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Kämpfe im Irak - Iran ist Teil des Problems, nicht der Lösung

Teheran ist mitverantwortlich für den Aufstieg der Isis. Wenn das Mullah-Regime nun zum Partner im Kampf gegen den Terrorismus werden will, dann muss es auf seine Verbündeten im Irak und in Syrien einwirken

Guido Steinberg

Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

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Der Schock über den erstaunlichen Vormarsch des Islamischen Staates im Irak und Syrien (Isis) bis in die Millionenstadt Mossul sitzt noch tief. Der Westen stellt sich die Frage, wie der Gruppe beizukommen sei. Dabei empfiehlt sich ein Blick auf die Lehren der Terrorismusbekämpfung in Europa in den letzten vier Jahrzehnten. Dort gilt es fast als Glaubenssatz, dass man Terroristen am effektivsten bekämpft, wenn man sie von ihren Sympathisanten isoliert. So verhindert ein betroffener Staat, dass neue Rekruten gewonnen werden können und begrenzt die finanzielle und logistische Unterstützung aus dem Umfeld, bis die jeweilige Gruppierung – die gleichzeitig  polizeilich und nachrichtendienstlich verfolgt wird – in sich zusammenbricht.

Die erste Grundregel einer solchen Terrorismusbekämpfung ist es, auf Überreaktionen zu verzichten, die die Sympathisanten in den Untergrund treiben könnten. Eine weitergehende Vorgehensweise bietet sich vor allem an, wenn eine Terrororganisation viele Unterstützer hat: zu prüfen, inwieweit deren politische Forderungen tatsächlich auf Missstände hinweisen, die abzustellen sind. Übersetzt man diese Regel auf die Situation im Irak und Syrien, wird deutlich, dass es nicht genügen wird, militärisch gegen Isis vorzugehen. Es sind vielmehr auch politische Weichenstellungen notwendig. Denn die Erfolge der Dschihadisten sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung des West- und Nordwestiraks die Zentralregierung ablehnt. Zwar sind die Sympathien für Isis begrenzt, doch ist der Hass auf den Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und die von ihm geführte schiitisch dominierte Regierung noch größer als die Furcht vor den Jihadisten.

Maliki muss die Sunniten an der Macht beteiligen


Dies ist das Ergebnis der Politik Malikis, der seit Jahren die meist sunnitischen und säkularistischen Vertreter des Westens und Nordwestens von der Macht fernhält und seit 2012 unter fadenscheinigen Begründungen sogar verfolgen lässt. Ohne eine konziliantere Politik gegenüber den sunnitischen und säkularistischen Parteien wird die Bevölkerung des West- und Nordwestirak nicht für den irakischen Staat zurückzugewinnen sein. Und nicht von ungefähr hat die Obama-Administration die Hilfe für den Kampf gegen Isis davon abhängig gemacht, dass der Schiit Maliki den Sunniten Teilhabe am politischen Leben des Irak zugesteht.

Auch in Syrien geht der Aufstieg von Isis auf die Politik des Präsidenten Baschar al-Assad zurück. Dieser war im Frühjahr 2011 friedlichen Protesten mit immer brutalerer Repression begegnet. Als die Demonstranten sich zu wehren begannen, entwickelte sich schnell ein Bürgerkrieg, dem im Juni 2014 mindestens 160.000 Menschen zum Opfer gefallen waren. Viele der auch in Syrien von Sunniten gestellten Aufständischen schlossen sich den seit 2012 offen auftretenden jihadistischen Gruppen an, die ihnen die einzige Chance zu bieten schienen, Assad zu stürzen.

Für die Dschihadisten sprach nicht nur, dass sie militärisch besonders stark, sondern auch, dass sie gut  finanziert waren und ihren Kämpfern ein bescheidenes Gehalt zahlen konnten. Dies galt zunächst für den Isis-Ableger Nusra, bevor im April 2013 Isis selbst in Syrien auftrat. Assad ging aber noch weiter als Maliki, als er 2011 zahlreiche inhaftierte Dschihadisten freiließ, so dass sie sich den Aufständischen anschließen konnten. So hoffte er, seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen, dass es sich bei den Demonstranten um nichts anderes als Terroristen handele. Die einzige Chance, die Isis-Jihadisten in Syrien von ihrem Sympathisantenumfeld zu isolieren, wird ein Ende des Assad'schen Vernichtungskrieges gegen sein eigenes Volk sein.

Diese Perspektive auf die Bekämpfung von Isis macht außerdem deutlich, dass Iran ein Teil des Problems und nicht der Lösung ist. Maliki ist ein enger Verbündeter Irans und wurde schon 2010 nur Ministerpräsident, weil Teheran dem zugestimmt hatte. Vieles spricht dafür, dass seine antisunnitische Politik vom Mullah-Regime nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt wird und Iran damit für den Aufstieg von Isis mitverantwortlich ist. Noch deutlicher wird die Schuld Teherans am Beispiel Syriens.

Iran ist der wichtigste Verbündete Assads. Ohne die militärische und finanzielle Hilfe Teherans hätte sich der Massenmörder in Damaskus nicht halten können. Wenn Teheran nun also ein Partner in der Terrorismusbekämpfung werden will, darf es das nur werden, wenn es auf die große politische Linie seiner Verbündeten einwirkt. Die iranische Führung muss Maliki überzeugen, auf die Sunniten zuzugehen. Sie muss Assad zudem zwingen, die Macht an eine neue Regierung, an der auch die Opposition beteiligt ist, abzugeben. All diese Schritte wären notwendig, um Isis von seinen Sympathisanten zu isolieren und die Grundlage für eine erfolgreiche Bekämpfung zu legen.

Gespräche mit Teheran zu diesem Thema sind auch durchaus sinnvoll. Aber es spricht wenig dafür, dass Iran trotz seiner großen Furcht vor Isis zu einer solch weitreichenden Politikänderung bereit wäre. Vielmehr möchte es Unterstützung für ein rein repressives Vorgehen gegen Isis, um auf diese Weise auch seine Verbündeten im Irak und Syrien zu retten. Zu einer Lösung der zugrundeliegenden politischen Probleme würde eine solche Politik nicht beitragen.

Luftschläge ersetzen keine längerfristige Strategie


Diese Diagnose stellt auch die westliche Terrorismusbekämpfung vor ein Dilemma. Arbeitet sie eng mit Teheran und Bagdad zusammen – und sucht sogar den Kontakt zu Assad – könnte sie die unmittelbare Bedrohung durch Isis zwar mindern, würde dabei aber die Konflikte im Irak und Syrien noch befeuern. Verweigert sie aber die Kooperation mit diesen Gegnern von Isis und wartet ab, besteht die Gefahr, dass die Organisation weiter erstarkt und nach dem Vorbild von al-Qaida zu einer direkten Bedrohung für die USA und Europa wird. In der aktuellen Krise scheint die Obama-Administration sich entschieden zu haben, zunächst eine Teillösung anzustreben, indem sie Druck auf Maliki ausübt, damit er seine Politik ändert.

Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Ministerpräsident Zugeständnisse macht. Doch es zeichnet sich eher ab, dass er auf eine militärische Lösung setzt. Ob dies gelingen kann, wenn große Teile der Bevölkerung im Westen und Nordwesten der Regierung feindselig gegenüberstehen, ist höchst ungewiss. Für den Fall, dass sich die Lage weiter verschlechtert, dürften die USA einen Plan B haben: Gezielte Luftschläge gegen Führungspersönlichkeiten, Einheiten, Trainingslager und andere Einrichtungen von Isis im Irak. Eine solche Vorgehensweise hätte den Vorteil, dass die USA nicht auf die offene Zusammenarbeit mit der in der Bevölkerung verhassten Regierung Maliki angewiesen wären. Zwar können solche Angriffe eine längerfristige politische und militärische Strategie nicht ersetzen, doch könnten sie helfen, Zeit zu gewinnen, in der Isis nicht zur noch größeren Gefahr für den Irak, Syrien, die Nachbarn und den Westen werden kann. Im Idealfall würden sie dazu führen, dass Isis ganz so wie al-Qaida in Pakistan durch die hohen Verluste an Personal massiv geschwächt würde und nicht mehr in der Lage wäre, die Nachbarstaaten und den Westen zu bedrohen.

 

 

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