
- Morgen war Krieg
Am Tag vor Putins Überfall kam Cicero-Chefreporter Moritz Gathmann in der Ukraine an – einem Land, das er in den letzten Jahrzehnten immer wieder bereist hat. Die russische Invasion hatte sich schon lange angekündigt. Wer die blutigen Ereignisse verstehen will, muss die Vorgeschichte kennen. Hier beschreibt Gathmann, wie der Krieg die Ukrainer traf.
Ein heftiger Knall. Ich wache auf. Habe ich das geträumt? Nein, wenige Sekunden später folgt die nächste dumpfe Explosion. Ich bin hellwach, schaue auf das Handy, lese: Putin hat den Beginn einer „Spezialoperation“ in der Ukraine verkündet. Ich ziehe mich an, nehme meinen gepackten Rucksack und eile zusammen mit einer Kollegin den Flur und dann die Treppen vom siebten Stock bis in die Hotellobby. Es ist der Morgen des 24. Februar, kurz nach fünf Uhr. Zwei russische Raketen sind auf dem Militärflughafen eingeschlagen, etwa sechs Kilometer entfernt vom Hotel in Kramatorsk. Russlands Überfall auf die Ukraine hat begonnen.
Am Tag zuvor war ich per Nachtzug aus Kiew mit einer Kollegin in Kramatorsk angekommen, einer Industriestadt im Gebiet Donezk, etwa 60 Kilometer nördlich der „Kontaktlinie“ mit der sogenannten „Volksrepublik Donezk“ gelegen. An diesem sonnigen Tag lag der Krieg schon in der Luft, aber niemand wollte daran glauben, dass es so schnell so schlimm kommen würde.