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Hilfsgelder - Muslime unterstützen nur Muslime

Auch die islamisch geprägte Welt verteilt massenhaft Hilfsgelder. Doch die fließen meist nur an gleichgesinnte Regionen wie Irak, den Libanon, nach Pakistan oder Bangladesch. Ein Beitrag in Kooperation mit dem Tagesspiegel

Autoreninfo

Caroline Fetscher ist seit 1997 Autorin des Tagesspiegel. Sie studierte Literaturwissenschaft und Psychologie. Zu ihren Themen gehören gesellschaftliche Debatten in den Bereichen Kultur und Politik, insbesondere Menschenrechte und Kinderschutz.

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Auf der Weltkarte der globalen Helfer rangieren bestimmte Staaten und deren nicht staatliche Akteure weit oben. Allen voran die Skandinavier, die meisten Länder der Europäischen Union, ebenso aber auch Amerika, Kanada, Australien. Reiche Staaten, keine Frage. Wohlstand allein ist jedoch noch nicht der wesentliche Indikator für grenzüberschreitende Hilfsbereitschaft. Es gehört mehr dazu als Profit und Überschuss, um anderen in der Ferne beizustehen oder gar religiöse, ethnische und andere Minderheiten zu schützen – erst recht jene im eigenen Land.

Wer über die gegenwärtige Situation im Nahen Osten nachdenkt, dem könnte auffallen, dass sich für die Palästinenser hunderte staatliche und nicht staatliche Organisationen engagieren, darunter die meisten aus dem Westen.

Die Datenbank der OECD verzeichnete vor drei Jahren unter den zehn finanzstärksten Helfern für den Gazastreifen und die Westbank: die EU, Japan, Norwegen und Kanada. Aus denselben Staaten strömen Milliarden an Projekten rings um den Globus, ganz gleich welcher Konfession oder Bevölkerungsgruppe Hilfsempfänger angehören. Und ganz gleich, ob die nicht staatlichen Geberorganisationen konfessionell gebunden oder säkular strukturiert sind.

Wo sich Lücken im Sozialstaat auftun, gründet sich normalerweise ein Initiative
 

Geholfen wird in westlichen Demokratien auch denen, die in der eigenen Gesellschaft marginalisiert sind. Vor allem nicht staatliche Aktivisten treten öffentlich und ungehindert ein für die Rechte von Asylbewerbern, religiösen und ethnischen Minderheiten, Homosexuellen, für die extrem Ausgebeuteten, die Strafgefangenen. Wo sich Lücken im Sozialstaat auftun und im Rechtssystem, wo Mängel bei der öffentlichen Akzeptanz erkannt werden, darf man darauf wetten, dass fast immer und fast überall eine Gruppe gegründet wird, die für eine Anerkennung der Ausgegrenzten eintritt.

Anders nimmt sich das in vielen arabischen oder islamisch geprägten Staaten aus. Saudi-Arabien etwa ist, wie Norwegen, ein steinreicher Ölstaat (der Norwegen übrigens um ein Vielfaches an Einkünften überragt). Auch Saudi-Arabien gibt Millionen an Hilfsdollars aus. Außerhalb des Westens ist das Land der größte Geberstaat. Doch saudische Öldollars fließen nahezu vollständig an arabische oder islamisch geprägte Regionen, sie wandern in den Irak, den Libanon, den Jemen, an die Palästinenser, nach Pakistan oder Bangladesch. Gelegentlich erhalten auch sogenannte strategische Partner wie Indien oder China Spenden. Das „Global Public Policy Institut“ mit Sitz in Berlin hat den saudischen Spendenfluss 2011 ausführlich analysiert und dessen – ohnehin offen zutage liegende – Prävalenz mit Zahlenmaterial dokumentiert. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Ähnlich sieht es da aus, wo arabische und islamische Geldgeber am Werk sind, staatliche oder private. Seien es Organisationen wie „Islamic Relief“ oder Hilfsprojekte der Muslimbrüder: Die Fälle, in denen Menschen offen und aktiv für die Rechte Andersgläubiger, Andersdenkender eintreten, sind rar, so gut wie nicht existent. Wo wird in den fraglichen Ländern für die Rechte von Juden oder Christen, Schwulen oder Lesben demonstriert? Wo arbeiten Bürgerinitiativen für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern? Die Suche danach muss mit der Lupe erfolgen.

Antiisraelische und antisemitische Demonstrationen in europäischen Großstädten ziehen im Moment Migranten aus diesen Ländern an, sie werden in der Regel ohnehin von ihnen organisiert. Politisch umgesetzte Empathie mit Leuten, die andere Glaubenssysteme, andere Lebensentwürfe haben, besteht entweder gar nicht oder nur in fragilen Fragmenten. Fast überall an den Orten, von denen hier die Rede ist, werden solche Impulse von Clanstrukturen, Gruppenegoismen oder mangelnder Demokratiepraxis unmöglich gemacht.

Wer für universelle Menschenrechte kämpft, findet sich in Haft wieder
 

Es ist die eigentliche Tragödie der arabischen und muslimischen Welt, dass sie all diejenigen verkennt und verfemt oder als „Menschenrechtsimperialisten“ bezeichnet, die universelle Menschenrechte verfechten und achten oder doch zumindest achten wollen. Wer in diesen Ländern für die universellen Menschenrechte eintritt, den findet man leider nur allzu oft in Haft oder im Exil. Erst wenn sich das ändert, wird sich auch in der gesamten, um die Moderne und mit der Modernisierung ringenden arabischen und islamisch geprägten Welt etwas ändern. Sie als „Dritte Welt“ der Gegenwart zu idealisieren, heißt die Realität hinter einen Eisernen Vorhang aus Unvernunft zu verbannen.

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