
- Das Ende des Superhelden
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist heute zurückgetreten. Damit ist seine Regierung der nationalen Einheit Geschichte. Die Europäische Union, die USA und viele Italiener bedauern den Abgang des vermeintlichen Stabilitätsankers. Jedoch war der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige EZB-Chef Draghi von Anfang an als Zwischenlösung gedacht. Italien und die EU sind zurück in der Realität.
Den Messias gibt es in der Bibel. In den vergangenen 17 Monaten konnte man allerdings den Eindruck gewinnen, dass auch in Rom ein übermenschlicher Heilsbringer am Werke war. Die Hochachtung, mit der vor allem die etablierten Medien in der Republik vom ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank und Ministerpräsidenten Mario Draghi sprachen, („Supermario“) war zuweilen verwunderlich. Man hatte sich offenbar schon zu sehr gewöhnt an die Fehlbarkeit der politischen Klasse. Wenn dann einer herausragt, wird er schnell vergöttert.
Draghi, so war sich die öffentliche Meinung beinahe einig, war das Beste, was Italien passieren konnte. Darüber lässt sich streiten. Ein Vordenker der politischen Avantgarde war der 74-jährige Banker gewiss nicht. Doch sicher ist auch: Italien profitierte anderthalb Jahre von Draghis Solidität, von seinem Ansehen und seiner Expertise als Personifikation des herrschenden Systems. Das war im volatilen italienischen Politikbetrieb schon die halbe Miete.