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Joe Biden und Kamala Harris treten gemeinsam gegen Donald Trump an / dpa

Kamala Harris wird Joe Bidens Vize - Ein bisschen historisch

Dass Joe Biden gemeinsam mit der Senatorin Kamala Harris gegen Donald Trump antritt, ist einerseits eine historische Entscheidung. Auf der anderen Seite dürfte er mit der gemäßigten Demokratin das linke Lager der Partei nicht unbedingt begeistern.

Marko Northe

Autoreninfo

Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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Wen ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat zu seinem Running Mate ernennt, stößt normalerweise auf eher geringes Interesse. Doch in diesem Jahr ist das, wie so vieles, anders. Denn Joe Biden, der Kandidat der Demokraten, wird im November 78. Eine zweite Amtszeit wird es für ihn, falls er die Wahl gewinnt, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben.

Die Vizepräsidentin könnte sich für die Präsidentschaftswahl 2024 also schon mal in Stellung bringen. Auch Biden selbst war bereits unter Barack Obama acht Jahre lang Vize und verdankt seinem Amt einen großen Teil seiner Popularität. Schon länger wurde also mit Spannung erwartet, wen Biden zu seinem Vize ernennt. Dass es eine Frau werden würde, hatte er bereits klargestellt. Am Dienstagabend gab Biden dann bekannt: Kamala Harris wird mit ihm bei der US-Wahl antreten.

Historisch und konventionell

Harris, die 1964 in Oakland, Kalifornien geboren wurde, hatte sich selbst um die Präsidentschaftskandidatur beworben, gab aber bereits im Dezember letzten Jahres auf. Seit vier Jahren ist sie Senatorin für den Bundesstaat Kalifornien, wo sie zuvor Justizministerin war. Im kalifornischen San Francisco hatte sie ab 2004 lange Zeit als Bezirksstaatsanwältin gearbeitet.

US-amerikanische Medien wie die Washington Post und die New York Times bewerten die Entscheidung für Harris einerseits als historisch, da Harris nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Schwarze Vizepräsidentin wäre, sollten Biden und sie die Wahl gewinnen. Auf der anderen Seite sei Harris auch eine sichere und konventionelle Wahl, mit der Biden möglichst wenig anecken dürfte.

Kein Angebot für die Linke

Zwar wird es als geschickter Schachzug gewertet, dass Biden nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd in Polizeigewahrsam eine Schwarze als Vize ernennt, jedoch gehört Harris wie der Präsidentschaftskandidat selbst zu den moderaten Demokraten. Den progressiven und eher linken Parteianhängern macht Biden mit seiner Entscheidung kein Angebot.

Harris gilt als Law-and-Order-Vertreterin. In ihrer Zeit als Bezirksstaatsanwältin rühmte sie sich dafür, dass die Zahl der Anklagen und Verurteilungen unter ihr angestiegen war. Auch mit Kritik an der Polizei hält sie sich eher zurück.

Übergibt Biden sogleich die Macht?

Zwei große Vorteile hat Harris gegenüber Biden allerdings: Sie ist mit 55 Jahren bedeutend jünger und könnte sich während Bidens Amtszeit profilieren und danach selbst als US-Präsidentin kandidieren - oder den 78-Jährigen schon vor 2024 ablösen und mit Amtsbonus in die nächste Wahl gehen. Zudem gilt Harris als starke Rednerin, die viele Wähler motivieren dürfte, während Biden auch aufgrund seines Alters inzwischen etwas hölzern wirkt.

Donald Trump startete sogleich nach Bekanntgabe der Personalie Angriffe auf Harris. Auf Twitter veröffentlichte der US-Präsident ein Video über Harris und Biden, in dem davor gewarnt wurde, dass Biden als „transition candidate“ die Macht sogleich an Harris übergeben werde, die ihn wiederum während des Vorwahlkampfs hart angegriffen habe. Harris wird in dem Video als „phony Kamala“ bezeichnet, also als Schwindlerin, und als „nasty“ (fies). Harris wiederum hatte in der Vergangenheit Trump als Rassisten bezeichnet.

Trump spendete für Harris

Als Ironie des Schicksals kann man da wohl bezeichnen, dass Trump Harris 2011 und 2013 insgesamt 6.000 Dollar für den Wahlkampf der damaligen kalifornischen Justizministerin spendete. Nun twittert der US-Präsident, von einer Gegnerin wie Harris könne man nur träumen, denn sie sei im Vorwahlkampf stark gestartet und dann schwach und mit „null Unterstützung“ vor dem Wettbewerb geflohen. 

In der demokratischen Partei wurde die Entscheidung insgesamt erleichtert aufgenommen, auch weil sie sich lange hingezogen hatte. Mit Harris geht Biden das geringste Risiko ein und erhöht seine Chancen bei schwarzen Wählern. Einfacher dürfte es für Trump zumindest nicht werden.

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Christa Wallau | Mi., 12. August 2020 - 16:18

noch ungewisser als beim letzten Mal.
Bis dahin kann nämlich im Einzelnen noch viel geschehen, was großen Einfluß auf die Entscheidung der Wähler ausübt.

Aber: Ganz egal, wie der nächste Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika heißen wird:
Das "America first" werden sich die Menschen in den USA nicht mehr nehmen lassen. Sie verlangen
von ihrem Präsidenten, daß er i h r e Interessen vertritt, d. h. die Wirtschaft im Lande stärkt
(wie auch immer), damit möglichst alle Amerikaner in Lohn und Brot sein können.
Im "land of the free" geht es in erster Linie um
Chancen für alle, nicht um staatliche Fürsorge.
Es gehört zum Selbstverständnis der meisten Menschen dort, daß man sich möglicht selbst
ernährt, wenn man ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft sein will. Daher verachten u.a. auch manche Weißen die Schwarzen, weil sie deren Fatalismus u. mangelnde Verantwortungsbereitschaft (z. B. für die Familie)
verurteilen.
Für uns Deutsche wird sich auch Biden kein Bein ausreißen.

Die Schwarzen sind also fatalistisch und scheuen Verantwortung (z. B. für die Familie). Da ist die Hobby-Ethnologin wohl wieder mit Ihnen durchgegangen. Vor 80 Jahren wären Sie mit solchen Weisheiten eine Koryphäe an einem rassenideologischen Institut in der Reichshauptstadt gewesen. Zum Glück haben Leute wie Sie heute nichts mehr zu melden in diesem Land!
Zu "America first": Es gibt sehr unterschiedliche Ansätze, amerikanische Interessen zu verfolgen. Trumps Methode scheint derzeit nicht mehrheitsfähig, auch nicht unter den Bedingungen des Mehrheitswahlrechts. 6ü% der Amerikaner sind offenbar der Ansicht, dass diese Präsidentschaft vor allem "Trump first" war und hat genug von Spaltung, Nepotismus und Korruption.
Er wird alle Register ziehen müssen, um eine Wahlniederlage zu umgehen. Tut er ja auch:

https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/07/15/how-trumps-war-posta…

stimme ihnen zu. Nur noch eine kleine Anmerkung: "Amerika first" war schon immer da nur eleganter verpackt. Außerdem hatte die USA keinen Grund sich zu beklagen sind wir doch und der "Westen" immer den "Wünschen" (Befehlen) wie dressierte Tanzbärchen am Nasenring gefolgt. Die Eleganz wurde schnell beiseite gelegt als der abtrünnige Schröder und die Franzosen nicht mehr bedingungslos folgen wollten. Nur zum Verständnis, ich liebe eigentlich die USA mit all ihren Eigenarten und es ist Sache der US Bürger wen sie wählen und wie sie ihr Land gestalten, aber noch mehr liebe ich unser Land und Europa und es ist Sache der Europäer wie sie ihre Gemeinschaft und die Zukunft gestalten. Das haben die USA ebenfalls zu respektieren egal wer regiert.

Sehr geehrte Frau Wallau, ihre Einschätzung der Lage zur Wahl des nächsten Präsidenten der USA und auf die jeweiligen Aussichten, sind mit meinen Wahrnehmungen identisch.
Prägnant und treffend, eben wie von Ihnen gewohnt.
Mit freundlichem Gruß,
W.Schuckmann

Maria Arenz | Mi., 12. August 2020 - 16:29

Schade, daß das politische Klima drüben durch BLM etc. inzwischen so vergiftet ist, daß sogar eine hochqualifizierte Frau Harris es im Vorwahlkampf gegen Biden für angezeigt hielt, "auf diskriminiertes PoC-Mädchen" zu machen, indem sie ihm "Rassimus" vorwarf. Der soll darin bestanden haben, daß er in den 60er Jahren Stellung gegen "bussing" bezogen hat (gegen das man schon aus reiner Kinderfreundlichkeit was haben konnte : das Ergebnis des Wahnsinns war nämlich , daß schwarze Kinder in weißen Schulen gemobbt wurden und weiße Kinder in schwarzen Schulen- plus endlos lange Fahrzeiten für den Schulweg). Harris' Eltern- Stanford-Professor und Krebsspezialistin- waren sicher nicht auf "bussing" angewiesen, um ihr eine angemessene Bildung zuteil werden zu lassen und die "richtigen" Afroamerikaner, die auf die Verbesserung ihrer Bildungschancen immer noch warten, dürften sich geradezu verhöhnt fühlen, wenn jemand wie Harris jetzt auf diesem Ticket reitet .

Klaus Funke | Mi., 12. August 2020 - 19:05

Symbolpolitik! Davon verschwindet der Alltagsrassismus in den USA keineswegs. Vielleicht von Obama eingefädelt: Biden tritt nach 2 Jahren weg. Da ist er 80. Dann: Frau Harris for president! Die erste Farbige! Tolle Botschaft. Aber eben nur eine Botschaft. Die USA werden davon nicht gesund.

manfred westphal | Mi., 12. August 2020 - 20:38

das nun auch der CICERO Frau Harris als Schwarze benennt finde ich unangemessen, allenfalls könnte man von einer Farbigen sprechen. Warum muss das überhaupt so herausgestellt werden ?
Leider findet man in anderen Medien die Benennung der Frau Harris als >Afroamerikanerin<.
Fähige Frau...sagt doch alles!

Kai-Oliver Hügle | Do., 13. August 2020 - 08:26

Auch wenn es innerhalb der Bewegung Auswüchse gibt, Sie wissen, dass BLM eine Reaktion auf Vorgänge war/ist, die mit (rassistisch motivierter) Polizeigewalt zu tun hat? Sollte man vielleicht erwähnen, damit man die Ursachen der Spaltung nicht durcheinander bringt.
Ich glaube, Sie wissen sehr wenig über die Lebenswirklichkeit von Menschen, die in den späten 60ern/Anfang der 70er n den USA aufgewachsen sind. Sonst hätten Sie sich diese verächtliche Formulierung über "PoC-Mädchen" gespart. Der durchschnittliche white supremacist unterscheidet übrigens nicht zwischen jemandem wie Harris und dem, was Sie "richtige Afro-Amerikaner" nennen.

Ernst-Günther Konrad | Do., 13. August 2020 - 16:56

Was Sie da scheiben, las ich auch so ähnlich im FOCUS und anderen Medien. Ich kann das so nicht beurteilen. Nur eines liegt klar auf der Hand. Frau Harris soll als Türöffnerin in die nicht weiße Bevölkerung dienen. Letztlich ein legitimes Mittel, auch wenn es offen durchschaubar ist. Mögen die Amerikaner bei den Wahlen entscheiden, wen und was sie wollen. Nur eines steht für mich ganz persönlich fest. Trump wird es machen und wenn nicht, wird auch ein Biden sein Verhalten gegenüber der EU und DE inhaltlich nicht groß verändern. Vielleicht wird er nicht mehr poltern und twittern, wenn er sich dann noch erinnern kann. Wenn unsere Medien anfangen, jemand zu demontieren, bin ich besonders wachsam. Sollte sie es werden, äußere ich mich zu ihr dann, wenn sie im Amt ist. Nicht danach, wie sie aussieht, sondern danach, welche Politik sie mitgestaltet. Alles Gute für Sie.