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Netanjahu und die Wahl - Rutscht Israel nach rechts?

In zwölf Tagen stellt sich der israelische Premier Benjamin Netanjahu einer Neuwahl. Nicht nur seine Rede in Washington, auch sein Flirt mit dem rechten Lager ist umstritten: Er setzt diplomatische Beziehungen aufs Spiel – und damit auch die Zukunft Israels

Für Nancy Pelosi, die Fraktionsvorsitzende der Demokraten im US-Kongress, war seine Rede eine „Beleidigung der Intelligenz der Vereinigten Staaten“. Für Benjamin Netanjahus Erzfeind Barack Obama enthielt sie nichts Neues und die Wähler zu Hause waren auch nicht besonders beeindruckt. Nur jeder vierte Befragte gab an, die Rede in Washington habe Netanjahus Position gestärkt. ZwölfTage vor den Wahlen in Israel ist nichts entschieden – aber schon jetzt ist klar: Es wird eine Schicksalswahl für den Staat der Juden.

Die ersten Umfragen zeigen:  Es war weder ein totaler Fehlschlag, noch war es ein großer Durchbruch. Weniger als zwei Wochen bis zum Urnengang und nach der wohl spektakulärsten Wahlkampfrede in der Geschichte des Landes hat Netanjahu mit seinem Iran-Getöse gerade mal einen potenziellen Knesset-Sitz dazu gewonnen. Seine Likud-Partei würde danach 23 Sitze erringen, seine Hauptgegner im sogenannten Zionistischen Block bleiben bei 24.

Weder das eine noch das andere Lager kann damit alleine eine Regierung bilden. In der Knesset mit 120 Sitzen braucht man für eine Mehrheit eben 61 Sitze und selbst eine große Koalition dieser beiden Lager müsste mehrere andere Partner mit an Bord nehmen – das Dauerübel der israelischen Innenpolitik seit der Staatsgründung. Hier zeichnet sich jedoch schon jetzt eine wichtige Entwicklung ab, die außerhalb des Landes wenig zur Kenntnis genommen wird. Um die Parteienzersplitterung einzudämmen, wurde die Eingangshürde für die Knesset auf 3,25 Prozent der Wählerstimmen angehoben. Das hätte die drei arabischen Parteien chancenlos gelassen.

Auf Brautschau im rechten Lager
 

Nun haben sie sich zu einem Wahlblock zusammengeschlossen. Die jüngsten Umfragen geben den arabischen Israelis 13 Sitze – die drittstärkste Kraft. Das reicht dann immer noch nicht für eine Mehrheit, aber im komplexen Parteiensystem könnten die Araber das Zünglein an der Waage sein – vorausgesetzt, eines der beiden großen Lager traut sich, sie wirklich in die Regierung aufzunehmen.

Benjamin Netanjahu hatte immer nur eines im Sinn: an der Macht zu bleiben. Er wird natürlich alles versuchen, eine Koalition mit den Arabern zu vermeiden, stattdessen auf Brautschau im rechten Lager gehen und dabei auf willige Partner treffen. Er hat dort eine große Auswahl von national-radikalen Siedlern bis zu ultra-orthodoxen Fanatikern. Das ist zumindest im Augenblick das wahrscheinlichste Szenario. Für Israels Position wäre das eine Katastrophe.

Der Siedlerpartei-Superstar Naftali Bennett, Noch-Wirtschaftsminister und scharf auf das Verteidigungsministerium, hat bereits die klare Devise ausgegeben: Nein zum Palästinenserstaat und damit Schluss mit dem Friedensprozess. Sein Plan: Annexion der sogenannten C-Zone mit 60 Prozent des Palästinensergebietes auf der Westbank, was den Palästinensern nur noch einen Rumpfstaat rund um Ramallah belassen würde ­– und damit eine endgültige Lösung des Siedlungsproblems. Bennet: „Selbst wenn die Welt uns unter Druck setzt, werden wir nicht freiwillig Selbstmord begehen“.

Friedensprozess ohne Bereitschaft
 

Die Welt hat lernen müssen, dass sich Israel um solchen Druck wenig schert. Obamas Versuch, im letzten Jahr mit Hilfe seines Außenministers John Kerry den Friedensprozess voran zu bringen, ist kläglich gescheitert – wobei auch die Palästinenser nicht sonderlich friedensbereit waren, die lieber auf internationale Anerkennung setzen und dabei vor allem in Europa zunehmend punkten.

Netanjahus Rede vor dem Kongress in Washington war der ultimative Beweis, dass man sich selbst um die Interessen des wichtigsten Verbündeten nicht kümmert. Friedensnobelpreisträger Barack Obama versucht immer wieder dieser viel zu frühen Auszeichnung gerecht zu werden – nach seinem Scheitern im Friedensprozess nun mit einem Deal, um die iranische Atombombe zu verhindern. Man darf durchaus wie Netanjahu skeptisch sein, ob die Machthaber in Teheran dazu wirklich bereit sind. Man darf jedoch nicht diesen Versuch von vornherein sabotieren. Er kann nicht nur, er muss mit aller Entschlossenheit unternommen werden, um ein atomares Wettrüsten im Mittleren Osten zu verhindern.

Es ist ja nicht nur ein Versuch der USA. Alle fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrates inklusive Russland – Ukraine-Krise hin oder her – machen dabei mit. Auch Deutschland gehört zu den 5-plus-1-Verhandlern. Sie alle hat Netanjahu in einer nie dagewesenen Weise brüskiert.

Beziehungen zwischen Israel und Deutschland verkommen zum Eiertanz
 

Wird Netanjahu wiedergewählt, wird es ihm gelingen, eine Koalition des radikal-rechten Lagers zu formen. Dann wird die internationale Isolierung Israels dramatisch zunehmen, die schon jetzt offensichtlich ist. PLO-Präsident Mahmud Abbas braucht sich dann nur zurückzulehnen und zusehen wie die Weltgemeinschaft, die ihm längst schon einen Beobachterstatus in den Vereinten Nationen eingeräumt hat, seinem Werben um die Anerkennung eines Palästinenserstaates noch weiter folgen wird. Allerdings mit einem entscheidenden Rechenfehler: Es wird ein Palästinenserstaat weitgehend ohne Land sein, wie es eine Netanjahu-Regierung mit einem Verteidigungsminister Bennet durchsetzen will.

Deshalb ist der 17. März für Israel eine Schicksalswahl – mit direkten Auswirkungen auch auf das Verhältnis zu Deutschland. Schon jetzt sind im Politisch-Atmosphärischen die Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem wegen der fehlenden Bereitschaft zum Frieden unterkühlt. Und Angela Merkel, die sich deswegen mit Benjamin Netanjahu am Telefon scharfe Wortgefechte geliefert hat, steht vor einem politischen Kraftakt.

Eigentlich sollte in diesem Jahr das 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gefeiert werden. Würde es wieder Benjamin Netanjahu sein, der dann im Mai mit einem rechten Kabinett nach Berlin käme, dann würde es spannend werden, den verbalen Eiertanz zu beobachten, den Angela Merkel schaffen müsste, um einerseits (im Übrigen zu Recht) die historische Dimension des Erreichten zu würdigen, andererseits den Unmut in angemessene Worte zu fassen, der sich bei einem solchen Wahlsieg des rechten Lagers noch verstärken würde. Vorher aber ist in Israel der Wähler dran: Er muss entscheiden, in welche Richtung der Staat der Juden gehen will. 

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