Grenzzaun zwischen Israel und Syrien
Ohne ständige Wachsamkeit gibt es keinen Frieden: Grenze zwischen Israel und Syrien / picture alliance/dpa | Ilia Yefimovich

Nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 - Israels neue Sicherheitsdoktrin

Der Friedensprozess in Nahost schreitet voran, doch die Sicherheitsdoktrin Israels steht seit dem 7. Oktober 2023 weiter auf dem Prüfstand. Zwischen Trauma, Selbstkritik und strategischer Neuausrichtung sucht der Staat nach einem neuen Weg, seine Existenz zu sichern.

Autoreninfo

Tal Leder lebt als Journalist und Dokumentarfilmer in Israel.

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Seit seiner Staatsgründung im Mai 1948 basiert Israels Sicherheitsdoktrin auf dem Grundsatz, dass das Überleben des jüdischen Staates nur durch ständige Wachsamkeit, militärische Überlegenheit und die Fähigkeit zum schnellen, entschlossenen Gegenschlag gesichert werden kann. Schon sein erster Premierminister David Ben-Gurion formulierte die Leitidee, dass sein Land „den Krieg nicht beginnen, aber ihn beenden“ müsse – eine Doktrin, die durch Jahrzehnte existenzieller Bedrohungen geformt wurde.

Der 7. Oktober 2023 markierte für Israel einen Bruch in seiner sicherheitspolitischen Selbstwahrnehmung – ein Tag, an dem das jahrzehntelang scheinbar so stabile Konzept ins Wanken geriet. Der brutale Hamas-Angriff – bei dem knapp 1200 Israelis abgeschlachtet und über 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden – traf nicht nur die Bevölkerung, sondern auch das Fundament der israelischen Abschreckungsdoktrin, das seit dem Sechstagekrieg von 1967 das Rückgrat der nationalen Verteidigungsstrategie bildete. Diese beruhte auf drei Grundpfeilern: Frühwarnung, Abschreckung und rasche Entscheidungsschlachten auf feindlichem Territorium – Prinzipien, die Israel jahrzehntelang, auch beim präventiven Vorgehen gegen Hisbollah und Iran, erfolgreich anwandte.

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Thomas Veit | Fr., 10. Oktober 2025 - 14:09

"... ein Paradigmenwechsel vollziehen: weg von der Verteidigungslogik hin zur aktiven Strukturierung des Umfelds – in Gaza, im Libanon, in Syrien und vor allem gegenüber dem Iran" + "... von einer passiv-reaktiven zu einer proaktiv-gestaltenden Sicherheitsstrategie ..."

Bedeutet nichts anderes als ein 'proaktiver israelischer Dauerkrieg' gegen seine Nachbarn... ...!? 🤔

>> Also spart euch die Aufbaumittel für Gaza. Lohnt sich nicht - realistisch betrachtet.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 10. Oktober 2025 - 14:35

Ich weiß nicht, wie Israel sich neu aufstellen wird. Diese Waffenruhe ist fragil. Noch sind die Geiseln/Toten nicht zurück. Die Israelis feiern und was tun die Palästinenser? Was wird aus der Hamas? Ist das am Ende die Ruhe vor der nächsten Attacke? Wie soll Israel mit Netanjahu verfahren? Die einen wollen ihn hängen sehen, die anderen fanden sein Handeln richtig. Und wie kommt das alles in beiden Völkern an? Haben die Menschen die Kraft und auch den Mut zu verzeihen, den Frieden zu wollen und auch ihre eigenen Fanatiker im Zaum zu halten? Ja, Israel muss sich neu denken, muss auch die Fehler, die zum Massaker führten aufarbeiten und was dann? Ihren letzten Satz Herr Leder: *Der 7. Oktober 2023 hat die israelische Gesellschaft für die kommenden Jahrzehnte geprägt.“ Den kann ich unterschreiben. Nur wohin führt diese Prägung? Es gibt in den Köpfen und der Herzen der Menschen noch immer die Erinnerung an das Leid und wer kann es aufarbeiten? Nur jeder selbst kann es, sonst keiner.

Thomas Veit | Fr., 10. Oktober 2025 - 14:41

"Der Gedanke, man könne sich auf internationale Garantien oder auf die Stabilität feindlicher Nachbarn verlassen, sei endgültig obsolet."

...angesichts der aktuellen allgemeinen Euphorie über den 'Trump-Friedensplan'... 🤔

Sorry, mein Vorschlag wäre Trump jetzt den Friedensnobelpreis für 2026 zuzusagen, WENN sein Friedensplan bis dahin bestand haben sollte. Absolut!!

Angesichts des Artikels hier von Herrn Tal Leder direkt aus Israel erscheint mir das - Frieden in Gaza länger als ein Jahr - aber extrem unwahrscheinlich.

PS: Ich habe absolut nichts dagegen wenn ich mich irren sollte...!!

Elisa Laubeth | Sa., 11. Oktober 2025 - 09:19

Außerhalb Israels kann sich kaum jemand vorstellen, wie komplex die Lage ist, schon gar nicht irgendwelche, vom hohen Ross herab moralisierende Möchte-gern Diplomat:*innen. Israel hat als einziger demokratischer Staat in der Region eine Sonderstellung. Im Inneren sind die Fliehkräfte groß, es gibt die weltläufigen, eher säkularen Bürger, es gibt aber auch die einflussreichen Ultraorthodoxen. Das auf demokratische Weise auszutarieren ist schon ein Kunststück. Dazu kommt die permanente, existenzielle Bedrohung von Außen.
Es wird viel darauf ankommen, wie sich gerade die Golfstaaten in Zukunft entwickeln und wie sie ihr Verhältnis zu Israel sehen. Dort kommt gerade eine sehr pragmatische, einflussreiche Generation in Machtpositionen, denen die ideologisch aufgeladenen religiösen Konflikte eher fremd sind. Sie arbeiten an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Länder, da kann Israel Partner sein. Wohlstand ist der Garant für Frieden.
Der Iran ist und bleibt jedoch die größte Gefahr.

Elisa Laubeth | Sa., 11. Oktober 2025 - 10:14

Man kann Israel und seinen Bürgern nur gute Wünsche mit auf den Weg geben. Den Wunsch, dass Trump sein Interesse an der Region nicht verliert. Den Wunsch, dass sich weise, integre und pragmatische Politiker in Israel zusammenfinden um die Zukunft des Landes zu gestalten Dass die Herrscher der umliegenden, autokratisch regierten Staaten endlich erkennen, dass ein gedeihliches Miteinander für alle besser wäre.
Leider ist es die Frage, ob sich fanatisierte , gewalttätige muslimische Milizen dem säkularen Ansinnen, Frieden und wirtschaftliche Entwicklung als politisches Ziel anzuerkennen, anschließen könnten. Religiöser Fanatismus ist schwer mit Pragmatismus und Vernunft beizukommen.
Solange Terroristen über Geld verfügen und so ihre halbstaatlichen Strukturen, etwa im Libanon, aufrecht erhalten können, wird es keine Sicherheit und dauerhaften Frieden geben

Alle Akteure im Nahen Osten sind aufgefordert ihrer historischen Verantwortung nachzukommen. Die Gelegenheit ist Jetzt!