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Riham Alkousaa

Syrische Küche für Berlinale-Besucher - Kichererbsensuppe und George Clooney

Für die diesjährige Ausgabe der Berlinale haben sich die Veranstalter etwas Besonderes einfallen lassen: Syrische Flüchtlinge kochen für die Besucher. Einer von ihnen ist der 30-Jährige Syrer Moder Alsheikh Ahmad

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Riham Alkousaa ist eine syrisch-palästinensische Journalistin. 

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Vor einem kleinen, schwarzen Wagen nahe des Potsdamer Platzes, direkt hinter einem Supermarkt, hat sich bereits eine lange Schlange von fröstelnden, hungrigen Berlinale-Fans gebildet. Doch wartet hier niemand auf die nächste Filmvorstellung.

Nein, sie alle warten auf die warmen Rigatoni und die kochende Kichererbsen-Suppe mit Röstzwiebeln, die der junge syrische Koch Alsheikh Ahmad in den Filmpausen aus seinem Foodtruck heraus verkauft.

Moder Alsheikh Ahmad, 30, erzählt dieser Tage gerne die Geschichte, wie er vor kurzem zum ersten Mal George Clooney begegnet ist und ihn unbedingt um ein Autogramm bitten wollte.

„Über den Tellerrand kochen“
 

Zur 66. Ausgabe des berühmten Berliner Film-Festivals sind dieses Jahr einige Projekte im Bereich der Flüchtlingshilfe neu dabei. Eines davon ist eine Street-Food-Initiative, bei der Alsheikh Ahmad und andere syrische Flüchtlinge einem italienischen Spitzenkoch über die Schulter schauen und später mit ihm mediterrane Speisen zubereiten können, die anschließend in ihrem Truck zum Verkauf angeboten werden.

Der junge Syrer gehört zu einer Gruppe von Flüchtlingen, die vor knapp einem Jahr eine Anstellung im Gastronomiegewerbe finden konnten und nun als Köche ihren Unterhalt verdienen. Seine Leidenschaft zum Kochen entdeckte er durch die Initiative „Über den Tellerrand kochen“, die Anfang vergangenen Jahres startete.

Alsheikh Ahmad, der im Sommer 2014 über die Türkei nach Deutschland kam, hatte bereits durch einen Cousin von „Über den Tellerrand kochen“ gehört und ist so darauf neugierig geworden. Sein Cousin war zu diesem Zeitpunkt schon regelmäßiger Teilnehmer der Koch-Kurse.

Vom Arabischlehrer zum Berlinale-Koch
 

„Über den Tellerrand kochen“ hat sich zum Ziel gesetzt, durch das Veranstalten von Kochkursen für Migranten und Einheimische die Integration der Neuankömmlinge in Deutschland zu erleichtern. Alsheikh Ahmad betrachtete Kochen vorher stets nur als Hobby, doch dann erkannte er die berufliche Perspektive darin und brachte sich eigenständig neue Fertigkeiten und Rezepte bei. Dazu schaute er sich Videos im Internet an und rief ständig bei seiner Mutter zu Hause in Syrien an. Durch den Kochkurs lernte er auch viele neue Freunde kennen.

Das erste Gericht, das Alsheikh Ahmad für die Teilnehmer des Events zubereitete, war Majddra, eine typisch syrische Speise bestehend aus Linsen und Couscous. „Es ist ganz einfach zuzubereiten und man kann dabei praktisch nichts falsch machen“, sagt er.

Der Zuspruch war enorm. Und weil die Leute immer wieder kamen, beschloss der ehemalige Arabischlehrer, sich als Koch selbstständig zu machen. Durch die Zusammenarbeit mit „Markthalle 9“, einer von 14 ehemaligen Markthallen in Berlin, bekam er eine Plattform für seinen Kochbetrieb. Letzten Sommer verbrachte er dort jeden Donnerstag und verkaufte seine frisch zubereiteten mediterranen Speisen.

Für Nikolas Drieffen, Co-Organisator der Markthalle 9, ist die Zusammenarbeit mit syrischen Flüchtlingen eine Herzensangelegenheit. In der Vergangenheit veranstaltete er auch schon Themenabende mit ausschließlich griechischen Speisen, als das südeuropäische Land durch die Eurokrise in der deutschen Medienlandschaft in starken Misskredit gefallen war.

Unterstützung vom Gourmet-Koch
 

Als größte Herausforderung seiner noch jungen Koch-Laufbahn sieht Alsheikh Ahmad den Auftrag, das Catering für Gäste der Berlinale zu übernehmen. „Die Berlinale war etwas völlig Neues für mich. Die Zahl der Gäste ist um einiges größer“, sagt Alsheikh Ahmad. „Die Nachricht, dass ausgerechnet ein Koch aus Syrien für die Gäste der Berlinale kochen sollte, sprach sich auch schnell herum.“

Für ein größeres Event zu kochen, ist jedoch nichts Neues für den Syrer. Mit „Markthalle 9“ übernahm er bereits das Catering für Events von BMW und Zalando.

Um für die Berlinale fit zu sein, bekamen er und seine syrischen Mitstreiter im Rahmen der Street-Food-Initiative eine besondere Unterweisung durch den italienischen Roberto Petza, der die Akademie der hohen sardinischen Küche gründete. Petza brachte ihnen einige neue Gerichte bei, die er in seinem Truck verkaufen kann. Zur großen Überraschung des Italieners waren einige seiner Gerichte nichts Neues für seine syrischen Kochschüler.

Italienisch-arabische Küche zur Berlinale
 

„Einer der jungen Syrer kam einmal zu mir und sagte, dass ihn meine Linsensuppe total an die seiner Großmutter erinnere. Solche Geschichten sind es doch letztlich, worum es beim Essen geht,“ sagt Petza.

Einen Monat vor Beginn der Berlinale besprachen sich Alsheikh Ahmad und die anderen mit ihrem italienischen Lehrmeister, welche ausgewählten Gerichte sie für die Berlinale zubereiten könnten. Man einigte sich auf eine Art Fusion sardinischer und syrischer Küche, die sowohl italienische als auch arabische Zutaten enthalten sollte.

Trotz seiner Verpflichtungen als aufstrebender Koch gibt Alsheikh Ahmad hin und wieder immer noch Arabischunterricht. Das ist es, was er auf lange Sicht auch wieder hauptberuflich tun möchte. Doch die finanziellen Vorzüge des Kochens würden ihn immer wieder zurück in die Küche ziehen, erzählt er.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war Robert Petza als Fünf-Sterne-Koch bezeichnet worden. Das bezieht sich aber auf eine Wertung des Online-Portals Trip Advisor, nicht auf die Michelin-Sterne. Wir danken unserem Leser Siegfried Stein für den Hinweis. 

Übersetzung: Nils Leifeld

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