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Schwellenländer mit Währungsfonds - Der Westen hat Kredit verspielt

Die Schwellenländer setzen auf ihren eigenen Währungsfonds. Das ist das Ergebnis amerikanisch-europäischen Hochmuts – Staaten wie China oder Brasilien wollen einfach nicht mehr, dass immer nur Washington bestimmt. Ein Kommentar in Kooperation mit dem Tagesspiegel

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Harald Schumann arbeitet für die Zeitung Der Tagesspiegel

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Wer sich für unangreifbar hält, dem gerät auch eine gut gemeinte Geste schnell daneben. Das demonstrierte kürzlich Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Regierungen der Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, kurz Brics genannt, hatten bei ihrem Gipfeltreffen im Juli im brasilianischen Fortaleza die Gründung eines Währungsfonds und einer Entwicklungsbank unter ihrer Regie beschlossen.

Erstmals erwächst damit den von Europäern und Amerikanern gelenkten Institutionen IWF und Weltbank Konkurrenz. Und genauso ist es auch gemeint. Die alten Weltenlenker des Westens sind ausdrücklich nicht zur Teilhabe eingeladen.

Der Hochmut des Westens


Das focht die frühere französische Finanzministerin Lagarde freilich nicht an. Sie gratulierte den Brics-Regierungen und versprach ganz unverfänglich, „die IWF-Mitarbeiter wären erfreut, mit dem Brics-Team die Zusammenarbeit aller Teile des globalen Sicherheitsnetzes zu stärken“, sagte sie – gerade so, als ob sie und der IWF selbst gar nichts mit dem Vorgang zu tun hätten. Das aber verwandelte die Gratulation in eine Geste des Hochmuts. Denn es waren Lagarde und ihre Kollegen aus der EU und aus den USA, welche die Aufsteiger der Weltwirtschaft überhaupt erst zu ihrem Beschluss getrieben haben. Wenn Staaten in Zahlungsprobleme gerieten, blieb ihnen bisher stets nur der Gang zum IWF nach Washington, um Notkredite zu erhalten.

Dort haben aber seit je die Mehrheitseigentümer aus Europa und Amerika das Sagen. Das nutzten diese rücksichtslos aus. So erzwang der IWF während der Asienkrise 1997 in Südkorea, Thailand und Indonesien eine radikale Liberalisierung und Privatisierung, und verschaffte den Konzernen des Westens Marktanteile und wertvolle Unternehmen zum Schnäppchenpreis. „Die Probleme der Tiger-Ökonomien eröffneten eine goldene Chance für den Westen“, bekannte der damalige US-Handelsminister Mickey Cantor offen. „Wenn die Länder die Hilfe des IWF suchen, dann sollten Europa und Amerika den IWF wie einen Rammbock benutzen, um Vorteile zu gewinnen.“

Darum drängen die Schwellenländer seit Jahren auf eine Neuverteilung der Stimmrechte im Fonds, der ihrem wirtschaftlichen Gewicht entspricht. Aber selbst eine Minireform zur Umverteilung von drei Prozent der Anteile scheiterte, weil der US-Kongress die Zustimmung verweigert. Noch immer verfügen so allein Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien gemeinsam über 17,6 Prozent der Stimmen, obwohl sie nur 13,4 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erbringen. Demgegenüber gestehen sie den Brics-Staaten lediglich 10,3 Prozent der Anteile zu, obwohl diese mehr als ein Fünftel der Weltwirtschaft auf sich vereinen.

80 Prozent der IWF-Kredite gehen nach Europa


Diese Konstruktion machte es auch möglich, dass Deutschland und Frankreich in Allianz mit den USA und Großbritannien die Kreditmittel des IWF missbrauchten, um ihre Banken aus deren Fehlinvestitionen in Osteuropa und den Euro-Krisenländern freizukaufen. Darum sind nun mehr als 80 Prozent aller IWF-Kredite in Europa gebunden – und das gegen ausdrückliche Kritik der übrigen Mitgliedsländer. Im Fall Griechenland zum Beispiel warnte der brasilianische Exekutivdirektor Paulo Nogueira Batista im Mai 2010, das Programm könne „nicht als Rettung von Griechenland gesehen werden, sondern als Rettungspaket für die privaten Gläubiger von griechischen Schulden, vor allem europäische Finanzinstitute“.

Aber die Abgesandten der Finanzminister aus den Euro-Staaten verweigerten einen Schuldenerlass zu Lasten der Banken, obwohl selbst die IWF-Experten vor Ort dies für nötig hielten. So ist es nur logisch, dass die Brics-Staaten versuchen, das Monopol des IWF zu brechen. Doch das ist nicht nur eine gute Nachricht. Denn das instabile globale Finanzsystem kann nur in Kooperation aller großen Akteure reformiert werden. Dringend nötig wäre etwa eine weltweite Koordination der Notenbanken, um chaotische Wechselkurssprünge abzuwehren, die ganze Volkswirtschaften ruinieren. Der von China und seinen Verbündeten betriebene Aufbau einer alternativen Finanzarchitektur droht dagegen, noch mehr Chaos zu stiften. Viel besser wäre, wenn die Finanzgewaltigen des Westens endlich die gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den Schwellenstaaten ermöglichen, bevor das alte System auseinander bricht. Der Brics-Beschluss von Fortaleza war womöglich nur ein letzter Warnschuss.

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