
- Halbblut und Problembär
Der Westen und Russland stehen sich heute so feindlich gegenüber wie zu schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges. Warum eigentlich?
Im Jahr 1995 saß ich, ein südwestdeutscher Teenager aus einem Dorf an der Schwäbischen Alb, erstmals im Zug von Berlin nach Sankt Petersburg. Im Waggon brodelte ein Wasserkessel, der mit Kohlen geheizt wurde, die Russen um einen herum trugen bevorzugt ausgewaschene Jeans und rochen intensiv, an der Grenze zu Weißrussland wurden die Waggons komplett (mit uns darin) hochgehoben und auf ein neues Fahrwerk gesetzt. Und überhaupt: Dieser Zug fuhr 36 Stunden. Das alles erschien wie aus einer anderen Zeit. Ebenso erschien Sankt Petersburg. Beim Schüleraustausch in Minnesota, in Lyon und in Essex hatte ich Gleichaltrige getroffen, die auch Chucks und Basecaps trugen, die Nirvana und Radiohead hörten und eigentlich alle am liebsten Burger mit Pommes aßen. In Sankt Petersburg war fast alles anders.
15 Jahre später traf ich mich, inzwischen schon mehrere Jahre Korrespondent in Russland, mit meiner Russischlehrerin und frischen Schülern von der Alb in Moskau. Die Frage, die mich mehr als alles interessierte, beantworteten diese mit einem Achselzucken: Eigentlich sind die genau wie wir, die Russen – iPhones, gleiche Musik, gleiche Klamotten. Aber Moskau isch hald a saucoole Stadt.