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Leihmutterschaft - Weg mit dem Tabu!

Weltweit suchen Paare nach Alternativen zum traditionellen Kinderkriegen. Die Politik kann sich dem Fortschritt auf lange Sicht nicht verschließen. Darum ist es notwendig, die Leihmutterschaft zu legalisieren. Eine Replik auf Alexander Kisslers Konter "Verbietet die Leihmutterschaft"

Autoreninfo

Sonja Steffen, 50, ist Fachanwältin für Familienrecht und seit 2009 SPD-Abgeordnete des Deutschen Bundestages. In der Debatte um Leihmütter vertritt sie eine pragmatische und liberale Linie. Den konservativen Ansatz, medizinischen Fortschritt mit dem Strafrecht einzudämmen, führe nicht zum Erfolg und sei deshalb unsinnig.

So erreichen Sie Sonja Steffen:

Die Welt der Konservativen ist die Welt der traditionellen Werte, der guten Moral und der richtigen Ordnung. Was in diese Welt nicht hinein gehört, wird ausgeblendet, schlicht verboten. Es existiert nicht. Deswegen geraten die Konservativen so oft in den Konflikt mit der Moderne.

Moderne heißt beschleunigter Dauerwandel. Alles ändert sich. Die Politik ist gefordert, den Fortschritt zu begleiten, eine entschleunigte Ordnung zu erstellen und sich dabei pragmatisch zu verhalten. Und nicht endgültig zu entscheiden, sondern sich vorzutasten in die neue technisch und technologisch geschaffene Welt.

In einer globalisierten Welt funktioniert es nicht, den Fortschritt einfach zu ignorieren. Das gilt selbstverständlich auch für die Reproduktionsmedizin und ihre vielen Möglichkeiten, neues Leben in die Welt zu setzen. Eine davon ist, mit Hilfe einer Leihmutter ein Kind zu bekommen.

Die Nachfrage dürfte groß sein
 

Diese Möglichkeit der Familiengründung gab es schon vor der Jahrtausendwende, doch erst jetzt hat sie Hochkonjunktur. In den USA schätzt man die Zahl der Leihmütter auf mehrere tausend. Aus Indien wird berichtet, die „Branche“ setze jährlich eine halbe Milliarde Dollar um. Aus Osteuropa sind keine Zahlen bekannt, die Nachfrage dürfte jedoch groß sein.

Frauenärzte schätzen, dass jedes 10. Paar in Deutschland unfreiwillig kinderlos bleibt. Adoptionen sind aufwändig und gelingen selten. Der Bedarf nach Leihmüttern ist vermutlich sehr groß. Auch unter den Lebenspartnerschaften. Prominentestes Beispiel ist Elton John. Er hat, gemeinsam mit seinem Partner, bereits zwei Söhne von Leihmüttern austragen lassen. Die Ukraine scheidet für homosexuelle Paare, die sich an eine Leihmutter wenden wollen, aus. Außerdem gibt es immer noch kein adäquates Adoptionsgesetz, das ihnen eine gemeinsame Adoption von Kindern aus einer Leihmutterschaft erlaubt.

In Deutschland ist die Leihmutterschaft verboten und deren Vermittlung sogar strafbewehrt. Was nicht heißt, dass es dieses Phänomen hier nicht gibt. Es findet nur im Dunkeln statt. Dort, wo es keine Regeln gibt und auch keine Sicherheit. Weder für das neugeborene Kind, noch für die Leihmutter und auch nicht für die Eltern.

Viele Paare weichen deshalb ins Ausland aus und sind dann überrascht, dass das Neugeborene keinen deutschen Pass bekommt, nicht einmal nach Deutschland einreisen kann. Und zwar auch dann nicht, wenn das Kind von Vater und Mutter abstammt. Das hilft nämlich nicht, weil nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Mutter eines Kindes nur die Frau ist, die es geboren hat. Die Folgen sind oft rechtliche Dramen um die Einbürgerung der Kinder. Dramen, die Jahre dauern und allen neuen Eltern das klare Signal geben: Verschweigt die Leihmutterschaft, das Recht ist gegen Euch. Es wäre ein fatales Signal, die Strafbarkeit der Leihmutterschaft – wie von einigen konservativen Politikern gefordert – sogar noch zu verschärfen.

Einbürgerungsverfahren müssen liberalisiert werden
 

Der australische Fall ‚Gammy’ zeigt vielmehr, wie wichtig es ist, die Leihmutterschaft aus der Illegalität herauszuholen. Für werdendes Leben kann es nur den größtmöglichen Schutz geben. Auch dann, wenn dieses Leben auf eine Weise entstanden ist, die mit unserer Wertewelt nicht übereinstimmt.

Deswegen ist es wichtig und notwendig, die Einbürgerungsverfahren für Kinder von Leihmüttern zu liberalisieren. Aber das ist nur ein erster Schritt. Wichtiger ist, die Leihmutterschaft zu legalisieren. Weil nur dann Sicherheit und Schutz gewährt werden kann. Kalifornien etwa und man staune, auch Großbritannien und Griechenland sind Vorbilder: mit rechtlich klaren Verfahren vor Gerichten.

Die deutsche Rechtsordnung hat sich eindeutig festgelegt: Leihmutterschaft ist verboten. Und damit nicht existent. Das ist die Welt der Konservativen. Doch die Moderne ist unermüdlich dabei, die Welt zu verändern. Auch in der Reproduktionsmedizin. Der peak in der Konjunktur der Leihmütter ist noch lange nicht erreicht. Es wäre fahrlässig und töricht, dieses sensible Feld ohne rechtlichen Schutz zu lassen.

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