Scholz und Bennett
Naftali Bennett (r.) mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Jerusalem / dpa

Bennetts Reise zu Putin und Scholz - Die Hoffnung stirbt zuletzt

„Wer ein Leben rettet, der rettet die ganze Welt“, lautet ein Grundsatz des Talmuds. Dieses Prinzip plus die politische Alltagsregel, Eigenwerbung zu betreiben, waren ausschlaggebend für die Reise des israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett zu Präsident Putin nach Moskau. Bennett ist nicht nur ein kühler Machtpolitiker, sondern auch ein gläubiger Jude. Auch für ihn gilt das Gebot: Leben hat Vorrang vor allen Gesetzen, auch religiösen.

Autoreninfo

Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

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Selbstverständlich kennt Naftali Bennett die brutale Entschlossenheit von Wladimir Putin, die Ukraine, koste es, was es wolle, auch an Menschenleben, seinem Imperium zu unterwerfen. Genauso gut weiß der Israeli um die eiserne Entschlossenheit der Ukrainer und ihres jüdischstämmigen Präsidenten Selenskyj, die Unabhängigkeit ihres Landes zu verteidigen – und sei es wiederum zum Preis von Menschenleben, Flüchtlingen und Zerstörung. Zudem steckt Israel in einer geopolitischen und strategischen Zwickmühle. Der jüdische Staat ist auf die politische und militärische Unterstützung der USA existenziell angewiesen. Israel konnte die letzten Jahrzehnte nur dank amerikanischer Waffenhilfe überleben. Beispielsweise im Oktoberkrieg von 1973, als Jerusalem am Rande einer militärischen Niederlage stand. Die israelische Armee war dringend auf Waffennachschub aus den USA angewiesen. Die deutsche Regierung unter Kanzler Willy Brandt, der Monate zuvor Israel besucht und dem jüdischen Staat seine Solidarität versichert hatte, untersagte aus nie bekannt gewordenen Gründen im Krieg Überflugrechte für die amerikanischen Transportmaschinen nach Tel Aviv. Schließlich lenkten die Amerikaner ihr Kriegsgerät über die portugiesischen Azoren nach Israel.

Washington vermittelte das israelisch-ägyptische Abkommen von 1979, den ersten israelisch-arabischen Friedensvertrag. Seither erhält Jerusalem eine jährliche Waffenhilfe in Höhe von drei Milliarden Dollar. Kurz, Amerika ist für Zion unverzichtbar. Gleichzeitig ist Jerusalem auf die Kooperation mit Russland angewiesen. Denn Moskau kontrolliert mit seinen Truppen Syrien, von dessen Territorium aus der Iran versucht, Israel mit Raketen zu bedrohen. Putin erlaubt den Israelis stillschweigend, die iranischen Streitkräfte in Syrien zu bekämpfen. In summa, die Abstimmung mit Russland ist für Israel strategisch schier unverzichtbar, die Zusammenarbeit mit den USA existenziell. Daher ist es in Israels außenpolitischem Interesse, sich in einem Konflikt zwischen Russland und den USA möglichst unauffällig durchzumogeln, beziehungsweise dazu beizutragen, diese Auseinandersetzung schnell beizulegen. Entsprechende israelische Versuche waren ebenso vergeblich wie die der Europäer.

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Christa Wallau | Mo., 7. März 2022 - 15:40

Machthaber wie Putin jahrelang vor sich hin werkeln läßt, statt seine Gefährlichkeit rechtzeitig zu erkennen und ihr mit geeigneten Mitteln entgegen zu steuern, trägt Mitschuld an den Folgen. Dummheit schützt vor Strafe nicht!

Wie jeder Einzelne nicht nur für das verantwortlich ist, was er tut, sondern auch für das, was er n i c h t tut, gilt dies genauso für alle westlichen Regierungen.

Ich kann das laute Klagen über die Kriegsgschehnisse und das einhellige Geschrei
"Putin ist an allem schuld!" nicht mehr hören.
Es ist mir einfach zu billig.
Wer einen Funken Verstand besitzt, muß wenigstens jetzt seine ganze Kraft dafür einsetzen, Mittel und Wege zu finden, aus dieser Lage wieder herauszukommen - im eigenen Interesse und dem aller betroffenen Menschen!

Soll das jetzt etwa ein Anflug von Selbstkritik sein? Wohl kaum - im zweiten Teil des Kommentars wird Putins Schuld ja schon wieder relativiert.

Aber kommen wir zurück zur Eingangsfrage: Warum ist die AfD fast schon ständiger Gast im Kreml gewesen? Etwa um mässigend auf den Schlächter einzuwirken?
Wer das glaubt, glaubt auch, Hoecke wäre Demokrat.
Warum haben sich immer wieder AfDler in den schönsten Tönen über Putin geäußert? Warum hat die AfD nicht die "Putin-hilf-uns-Schildchen" bei ihren Demonstrationen verbannt?
Warum gibt es jetzt noch immer angeblich Teile der AfD, die auf Seiten Putins stehen?
Wieso sitzt Herr Frohnmeier - nach russischer Überzeugung "unter Kontrolle" - noch immer im Bundestag?

Nein, Selbstkritik sollte man von der AfD nicht erwarten. Denn tatsächlich ist dort das von der Foristin anderswo reklamierte Schwarz-Weiß-Denken Pflicht. Die Amis, das sind die ewigen Feinde. Die sind schuld an Nazi-Deutschlands Untergang.

Putin, das ist ein Freund...

Christoph Kuhlmann | Mo., 7. März 2022 - 15:58

Ich höre gerade Leonhard Cohen während ich diesen Artikel lese. You want it darker, we kill the Flame. Dieser Zweifel an Gott gebietet mir den Respekt vor denen, die an ihn glauben. Jedenfalls solange sie keine Päderasten decken. Putin hat sich wirklich verzockt. Ein par tausend Menschen lässt er locker für Russlands Phantomschmerz über die Klinge springen. Sein Land it keine Supermacht mehr. Mit 100 Millionen Menschen und dem BIP von Italien geht das nicht mehr. Es reicht nicht einmal für die Herrschaft über Osteuropa. Irritierte Wehrpflichtleistende sollen ein Brudervolk voller Männer erobern, die ihre Familien in Sicherheit bringen und bis zum letzten Atemzug für die Freiheit ihres Volkes kämpfen. Es gibt kein mächtigeres Narrativ auf diesem Planeten. Da helfen auch die grausamsten Waffen nicht. Putin ist nicht mehr rational? Der Mensch als Individuum ist zutiefst irrational und zu allem fähig. Mehr habe ich nicht zu sagen.

Sie benennen die Achillesferse Russlands, zwar riesig, aber ohne entwickelte Gesellschaft und bei dem Agieren vielleicht bald auch ohne tragendes Umfeld.
Der Krieg ist katastrophal und er schafft mehr Probleme, als es zuvor gab, von den entsetzlichen Folgen für die Menschen zu schweigen.
Ich habe derzeit keine Antworten, ich klammere mich auch an Musik fest, immer und immer wieder, "Ich hatte viel Bekümmernis", Bach Kantate 21, in allen möglichen Aufführungen.
Ich glaube an Gott, weiss aber nicht, wie er sich zeigen kann. Versuche es halt jeder auf seine Art.
Die Kantate hilft mir im Ausdruck des Schmerzes und der Verzweiflung und zu der Gewissheit, dass es sich lohnt, das Leben zu feiern, statt es zu zerstören.
Halten Sie ein, Herr Putin.
Bedenken Sie LEBEN, jenseits aller Ideologie und je eigenen Interessen.
Bruderkrieg zerreisst auch die Russen.
Krieg ist immer aus der Zeit gefallen, aber dieser mehr als andere.

Armin Latell | Mo., 7. März 2022 - 17:00

einfach nicht glauben. Unisono bläst Hinz und Kunz ins selbe Horn und immer kommt das gleiche dabei heraus. Warum hört man zur Abwechslung öffentlich nicht wenigstens 1 mal Putins Argumente. Es kann gar nicht sein, dass an solch einer Situation nur 1 Partei Schuld hat. Putin auch noch schlechter als Stalin hinzustellen, hat schon etwas frivoles an sich. Die usa mit ihren Kriegstreibern als Präsidenten will ich gar nicht erst erwähnen.

Sabine Lehmann | Mo., 7. März 2022 - 20:49

Antwort auf von Armin Latell

@A.Latell: Wenn Putin mit Panzern in die Ukraine einfällt, Städte bombardiert, mit Raketen tausende Menschen vertreibt und tötet und quasi den 3.Weltkrieg beginnt, dann hat da auch nur einer schuld: Putin. Natürlich hat im Leben immer alles eine Vorgeschichte, es könnte auch sein, dass Herr Putin einen Hirntumor hat oder einer Geisteskrankheit, die man gemeinhin Größenwahn nennt, Arnheim gefallen ist. Aber sollte d a s irgendetwas entschuldigen oder relativieren? Auch Serienmörder haben eine Vorgeschichte, sind sie deshalb schuldunfähig? Also lassen Sie doch einfach mal die Kirche im Dorf. Manchmal sind Dinge nämlich einfach nur genau das wonach sie auf den ersten Blick aussehen!

Sie blasen tatsächlich auch in das gleiche Horn. Selbstverständlich spielt die Entwicklung zu einer Situation eine entscheidende Rolle. Aber der Weg dorthin hat scheinbar nur einen Benutzer: Putin. Der am. Geheimdienst wusste schon lange von seinem Plan, was hat man daraus gemacht? Die Eskalation noch forciert. Es gab 2021 Manöver mit Nato Soldaten in der Westukraine, was sollte Putin davon halten? Die Türken besetzen Nordzypern, Afrin und Idlib, die USA Afghanistan, zerstören Libyen und den Irak, mischen intensiv, wie auch der Rest der Welt, in Syrien mit, aber nur Putin ist der Böse? Ich verteidige ihn keinesfalls, aber ich empfinde diese Art der Berichterstattung und Kommentierung wie diejenige über Corona-einseitig, von Halb- und Unwahrheiten geprägt. Die Wahrheit stirbt immer zuerst. Ich halte diesen Krieg weder für gut noch gerecht! Trotzdem: dieser Krieg ist definitiv nicht alleine Putins Schuld. Und: WIR WERDEN, SPEZIELL IN BUNTLAND, SEHR SEHR TEUER DAFÜR BEZAHLEN.

und ich stütze Ihre Argumentation.
Es ist einseitig u. billig, sich vor dem Eingeständnis u. der Aufarbeitung eigener Fehlentscheidungen oder auch bloßer Sorglosigkeit im Vorfeld dieses Krieges zu drücken.
Es geht unseren Politikern u. den meisten Medien wieder einmal nicht um Annäherung an die Wahrheit, sondern um ein passendes Narrativ, das jetzt als Antwort auf Putins Angriffskrieg mit heißer Nadel gestrickt wird, und zwar so, daß eigene Versäumnisse darin möglichst überhaupt nicht vorkommen.
Es hilft Ihnen u. mir aber nichts, dies anzumerken; denn viele Deutsche
u. auch die meisten Kommentatoren hier sind bereit, die Monokausalität bei Putin zu verorten, wozu dieser allerdings auch in höchstem Maße beigetragen hat. E r ist der Aggressor, niemand anderer!
Warum aber haben unsere Politiker Putins wachsende Verbitterung u. bösen Absichten nicht gesehen u. entsprechend vorgebaut?
???
Ach ja! Der BND ist ja vollauf damit beschäftigt, die "Rächten" im eigenen Land zu beobachten...

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 7. März 2022 - 21:30

Antwort auf von Armin Latell

negativen Konnotationen der Person Josef Stalins geht, in dem Punkt würde ich ihm aber beipflichten, zumindest sieht es danach aus, als ob Stalin die für Russland klügere Politik gemacht hätte und sich nie überschätzt hätte.
Ich finde den Beitrag sehr lesenswert.

Joachim Kopic | Mo., 7. März 2022 - 22:05

Antwort auf von Armin Latell

... aber regelrecht schwer der politischen Kaste ... und zwar überall auf der Welt! Wenn ich mir die starren Gesichter aller Verantwortlichen ansehe, wird mir eher noch mehr Angst und Bang! Abscheulich finde ich es im Moment auch, dass die USA Polen als "Unschuldigem" die Drecksarbeit machen lassen wollen (Flugzeuge an die Ukraine) und dann ggf. für den Beginn des 3. Weltkriegs verantwortlich erscheinen zu lassen ... warum klingt NATO wie naher Tod... eigentlich sollte ich mich wieder mal aus dem ganzen M... raushalten!

Tomas Poth | Mo., 7. März 2022 - 17:36

Ja die Hoffnung auf Beendigung dieses Krieges ist in aller Welt.
Nur nicht bei den Kontrahenten oder.
Irgendeiner wird bei seinen Zielen nachgeben müssen.
Es hängt für die Russen am Erfolg Kiew, Charkiw und Mariupol einzunehmen und für die Ukrainer daran dies zu verhindern.
So ist meine Einschätzung.
Es kann sich also in die Länge ziehen, je nachdem wer den ersten Schwächeanfall bekommt.

Sabine Lehmann | Mo., 7. März 2022 - 20:55

Klingt banal, scheint mir aber die einzige Lösung. Am besten durch ein Killer-Kommando wie bei Bin Laden. Ich bin mir nicht sicher, aber gibt es denn in der zweiten und dritten Reihe hinter Putin noch eiserne Gefolgsleute, die so weitermachen würden, wenn er tot wäre?

Ernst-Günther Konrad | Di., 8. März 2022 - 07:48

Antwort auf von Sabine Lehmann

Ich kann Ihre emotionalen Aussagen durchaus verstehen. Kein vernunftbegabtes Lebewesen kann Krieg wollen. Da bin ich völlig bei Ihnen und ich lehne jede Form von Krieg ab. Wir alle wissen, dass das nie gut ausgegangen ist. Ich würde Ihnen gerne zustimmen, wenn Sie mir anschließend, nach der Beseitigung Putins einen Weg aufzeigen würden, wie es danach mit wem auch immer in der russ. Führung, friedlich weiter gehen soll. Glauben Sie wirklich, mit Putins Ermordung wäre alles wieder friedlich? Wir alle haben uns Merkel weggewünscht. Nein, nicht gewaltsam oder gar durch Tod. Nun ist sie weg im Ruhestand und hat sich an der Politik wesentliches geändert? Glauben Sie wirklich mit einem anderen Russen an der Spitze Russlands würde sich etwas ändern? Etliche IS-Führer sind inzwischen getötet worden, zum Großteil gezielt. Ist der IS-Terror deswegen besiegt/weg? Es kamen neue Menschenfeinde an die Macht und machen da weiter, wo andere aufgehört haben. Will man Frieden muss man mit Putin reden.

Werter Herr Konrad, Sie haben wohl recht. Wahrscheinlich sind mal wieder die Pferde mit mir durch gegangen als ich das aus dem hohlen Bauch so dahin geschrieben habe. Ich fühle mich angesichts der Bilder aus der Ukraine wirklich ganz schrecklich, das Schicksal der Menschen geht mir sehr nah. Das soll nicht anmaßend sein, denn natürlich bin ich nicht wirklich davon betroffen, sondern die Menschen vor Ort. Ich wünsche mir einfach nichts mehr im Moment, als dass das endlich ein Ende hat. Und deshalb wünsche ich Herrn Putin die Pest an den Hals. Sorry.

Jens Böhme | Di., 8. März 2022 - 10:19

Das Sprichwort sagt aus, dass die Hoffnung sterben wird. Kein hilfreiches Sprichwort. Ausnahmen bestätigen die Regel. Dann wäre 1+1=3 eine Bestätigung von 1+1=2 und richtig.

Gerhard Fiedler | Di., 8. März 2022 - 12:24

Wenn der Streit zwischen Völkern und Gruppen nicht beigelegt werden kann, kommt es zum Krieg, verbunden mit Zerstörung und menschlichem Leid. Immer ist dann die jeweilige Gegenseite daran schuld. Das kennen wir schon. Ob Kriege notwendig sind, gar gerechtfertigt werden können, wäre dann zu fragen. Kriege, die der Verteidigung dienen schon, möchte man meinen. Doch halt, nach Clausewitz ist der Angriff die beste Verteidigung, so wie es derzeit auch Russland sieht. Und so nehmen Kriege ihren Lauf. Dabei gibt es Menschen, die sich nicht wehren wollen und lieber die Unfreiheit dem möglichen Tod vorziehen. Und es gibt jene, die die Welt gerechter machen wollen, Befreiungsbewegungen gründen und mit Terror selbst zu Kriegern werden. Die Oktoberrevolution lässt grüßen. Offensichtlich gehören beim Kampf ums Dasein die Kriege zur DNA der Menschheit. Lieber Herr Seligmann, was hat sich der Schöpfer dabei bloß gedacht?