Die Christus-Erlöser-Kathedrale der ukrainisch-orthodoxen Kirche in Uschorod / picture alliance / Caro | Bastian

Religion im Ukrainekrieg - Kirchliche Kriegstreiber und fromme Friedensstifter

Zwar ist der Ukrainekrieg kein Religionskrieg, aber religiöse Elemente spielen eine unterschätzte Rolle in der Genese und der Zukunft des Krieges. Jetzt, da die Aussichten auf einen Waffenstillstand steigen, darf die Rolle von Religion für die Sicherung einer Nachkriegsordnung nicht übersehen werden.

Autoreninfo

Dr. Richard Ottinger verantwortet das Thema gesellschaftlichen Zusammenhalt und Religion in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er ist Herausgeber des kürzlich im ibidem-Verlag erschienenen Sammelbandes „Religiöse Elemente im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Propaganda, Religionspolitik und Seelsorge, 2012–2024“.  

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Russland begründet den seit 2014 andauernden Krieg, die Invasion vom 24. Februar 2022 und die eigene Kriegspropaganda in Teilen religiös. Das Putin-Regime und die Russisch Orthodoxe Kirche (ROK) behaupten, durch den Krieg auch angeblich unterdrückte orthodoxe Christen in der Ukraine zu schützen. Gleichzeitig wird der aggressive Imperialismus durch die Propaganda-Erzählung der „Russischen Welt“ (Russki Mir) unterfüttert, in der das heutige Russland, die Ukraine und Belarus als spirituell-orthodoxe Einheit imaginiert wird, die gewaltsam wieder zusammengeführt werden müsse. Analog zur Russki-Mir-Konzeption wird mit Hilfe des tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow eine spezifisch russische Islamauslegung („Kadyrowismus“) propagiert, die einerseits innenpolitische Gegner kontrolliert und außenpolitisch neben der christlichen Orthodoxie den Islam (in genuin-russischer Interpretation und Organisationsform) als konstitutiv für Russland proklamiert. 

Parallel dazu markiert der Invasionsbeginn das Ende der Renaissance des russischen Judentums. Dieser Paradigmenwechsel für das jüdische Leben in Russland ist von einem explosiven Antisemitismus und infolgedessen von einem Massenexodus von mehr als einem Drittel aller jüdischen Russen aus ihrer Heimat gekennzeichnet. Auch der seit 1989 wirkenden Oberrabbiner Moskaus und Karlspreisträger Pinchas Goldschmidt ging unmittelbar nach dem Angriff am 27. Februar 2022 ins Exil. 

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Walter Buehler | Sa., 8. März 2025 - 08:25

Ein entlarvender Artikel, der zeigt, das religiös fundierte Kriegstreiberei bei uns in Deutschland immer noch salonfähig ist, genau wie in der Vergangenheit.

Herr Ottinger blickt dem lieben Gott über die Schulter und nimmt ihm die Urteilsfindung über Länder und Menschen im jüngsten Gericht schon im Voraus ab.
Ottingers Urteil (also Gottes Urteil!) entspricht wunderbarerweise genau den Propaganda-Vorgaben Selenskis: In Russland ist nur der Teufel am Werk, während die Ukraine ein wahrer Gottesstaat ist:

"Während auf russischer Seite eine strukturelle Instrumentalisierung und Unterdrückung von Religion deutlich wird, führt der Krieg auf der ukrainischen Seite der Front zu einer neuen Intensität an interreligiöser Kooperation und Religionsfreiheit."

"Gott mit uns" rufen Selenski und die ukrainischen Nationalisten. Herr Ottinger verkündet diesen uralten Ruf deutscher Militärpfarrer auch bei uns.

Dass eine derart primitive "christliche" Propaganda wieder möglich ist, das ist erbärmlich.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 8. März 2025 - 09:19

Und in den wenigstens Fällen haben den Gläubigen mit ihren Kirchenpolitik wirklich geholfen. Ja, der einzelne Gottesmann vor Ort, der noch das Wort predigte, der mag im Einzelfall geholfen haben, aber die Kirchenoberen, die Kirchenfürsten, die Kirchenoligarchen, die haben nur in Ding gemacht. Geld gescheffelt und Macht generiert. Nur ist ihre Zeit abgelaufen.