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Rückführungen von Flüchtlingen - Zahlenakrobatik in der Ägäis

Der Plan der EU, Hunderte Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei zurückzuführen, misslingt schon am zweiten Tag. Und auch in Idomeni herrschen weiterhin katastrophale Zustände. An zu wenigen Aufnahmeplätzen liegt es aber nicht

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Alkyone Karamanolis ist freie Journalistin und auf das Thema Griechenland spezialisiert.

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Es ist nicht bekannt, ob sich ihre Routen kreuzten – die des Frontex-Schiffes, das abgewiesene Flüchtlinge von Lesbos zurück in die Türkei brachte und die des Schlauchboots, das umgekehrt von der Türkei nach Lesbos unterwegs war. Die Passagierzahlen: fast identisch.

136 Flüchtlinge verließen am Montag, als der Flüchtlingspakt in Kraft trat, die Ägäis-Insel, 110 neue Flüchtlinge erreichten sie. Auf ganz Griechenland gerechnet standen sich 255 Neuankünfte und 202 Rückführungen gegenüber. Ein holpriger Start also –  und ein Zeichen, wie brüchig der Deal zwischen der EU und der Türkei ist.

Rückführung vertagt


Dabei ist das nicht das einzige Problem, mit dem die griechischen Behörden dieser Tage fertig werden müssen. Auf Chios etwa sind am Freitag rund 150 Flüchtlinge aus dem Hotspot ausgebrochen und campieren seither am Hafen. Sie hoffen, die Insel auf einer der Fähren nach Piräus verlassen zu können. Teilweise waren sie mit ihrer Strategie erfolgreich: Die für heute geplante Rückführung von rund 100 Personen wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Man konnte die Kandidaten nicht ausfindig machen.

Gleichzeitig sind die griechischen Behörden plötzlich mit Tausenden von Asylanträgen konfrontiert. Die Flüchtlinge erhoffen sich dadurch so etwas wie eine Gnadenfrist. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit – sie erfolgt direkt in den Hotspots – liegt derzeit inklusive Berufung bei rund einem Monat.

Am Mittwoch werden in Griechenland immerhin rund 30 Asylexperten aus den europäischen Partnerländern erwartet. Sie sollen die griechischen Behörden verstärken. Einsatzbereit werden sie allerdings erst frühestens Ende der Woche sein. So lange jedenfalls über die Asylanträge nicht entschieden ist, kommen nur diejenigen Flüchtlinge für eine Rückführung in Frage, die aus freien Stücken gehen. Man darf davon ausgehen, dass das nicht allzu viele sein werden.

Flüchtlingszahl wird wohl weiter steigen


Das anfangs von Frontex ins Auge gefasste Ziel, allein in den ersten drei Tagen 750 Flüchtlinge zurück in die Türkei zu schicken, wird man jedenfalls verpassen. Fraglich ist außerdem, ob die Rückführungen auch in Zukunft so reibungslos ablaufen werden wie gestern. Die ersten Passagiere waren, so heißt es aus Kreisen von Nichtregierungsorganisationen, sorgfältig ausgewählt. Kriterium war, dass es bei der Aktion, an der mehr als 800 Sicherheitskräfte und Angehörige von Frontex beteiligt waren, keinen Widerstand geben würde. Einige Flüchtlinge hatten aus persönlichen Gründen selbst um die Rückkehr in die Türkei gebeten. Um außerdem den Protest von Aktivisten zu vermeiden, startete etwa die Rückführung auf Lesbos um drei Uhr nachts.

All das lässt ahnen, dass sich die Zahl der Flüchtlinge in Griechenland fürs erste eher erhöhen denn verringern wird. Derzeit befinden sich mehr als 52.000 Schutzsuchende auf griechischem Hoheitsgebiet, und ihre Versorgung wirft weiterhin Fragen auf. Immer noch fehlen rund 10.000 Plätze in Aufnahmelagern. In Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze wie auch am Hafen von Piräus sind die Zustände chaotisch. In Idomeni campieren rund 11.000 Menschen, in Piräus sind es derzeit knapp 5.000, die ohne Duschen, warmes Wasser und ohne ausreichend Schutz vor Kälte am Hafen ausharren.

Kampf an vielen Fronten


Indes sind nicht nur fehlende Aufnahmeplätze ein Problem. Viele der Flüchtlinge in Idomeni und Piräus weigern sich, in Aufnahmelager auf dem flachen Land überzusiedeln. Sie fürchten, ihre Bewegungsfreiheit einzubüßen. Denn die Rückführungen in die Türkei mögen begonnen haben, viele Flüchtinge hoffen aber, dass sich das Blatt noch wenden wird.

So war etwa vor einigen Tagen in Piräus eine Meldung im Umlauf, wonach die die Grenze zu Mazedonien wieder öffnen würde. Die Nachricht hatten wohl Schlepper in die Welt gesetzt.

Und so hat die griechische Regierung derzeit an vielen Fronten zu kämpfen. Ihr jüngster Vorstoß: Um der Desinformation der Flüchtlinge auch durch unseriöse Nachrichten im Internet entgegenzuwirken, sendet das staatliche griechische Fernsehen seit kurzem auch auf Arabisch. Täglich nach den Hauptnachrichten.

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