
- Die geläuterte Rabaukin
Marine Le Pen fordert seit langem die etablierte Politik Frankreichs heraus, jetzt hat sie sich ein neues Image zugelegt – um nächstes Jahr doch noch Staatspräsidentin zu werden.
Vor zehn Jahren, als sie den rechtsextremen Front National (FN) von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen übernahm, wurde ihr das böse Etikett einer „blonden Bestie“ verpasst. Doch das ist lange her. Heute zähmt Marine Le Pen ihre Auftritte bis zur Selbstaufgabe. Ihre Reibeisenstimme ist weicher, heller geworden, und Madame gibt sich bemerkenswert menschlich. Das entscheidende – und verpatzte – Wahlkampfduell gegen Emmanuel Macron im Jahr 2017 habe sie „stärker“ gemacht, sagte sie. „Man wird besser, wenn man gelitten hat, gestürzt ist und sich Vorwürfe macht, weil man enttäuscht hat.“
Immerhin: Sie glaubt, nun besser zu sein. Im warmen Licht einer Salonlampe erzählte Le Pen dem Interviewer der rechten Zeitschrift Valeurs Actuelles, wie sie allein drei Kinder und zwei Katzen aufzog. Wie sie den FN in die Light-Version des Rassemblement National (RN) verwandelte. Und dass sie nicht mehr aus der EU austreten will.
Ihr wahres Gesicht
Im Mai schrieb die einstige Rabaukin der französischen Politik an die Präfekten, jene uniformierten Stützen der Pariser Zentralmacht im weiten Land. Mit weihevollen Worten beklagte sich Le Pen über Macrons Ankündigung, die Eliteverwaltungsschule ENA aufzulösen – als wäre er der Staatsfeind, und sie die Hüterin der Institution.
Nur einmal in jüngster Zeit fiel der republikanische Firnis von der RN-Chefin ab: Spontan applaudierte sie mehreren pensionierten Generälen aus der rechtsnationalen Ecke, die militärische Staatsstreich-Fantasien wegen „Banlieue-Horden“ hegten – und das genau zum 60. Jahrestag eines Putschversuchs im Algerienkrieg. Da zeigte sich, welchen Wählern Marine Le Pen wirklich nahesteht: nicht den armen Schluckern, Arbeitslosen und Gelbwesten, wie sie behauptet. Sondern den rechtsextremen Nostalgikern der Algérie française in Südfrankreich.