Donald Trump im Weißen haus in Washington, 16.04.2025 / picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Kulturkampf in den USA - Donald Trump als revoltierender Cäsar

Die Präsidentschaft Donald Trumps kann man als cäsaristischen Aufstand verstehen: gegen die neuen moralischen Puritaner und eine hyperliberale Herrschaft der Richter. Solch einen Kulturkampf gab es vor 380 Jahren schon einmal in England.

Portraet Ronald G. Asch

Autoreninfo

Ronald G. Asch hatte den Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Freiburg inne

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Als 1642 in England der Bürgerkrieg zwischen Karl I. und seinen Anhängern einerseits und dem Parlament (genau genommen der Mehrheit der Abgeordneten des Unterhauses und einer überschaubaren Zahl von Mitgliedern des Oberhauses) andererseits ausbrach, war dieser Krieg weitaus mehr als nur ein politischer Konflikt. Es handelte sich um einen Kulturkampf mit Zügen eines Religionskrieges. Auf der einen Seite standen strenggläubige Calvinisten, inspiriert von einem unerschütterlichen puritanischen Sendungsbewusstsein, auf der anderen Seite teils Protagonisten eines Frömmigkeitsideals, das seine Wurzeln in den Traditionen der vorreformatorischen Kirche besaß, teils aber auch Männer, denen die puritanische Sittenstrenge per se zuwider war. 

Diese Männer hatten, namentlich dann, wenn sie zur sozialen Elite gehörten, Freude daran, die gottesfürchtigen Moralapostel, die auf der anderen Seite den Ton angaben, durch ihr unsittliches Verhalten maximal zu provozieren. Ein royalistischer Geistlicher bemerkte selbstkritisch über den Konflikt, er sei eine Auseinandersetzung zwischen den Pharisäern und Schriftgelehrten auf der Seite des Parlaments und den Zöllnern und Sündern auf der Seite des Königs. Oder mit anderen Worten: ein Kampf zwischen Heuchelei und Verlogenheit einerseits und Sittenlosigkeit, Grobianismus und blasphemischer Verachtung christlicher Moralvorstellung andererseits. Sind wir heute von einer ähnlichen Auseinandersetzung sehr weit entfernt? In den USA offenbar nicht.

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Christoph Kuhlmann | So., 27. April 2025 - 17:21

Wie ist die Demokratie entstanden? Sie entstand immer dann, wenn sich viele relativ Gleiche koordinieren mussten. Gleich in Bezug auf ihren individuellen Zugang zu den Mitteln der Macht, Produktion oder anderen Zugang zu Lebensmitteln und Zugang zu den Waffen ihrer Zeit. Von den Truppen Athens bis zum germanischen Thing, waren an der Demokratie ausschließlich bewaffnete Männer beteiligt, welche die Existenz des Gemeinwesens sicher stellten. Die Alternative hieß Tyrannis oder Feudalismus. Mit der funktionalen Differenzierung heutiger Gesellschaften und dem Postulat der Menschrechte wurden die Voraussetzungen geschaffen, den Zusammenhang zwischen Bürgerrechten und Bürgerpflichten zu negieren. Ein wie immer gearteter positiver Beitrag zum Gemeinwesen war keine Bedingung mehr. Die Kollektivgüter des Wohlfahrtsstaates werden global bedingungslos sozialisiert. Eine strukturelle Kopplung mehrerer Funktionssysteme, die sich gegenseitig limitieren. Die Moderne stößt an ihre Grenzen.

Karl-Heinz Weiß | So., 27. April 2025 - 18:15

"In den USA ist das politische Zentrum gänzlich erodiert ": warum wird daraus vom Autor der Wählerwunsch abgeleitet, eine Cäsarenherrschaft zu installieren? Ist es nicht naheliegender, den Grund in einem abgrundtiefen Versagen der US-Demokraten zu sehen ? Dem Klüngel um Clinton, Obama und Pelosi war es angenehmer, einen gesundheitlich angeschlagenen Kandidaten zu nominieren, als ab 2020 einen Gegenkandidaten aufzubauen. Das erinnert an die CDU von 2021, die dem 15%-Kandidaten Scholz einen 25%-Wahlsieg ermöglichte. Wenn die Wählerschaft "das kleinere Übel" wählt, sollte man daraus keinen Kulturbruch konstruieren.

Christoph Schnörr | So., 27. April 2025 - 20:15

lesenswerter Beitrag. "Dies ist ein Schicksal, das uns hier in Europa auch durchaus noch treffen könnte, auch wenn die meisten unserer Politiker das wohl nicht wirklich verstehen wollen." Ich empfehle die Wiedervorlage dieses Beitrags spätestens 2029.

Frank Irle | Mo., 28. April 2025 - 08:38

Auch hierzulande erleben wir, wenn es nach den Regierungen und ihren Medien geht, seit ca. 2009 einen Quasi-Ausnahmezustand nach dem anderen.

Griechenland, Flüchtlinge, Brexit, Trump, Klimawandel, Russland usw. - alles, was passiert, muss als Rechtfertigung für unpopuläre bis dubiose Entscheidungen herhalten.

Dass Trump ähnlich handelt, wundert mich nicht, und auch von der AfD erwarte ich keine bessere Herangehensweise.