Abdul Ghani Baradar (links)
Abdul Ghani Baradar (links) / dpa

Taliban in Afghanistan - Kämpfer und Diplomat

Nach dem Sturz der Regierung ist er der starke Mann in Afghanistan: Abdul Ghani Baradar leitete das politische Büro der Taliban in Doha. Er war es, der die Machtübernahme vorbereitete, während die internationalen Truppen abgezogen wurden.

Autoreninfo

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Im Herbst 2001 besiegelte die militärische Niederlage der afghanischen Taliban gegen eine US-geführte Allianz den Untergang ihres 1996 errichteten „Islamischen Emirats“. Die radikalen Islamisten verschwanden von der politischen Weltbühne, auf der sie durch ihren „Steinzeitislam“ und die Allianz mit dem Terrornetzwerk Al Qaida für Aufsehen gesorgt hatten. Allerdings gelang es der Organisation, aus dem Untergrund heraus einen Aufstand zu entfachen, der ab 2006 das gesamte Land erfasste. Zehn Jahre nach der vermeintlich totalen Niederlage der Taliban waren diese wieder so stark, dass die Nato phasenweise mehr als 130 000 Soldaten einsetzen musste, um den Aufstand halbwegs einzudämmen. 

Den Taliban militärisch das Rückgrat zu brechen und ihre Führer an den Verhandlungstisch zu zwingen, war das Ziel der US-Strategen, die in den Jahren 2010 und 2011 eine umfassende Truppenaufstockung in Afghanistan durchsetzten. Das Ergebnis ist bekannt: Die Taliban konnten dem massiven militärischen Druck standhalten und bringen seit mittlerweile acht Jahren – quasi parallel zu der stetigen Reduzierung der Nato-Streitkräfte – immer mehr Territorium und Bevölkerung Afghanistans unter ihre Kontrolle. Die afghanische Regierung muss heute (weitgehend) zu den Konditionen der Taliban am Verhandlungstisch in Doha Platz nehmen, während die Islamisten militärisch die Überhand gewonnen haben und die Nato in Afghanistan kaum mehr über militärische Optionen verfügt.

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Helmut Bachmann | Mi., 13. Januar 2021 - 10:54

, dass es sich bei den Taliban um grausame Faschisten handelt. Aber vermutlich schreiben die Sieger die Geschichte...

nicht nur vermutlich, Herr Bachmann! Die eigentlichen Sieger sind Pakistan & die Saudis.
Das militärische Establishment Pakistans hat die Taliban konsequent gefördert. Ohne pakistanische Hilfe und die der Saudis wären die Taliban nicht so stark. Islamabad zögerte keine Sekunde, die Herrschaft der Taliban anzuerkennen. Für die Konservativen in Pakistan ist das Abkommen von Doha deshalb ein Erfolg. Die Taliban, ihre Schützlinge, reden wieder mit. Sie werden alles tun, um in Afghanistan an der Macht zu bleiben und auszubauen. Und die Saudis finanzieren die ganze Sache. Damit wird ihr "Wahhabismus" gefestigt bzw. ausgeweitet.
Pakistan & die Saudis liefern ja auch die Waffen um gegen den "westlichen Einfluss" zu kämpfen.
An Afghanistan sind alle Eroberer gescheitert. Gegen die Paschtunen & Taliban zu kämpfen ist zwecklos. Es ist ja keine Armee im klassischen Sinn.
Aber sie hassen den IS und bekämpfen den Gnadenlos.
Macht einen Zaum , um Afghanistan und werft die Schlüssel weg.

gabriele bondzio | Mi., 13. Januar 2021 - 11:14

phasenweise mehr als 130 000 Soldaten einsetzen musste, um den Aufstand halbwegs einzudämmen.“

„Völker sind wie die Oliven: Dem leichten Drucke geben sie süßes Öl, dem starken bitteres.“( Ludwig Börne)

In Afghanistan hat man, unübersehbar die Macht der Religion unterschätzt. Welche ja auch eine Wahrnehmungsveränderung, in breiten Schichten des Volkes, gezielt unterbindet.
Was für den Nahen Osten gleichfalls zutrifft. Es ist zwar möglich, eine unliebsame Regierung schnell zu stürzen, aber der Prozess eines „nach westlichen Muster- Neuaufbaus“ ist überall krachend gescheitert.
Manche Länder sind, trotz hohen materiellen Einsatz des Westens (über Jahrzehnte), unregierbar geworden.

Tomas Poth | Mi., 13. Januar 2021 - 12:30

Eine Brut erst durch CIA/USA gegen UdSSR-Besatzung in Afghanistan aufgebaut, um dann genauso an diesen Taliban, diesmal vermutlich mit freundlicher Unterstützung Russlands, zu scheitern.
Das pakistanische Volk selbst in unterschiedliche Gruppierungen gespalten und nicht in der Lage sich auf etwas zu einigen das den Frieden für alle bringt. Wie auch alles durchtränkt von einem Glauben ist der keinen Frieden außer den des totalitären Anspruchs kennt.

Gerhard Lenz | Mi., 13. Januar 2021 - 14:44

Antwort auf von Tomas Poth

auch die damalige UdSSR gehören auf die Anklagebank.

Afghanistan war vor der russischen Invasion ein relativ offener Staat, nicht umsonst Ziel von Hippies und sonstiger bunter Vögel.

Der Putsch eines sowjethörigen Präsidenten, der anschliessende Einmarsch sowjetischer Truppen sowie der absurde Versuch, eine zum Teil noch in der Steinzeit lebende Bevölkerung in Eile in den realen Sozialismus zu befördern bedeutete in der Konsequenz die Geburtsstunde des Jihads.
Dass die USA jeden Gegner der Sowjets förderten, gleich wie radikal, ist ein typisches Beispiel für den Stellvertreterkonflikt, der alsbald Afghanistan völlig destablisierte.
Aus diesem Konflikt gingen bekanntlich die von Pakistan und - richtig - den USA aufgerüsteten Taliban als Sieger hervor.
Die Sowjets haben den Konflikt verloren, die USA ziehen Leine. Demnächst werden die Steinzeitislamisten im Land wieder überall die Macht haben. Und der Westen, der jetzt so eilfertig seine Truppen abzieht, wird wieder jammern.

Der Mohnaubau zog sie an.
Der Mohnanbau hat immer noch ein Schlüssefunktion oder. Man kann vielleicht auch spekulieren ob dieses Geschäft zur Teil-Finanzierung der Konflikte genutzt wurde/wird. Irgendwo müssen die ganzen Waffenlieferungen auch bezahlt werden.

die UdSSR wurde von der damaligen Regierung um Hilfe gebeten und die Frauen die diese Zeit noch persönlich erlebt haben sagen, dass das für sie die beste Zeit war. Alles was danach kam war und ist für die Frauen ein Desaster. Außerdem stellt sich die Frage was haben die USA überhaupt in dieser Weltecke zu suchen. Denn soweit mein Auge und meine Erinnerung reicht haben diese mit Bomben, Sanktionen, Unterstützung der Falschen nur Not, Tot und Elend verursacht.

Kai-Oliver Hügle | Do., 14. Januar 2021 - 15:20

Antwort auf von Juliana Keppelen

Russische Truppen werden i. d. R. von diktatorischen Regimen "eingeladen", um diktatorische Regime zu stützen. Das ist heute in Syrien, Venezuela und Belarus nicht anders als vor gut 40 Jahren in Afghanistan. Die kommunistische Regierung hatte sich dort 1978 mit Unterstützung aus Moskau an die Macht geputscht.
Ich weiß nicht, mit vielen afghanischen Frauen Sie schon gesprochen haben. Tatsache ist, dass niemals, nicht einmal während der grausamen Taiiban-Herrschaft, mehr Menschen aus Afghanistan geflohen sind als während der sowjetischen Besatzung.

https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/284416/four-de…

https://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/afghanistan-1979…

Die Amerikaner u.a. NATO-Verbündete sind nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert, um die Taliban zu vertreiben. Diese Operation war vom UN-Sicherheitsrat legitimiert.

Karla Vetter | Do., 14. Januar 2021 - 18:55

Antwort auf von Kai-Oliver Hügle

Es scheint sich bei dieser "Einladung"wohl um eine von der selben Art wie beim" Prager Frühling "gehandelt zu haben. Intervenieren und einmaschieren ist Sache der USA,russische Truppen werden außnahmslos "eingeladen" oder "verlaufen" sich im Urlaub.

Markus Michaelis | Mi., 13. Januar 2021 - 13:07

Manche Taliban sind von Machthabern gezwungen/verführt, es gibt evtl. Opium-Warlords ... trotzdem scheint es evident, dass hinter den Taliban viele Menschen stehen mit sehr tiefen Überzeugungen für die sie auch bis in den Tod gehen. Zumindest in diesem Sinne vertreten sie eine höhere Wahrheit als die meisten in D. Trotzdem oder gerade deswegen sind Taliban kaum mit unserem Welt- und Gesellschaftsbild vereinbar. Es gibt viele solche Beispiele und nicht ganz so extrem sehr sehr viele Beispiele.

Ich knabbere seit Jahren an dem Begriff "Weltoffenheit", was das bedeuten könnte. Nur, dass man sich von ein paar "Extrem-Völkischen" distanziert? Dafür der Aufwand?

Hier kommentieren ja meist eher "Rechte" (wie ich). Ich fände es interessant mal von einem "weltoffenen" Menschen zu hören, was er für sich unter Weltoffenheit versteht oder was allgemein darunter verstanden wird. Mir scheint es offensichtlich, dass fast alle für große Weltteile offen sind, für andere nicht - nur jeweils für andere.

Robert Müller | Mi., 13. Januar 2021 - 15:01

Antwort auf von Markus Michaelis

Die Afghanen sind die zweit- oder drittgrößte Einwanderergruppe der letzten Jahre. Wahrscheinlich sind das keine Paschtunen, die im wesentlichen die Taliban stellen, sondern deren innerafghanischen Gegner/Opfer. Ich glaube die sind Schiiten, also wie im benachbarten Iran. Ich habe oft gelesen, dass es sich eigentlich um einen Machtkampf der Paschtunen handelt, was man ja auch an den pakistanischen Paschtunen sieht, die der pakistanischen Regierung so große Probleme bereiten. Ich glaube die Taliban sind nicht wirklich von den Pakistaniern gesteuert, ich sehe da eher eine Kooperation. Es gibt neben den Taliban noch eine weitere mächtige Gruppierung, die sehr viel enger an Pakistan gebunden ist. Seit einigen Jahren gibt es dann noch den IS in Afghanistan, der wie ich las, aus ehemaligen Taliban besteht. Keine Ahnung wie die sich finanzieren.

Karl-Heinz Weiß | Mi., 13. Januar 2021 - 15:32

Unter Weltoffenheit verstehe ich an erster Stelle die Anerkennung fundamentalster Werte, vor allem die der Gleichberechtigung. Frauen raus aus den Schulen-das ist die Botschaft der Taliban. Der Beginn der Hexenjagd auf Personen, die auf das westliche Engagement vertraut haben, ist nur noch eine Frage der Zeit. Welche Ziele verfolgt der Nachbar China ? Den Schutz der Menschenrechte eher nicht.

Markus Michaelis | Mi., 13. Januar 2021 - 16:54

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

Fundamentale Werte finde ich gut (das sind erstmal meine fundamentalen Werte, ich mache mir einige Gedanken, ob die von anderen Menschen teilbar sind, sehe aber, dass sie auf keinen Fall von allen geteilt werden - bis auf einige Grundprinzipien wie Respekt oder so, die aber nicht als Fundament einer Gesellschaft reichen), Frauenrechte finde ich gut, Menschenrechte finde ich gut - aber andere weniger oder sie verstehen etwas anderes darunter oder sie haben in Zielkonflikten ganz andere Prios.

Ich würde da einen Begriff wie "westliche Wertegemeinschaft" verstehen - auch wenn die Veränderungen heute so groß sind, dass man auch da nachschärfen sollte. Aber warum ist es sinnvoll soetwas mit "weltoffen" zu benennen. Das hat doch wenig mit der Welt und (zum Glück) auch nicht mit Offenheit gegenüber der ganzen Welt zu tun?

Ist das nicht eher: "ich bin offen gegenüber allen die richtig denken", aber das scheinen mir eher Sackgassen.

Reinhold Schramm | Do., 14. Januar 2021 - 07:21

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

In Afghanistan befinden sich Bodenschätze im Wert von vielen Tausend Milliarden Euro!

Chinas Beziehungen zu Kabul und den Taliban haben ihm eine besondere Rolle bei den Verhandlungen zwischen beiden Seiten eingeräumt. Beijing ist stolz auf seine relative Neutralität und verkündet, dass – im Gegensatz zu den meisten Nachbarn Afghanistans und den Vereinigten Staaten – China nie in Afghanistan einmarschiert ist. Sie hat den Taliban-Vertretern stets Visa ausgestellt, um China zu Treffen zu besuchen, was es China ermöglicht, eine facilitatorische Rolle zwischen den Taliban und Kabul zu spielen.

In Erwartung der verstärkten Legitimität, Rolle und des Einflusses der Taliban in Afghanistan wird China seine Beziehungen in Zukunft weiterhin verbessern. China hat die Hürde seines eigenen Prinzips der Nichteinmischung im afghanischen Fall vor langer Zeit überwunden, sowohl im Namen der Mediation als auch in dem Bemühen, seine wirtschaftlichen Rohstoffinteressen vor Ort zu schützen.

Bernd Muhlack | Mi., 13. Januar 2021 - 16:19

Afghanistan ist seit Jahrhunderten ein tribales Land, nahezu 100 % der Einwohner sind Muslime.
Meist Sunniten, im Süden zur persischen Grenze hin auch Schiiten.
Es regieren die einzelnen Stämme, man spricht sich im Großen Rat, der Loya Djirga, miteinander ab.
Quasi ein Förderalismus sui generis oder ein mafiöses System à la cuppola.

Sämtlich Versuche dieses Land zu okkupieren sind kläglich gescheitert.
Das damalige britische Kommando wurde bis auf einen Mann getötet, dieser Überlebende wurde auf einem Esel nach Pakistan geschickt.
Die Sowjetunion scheitere kläglich; die Mujaheddin wurden seitens des CIA ausgerüstet, u. a. die Stinger-Raketen gg. die Hubschrauber.

Und dann kam Polly, äh die NATO.
"Deutschland wird am Hindukusch verteidigt!"
Und, kuscht der Hindu?
Es geht um Afghanistan, Moslems, nicht um Hindus.
Demokratie ist prima, jedoch soll man sie keinem Land aufzwingen!
Sie haben ihre eigenen Werte, in jeder Hinsicht.

Das gilt auch für China, Iran, Saudi-Arabien usw. usf.

' ...
Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann, -
Einer kam heim aus Afghanistan.'

Theodor Fontane (1858; Das Trauerspiel von Afghanistan)
zum Nachlesen der Ballade folgender Link:

https://de.wikisource.org/wiki/Das_Trauerspiel_von_Afghanistan_(Fontane)

Es gibt einen inzwischen fast vergessenen Journalisten und Publizisten, der (solange er konnte) auf allen - im offenstehenden - Kanälen, immer und immer wieder vor einer verfehlten Afghanistan-Politik der Amerikaner und des Westen gewarnt hat. Name: Peter Scholl-Latour
Scholl-Latour mußte sich für seine (eingetretenen) Kassandra-Prognosen von vielen bedeutungslosen Konjunktur-Rittern wahlweise als 'anti-amerikanisch', 'rächtzs', 'islam-freundlich' usw. beschimpfen lassen. Am Ende behielt er Recht - leider!

Vorsicht Satire:
Ist es da nicht ein Glück, daß unser Land so reich mit begnadeten Außenpolitikern - wie Steinmeier, Maas, Röttgen, Özdemir usw. - gesegnet ist!?