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NSA-Skandal - Deutsche und Briten blockieren den Datenschutz

Der jüngste NSA-Skandal um Angela Merkel könnte ein Motor für einen richtigen Datenschutz in Europa sein. Doch daraus wird wohl nichts mehr

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Gut gebrüllt, Löwe, würde man den Europäern gerne zurufen. Zu Beginn des EU-Gipfels in Brüssel am Donnerstag sah es einen Moment lang tatsächlich so aus, als würden Kanzlerin Merkel und die anderen 27 EU-Chefs Konsequenzen aus der Handy-Affäre ziehen. „Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht“ ,rief Merkel der Meute wartender Journalisten zu. Das war der Moment, der große Erwartungen weckte. Doch sie wurden enttäuscht.

Der Löwe hat nicht gebrüllt, er hat bestenfalls genervt mit der Wimper gezuckt. Bewegt hat er sich bisher noch gar nicht. Zwar sollen nun Deutschland und Frankreich mit den USA einen neuen „Kooperationsrahmen“ für die Arbeit der Geheimdienste aushandeln. Doch das ist keine EU-Initiative, sondern eine bilaterale. Sie hat vor allem symbolischen Wert, weil Berlin und Paris außenpolitisch endlich mal wieder an einem Strang ziehen.

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Der praktische Wert hingegen ist bescheiden. Denn wie soll denn ein „Kooperationsrahmen“ aussehen, wenn es um illegale und völkerrechtswidrige Praktiken der US-Geheimdienste geht? Werden Merkel und Hollande künftig die Protokolle ihrer abgehörten Handys vorgelegt? Wird die Bespitzelung von Staatschefs beendet, doch die Aushorchung der EU-Bürger munter fortgesetzt? Konkrete Antworten blieb dieser EU-Gipfel schuldig.

EU arbeitet mit NSA zusammen


Statt Druck auf die USA auszuüben - zum Beispiel mit der Aussetzung der laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen - wurde die Partnerschaft betont. Die EU-Chefs bekennen sich sogar ausdrücklich zur Zusammenarbeit der Geheimdienste. Sie hätten besser daran getan, eine umfassende Reform des wild gewordenen US-Dienstes NSA zu fordern. Denn die NSA hat offenbar nicht mal mehr US-Präsident Obama unter Kontrolle.

Zudem machen sie sich unglaubwürdig, solange sie nicht vor ihrer eigenen Haustür kehren - und den britischen Geheimdienst an die Kette legen. Wenn nicht alles täuscht, bezieht die NSA den Großteil ihrer Daten von den britischen Schlapphüten. Doch auch dazu fiel den EU-Chefs nichts ein. Nur der italienische Premier Letta protestierte. Merkel hingegen sagte, für ein Gespräch mit dem britischen Premier Cameron sei keine Zeit gewesen.

Gewiss, all diese Themen sind heikel, es geht um Staatsräson und Sicherheit. Die EU hat keine eigenen Kompetenzen, die Geheimdienste sind Ländersache. Doch die Bespitzelung betrifft ja nicht nur Merkels Handy, sondern auch die EU-Gebäude in Brüssel und Washington. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Briten den größten belgischen Telekomanbieter angezapft haben - und auf diesem Weg die EU und die Nato aushorchen.

Datenschutz vertagt und verzögert


Dass die EU darauf nicht reagiert, ist unverständlich. Und völlig inakzeptabel ist es, dass die geplante große Reform des Datenschutzes auf die lange Bank geschoben wird. Für den Datenschutz ist die EU nämlich durchaus zuständig, das Europaparlament hat erst am vergangenen Montag einen vorzüglichen Entwurf vorgelegt. Dies hätte eine Steilvorlage für Merkel & Co. sein können. Mit einer schnellen Verabschiedung der Datenschutz-Novelle könnten sie beweisen, dass es ihnen ernst ist.

Doch auch diese Chance wurde verspielt. Weil Briten und Iren bremsen und die Deutschen um ihre angeblich vorbildlichen Standards im Datenschutz fürchten, will die EU erst 2014 entscheiden. Vielleicht, wenn alles gut geht, noch vor der Europawahl im Mai. Vielleicht aber auch erst danach. Umgesetzt würden die neuen Datenschutz-Regeln dann nicht vor 2015. Bis dahin können Google, Facebook & Co. weiter fröhlich mit unseren Daten handeln.

Der Löwe hat gezuckt und ist als Bettvorleger gelandet.

 

 

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