2.22 durch den Westen ignoriert. Xi braucht sich diese Mühe gar nicht zu machen, denn auch die amerikanische Regierung setzt weiterhin auf die Ein-China-Politik. Völkerrechtlich eine Zwickmühle. Aber im Irak war das auch kein Hinderungsgrund. Die Situation ist also keinesfalls entspannt.

Tomas Poth | Di., 15. November 2022 - 16:40

Chinas Kurswechsel gegenüber Russland? - Das ist eine Interpretation die Biden braucht. Der Einsatz von Atomwaffen ist eine mediale Spekulation, eine Ente.
Übrigens waren die USA die einzigen, die bisher Atomwaffen benutzt haben, obwohl die Japaner damals schon am Boden lagen und geschlagen waren!!
China beobachtet die Szene und wartet welchen Nutzen es daraus ziehen kann.
Während Europa sich als Sklaven der US-Politik wirtschaftlich ruiniert.
Der geschickte Krieg der USA besteht darin andere für sich die Kohlen aus dem Feuer holen zu lassen.
Dänemark, Deutschland, Benelux, Frankreich und Spanien sollten eine gemeinsam straff geführte militärische Allianz bilden, um den Nordatlantik auf europäischer Seite und das Mittelmeer zu dominieren, die Spielregeln zu setzen.
Nur die militärische Stärke zählt, wie aus dem Artikel hervorgeht!!