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Saudi-Arabien - Kann der Westen diesem Mann vertrauen?

Kolumne: Leicht gesagt. Zum ersten Mal seit Beginn des Syrienkonfliktes trifft sich die syrische Opposition. Ausgerechnet in Saudi-Arabien. Dort ist der saudische Kronprinz Mohamed bin Salman das neue Gesicht einer aggressiven Außenpolitik

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Nun scheint sich endlich etwas zu bewegen im politischen Kampf gegen Assad. Nach fast fünf Jahren Krieg versucht die zersplitterte syrische Opposition erstmals gemeinsam über ihr Vorgehen und ihre Ziele zu sprechen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn schon der Ort ihres Treffens ist für andere ein inakzeptables Statement.

Saudi-Arabien ist Gastgeber für rund einhundert Syrer verschiedener Oppositionsgruppen, die direkt aus dem zerfallenen Staat oder auch aus dem Exil angereist sind. Nach der Begrüßung durch den saudischen Außenminister in einem edlen Hotel Riads haben sich die Türen geschlossen. Dahinter soll nun möglichst aus allen Splittern ein Block geschmiedet werden. Nicht dabei sind – verständlicherweise – Vertreter der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat und der Al-Nusra-Front. Aber auch Kurden bekamen keine Einladung, also jene Kämpfer, die Deutschland unterstützt.

Schwieriges Unterfangen
 

Dennoch macht dieses Treffen Außenminister Frank-Walter Steinmeier Hoffnung. Denn es war schwer genug, dass es überhaupt zustande kam. 17 Staaten hatten sich Ende Oktober in Wien darauf verständigt und einen Fahrplan festgelegt: Ab Januar soll die – nun zusammen zu schließende - syrische Opposition mit der Regierung in Damaskus Waffenruhe aushandeln, dann ein halbes Jahr lang eine Übergangsregierung formen, die für weitere anderthalb Jahre später freie Wahlen organisiert.

Klingt gut, mehr aber auch nicht, wie selbst Steinmeier einräumt: „Das ist noch kein Grund zur Euphorie. Aber zum ersten Mal gibt es einen Minimalkonsens für einen Weg zur Lösung des Syrienkonflikts, auf den sich nicht nur Russland und die USA geeinigt haben, sondern auch Iran und Saudi-Arabien. Mit dem Treffen der syrischen Opposition heute in Riad ist der erste Schritt auf diesem Weg gegangen.“

Tatsächlich ein Schritt vor, doch zeitgleich zwei zurück in Moskau. Russlands Außenminister sagte, die nächste Syrien-Konferenz auf Außenministerebene könne erst erwogen werden, wenn Einvernehmen darüber bestehe, wer Terrorist und wer Opposition sei in Syrien. Das zielt gegen den Gastgeber Saudi-Arabien, für den nach wie vor gilt: Assad muss weg. Putin hingegen hält an Assad fest.

Der Streit um die Übergangs-Rolle Assads scheint jedoch nicht das größte Problem zu sein. Höchst zwielichtig erscheint auch dem Westen, welches Spiel Saudi-Arabien wirklich treibt. Eine Woche vor dem Treffen hat der Bundesnachrichtendienst seine ernste Sorge über den Wandel der Außenpolitik Riads öffentlich gemacht: „Die bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt.“

Der Kronprinz des Stellvertreterkrieges: Mohamed bin Salman
 

Für diesen Wandel gibt es einen Namen: Mohamed bin Salman, Sohn des kränkelnden Königs Salman. Der 30 Jahre junge, machtgierige und von internationalen Diplomaten als unangenehm selbstbewusst auftretend Beschriebene gilt als wahrer Herrscher. Als Verteidigungsminister dominiere er die neue, sehr aggressive Linie der saudischen Politik, heißt es. Mohamed bin Salman führt den ersten Krieg seines Landes seit der Staatsgründung vor über 80 Jahren.

Im Nachbarland Jemen betreibt der Kronprinz einen Stellvertreter-Krieg gegen den Erzfeind Iran. Er lässt die schiitischen Huthi-Rebellen niederringen, damit die sunnitische Regierung Jemens an der Macht bleibt. Hier wird im Kern deutlich, worum es Saudi-Arabien in erster Linie geht: die sunnitische Vorherrschaft im Nahen Osten. Und das umso mehr, seit Iran wieder als international anerkannte Regionalmacht zurück ist, weil es offiziell abgeschworen hat, eine Nuklearmacht werden zu wollen. Iran steht jedoch – wie auch Russland – hinter Assad.

Das große Misstrauen des Westens
 

Die Position des BND offenbart das große Misstrauen des Westens gegen die jahrzehntelang als strategischer und wirtschaftlicher Partner akzeptierte Religionsdiktatur Saudi-Arabien. Vizekanzler Sigmar Gabriel, der noch im März wegen der guten Wirtschaftskontakte nach Riad reiste, hat nun Kritisches versucht: Bei aller Wichtigkeit im syrischen Friedensprozess müsse man den Saudis „klarmachen, dass die Zeit des Wegschauens vorbei ist".

Wirklich? Nur einen Tag später wurden Gabriels Worte von seiner eigenen Sprecherin entschärft. Die Bundesregierung hatte dem eigenen Vizekanzler einen Maulkorb verpasst. Die gemeinsame Position sei es, Saudi-Arabien bei der Suche nach Frieden in Syrien zu unterstützen.

Realpolitik ist das. Sie dient einem höheren Ziel, dem Frieden. Und dem nationalen Ziel: Flüchtlingsstopp. Aber es ist gut möglich, dass die Rolle der Saudis in Syrien überschätzt wird und ihre Einbindung die Situation streckenweise schwerer macht, ja sogar konfliktverschärfend wirkt.

Kein Weg führt an Iran vorbei, keiner an der Türkei. Die Saudis agieren in Syrien allerdings schon aufgrund ihrer fehlenden geografischen Nähe nur als Juniorpartner der Türkei – und sicher auch der USA. Riad – und den Unterstützern des aufstrebenden Vizekronprinzen – sollte deutlich gemacht werden, dass eine Lösung in Syrien im Zweifel auch ohne die Saudis möglich sein kann. Gerade das könnte sie anspornen, ihren regionalen Expansionsdrang zu zügeln.

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