Illustration Landkarte mit Symbolen der Arabischen Welt
„Mit dem Syrien-Krieg ebnete der Westen den Dschihadisten den Weg zu einem Machtgebiet im Osten des Landes“ / Simon Prades

Islamische Welt - Der Untergang des Morgenlandes

Die arabisch-islamische Welt ist ein einziges Krisengebiet: Kriege, Korruption, Staatsversagen und religiöser Fanatismus prägen fast die gesamte Region. Doch an vielen Missständen hat der Westen seinen Anteil. Mit Unkenntnis und Doppelmoral heizen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten das tödliche Feuer immer weiter an

Porträt Michael Lüders

Autoreninfo

Michael Lüders ist einer der profiliertesten deutschen Nahostexperten. Der promovierte Islamwissenschaftler war viele Jahre Redakteur bei der Zeit und ist heute freier Publizist und Politikberater. Lüders, geboren 1959 in Bremen, hat zahlreiche Bücher über den Nahen Osten verfasst, zuletzt „Armageddon im Orient“ (C. H. Beck, München 2018)

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Die arabisch-islamische Welt stellt mittlerweile einen nahezu durchgehenden Krisenbogen dar, heimgesucht von Kriegen, Staatszerfall, Stagnation und Gewalt. Sichtbarstes Zeichen dieses Niedergangs ist der Terror, verkörpert etwa von Al Qaida oder dem „Islamischen Staat“. Ist nun die Religion, der Islam, ursächlich dafür verantwortlich, wie weite Teile der hiesigen, der westlichen Öffentlichkeit glauben? Der Eindruck liegt nahe, berufen sich doch Dschihadisten ebenso auf den Islam wie auch die meisten Herrscher in der Region. Gleichwohl ist die Religion nicht Ursache der dortigen Misere, sondern deren Menetekel. Vergleichbar dem Konflikt in Nordirland, der sich entlang der Bruchlinien von Katholiken und Protestanten entzündet hat, im Kern aber ein politischer ist: In erster Linie geht es um die Verteilung von Macht und Ressourcen, auch um Fragen der Identität, gewiss nicht um biblische Exegese.

Der Niedergang Nordafrikas und Westasiens ist gleichermaßen selbst verschuldet und von außen verursacht: als Folge kolonialer und imperialer Einflussnahme seit mehr als 200 Jahren. Die Grenzen verlaufen dabei fließend. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Verhältnisse vor Ort, allen voran auf das Unvermögen und den Unwillen der jeweiligen Machthaber, andere als Klientelinteressen zu bedienen. Entsprechend wird jedwede Opposition in der Regel gewaltsam unterdrückt. Bis es zum großen Knall kommt, zuletzt im Zuge der Arabischen Revolte 2011. Es folgt die Herrschaft von Militärs, Milizen oder Warlords, von Clans und Stämmen, von religiösen und ethnischen Gruppen – mithin Kleinstaaterei, Selbstzerstörung und Barbarei. Gegenwärtig zu besichtigen etwa in Libyen, im Jemen, in Syrien, im Irak und in Afghanistan. In den genannten Staaten waren westliche, amerikanisch dominierte Militärinterventionen allerdings der entscheidende Brandbeschleuniger, wenn nicht die Brandursache. In solchem Umfeld gedeihen verschiedene Gruppen von Dschihadisten, denen der Koran als Folie zur Rechtfertigung von Willkür, Eroberung und Terror dient.

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Markus Michaelis | Do., 20. Dezember 2018 - 11:54

Ich glaube auch, dass sich in Deutschland eine bürgerliche Naivität verbreitet hat, die innerhalb Deutschlands tonangebend ist aber aus meinem Empfinden mit der weiten Welt "da draußen" wenig zu tun hat. Herr Lüders, mich würde interessieren, wie es aussieht, wenn Sie eine solche Haltung, wie Sie hier vortragen, etwa in der ZEIT-Redaktion diskutieren. Wie laufen solche Diskussionen ab? Wie offen und (selbst)kritisch werden die Dinge da betrachtet?

Morgenland der ewig Gestrigen … und diese Menschen mit diesem Kulturhintergrund gehören zu Deutschland?
Stillstand ist Rückschritt, aber das wirft uns voll um!

Kostas Aslanidis | Do., 20. Dezember 2018 - 13:30

ihren Kommentar nicht nachlesen, aber habe sie oft gelesen oder gehört. Ihre Argumente sind logisch, verständlich und sachlich. Darum werden sie angefeindet von den Gackerern. Ihre Haltung ist die einzig richtige.

Hans Stein | Do., 20. Dezember 2018 - 13:31

oder: Wie profiliert ist Herr Dr. Lüders?
Letztere Frage hat einer der aus meiner Sicht profiliertesten deutschen Publizisten, Henryk M. Broder vor einigen Jahren geklärt. Für mich abschließend: Lüders kann arabischen Kaffee in einem arabischen Kaffeehaus trinken. Klärungsbedarf besteht indessen bei der anderen Frage: Wie schuldig und auf welche Dauer ist der Westen an Miseren in den sogenannten "jungen Nationalstaaten" (in der DDR-Soziologie hießen die so), zu denen die arabischen Länder gehören? Dazu nur zwei Antworten, die Zweifel an Lüders' Auffassungen wecken müßten. Erstens gibt es Beispiele für gelungene Entwicklung unter den Entwicklungsländern und zweitens sind gerade die arabischen Länder insgesamt gesehen nicht arm und relativ lange unabhängig. Wenn es nicht an der Religion liegt, dann an schlechter Staatsführung und Wirtschaft. Und sowohl das eine wie das andere steht unter dem Einfluß der Religion. Der "Westen" dürfte kaum noch verantwortlich sein, gelle Herr Lüders.

gabriele bondzio | Do., 20. Dezember 2018 - 13:41

Die zentrale Frage aller Religion beruht in der Einteilung zwischen positiven und negativen Erscheinungen in der Welt und die Vermittlung an ihre Gläubige (Himmel-und Hölle-Prinzip). Wer es auf Erden nicht schafft, wird im Himmel belohnt. Mitvermittelt wird zweifellos auch immer ein positives Obrigkeitsbild. Darüber wurde von Kindesbeinen, über Generationen, ein loyales und zu eignen Zwecken mobilisierbares Volk geschaffen. Der Islam, nicht nur mit großer Gewaltaffinität (gegenüber dem Christentum)geschrieben, er lebt selbige noch wie im Mittelalter aus. Die Spannungen zwischen mittelalterlichen Daseinsformen,Religion,Ausleben westl. Freiheiten und Einmischung westlicher Mächte. Konnte man im Iran gut beobachten. Der Schah musste gehen, Chomeini zog ein. Ein einziges Rückwärts! Daraus hätte man schon lernen können. Aber die Gier nach Bodenschätzen/Machteinfluss ist noch immer groß und die Erkenntnis, das westl.Werte nicht mit dem Islam vereinbar sind, noch immer klein(gehalten).

Harro Meyer | Do., 20. Dezember 2018 - 15:25

Was haben wir doch alles schon hinter uns. Die Besseren sind ausgewandert, auch wegen des religiös-moralischen Drucks und haben sich in den USA durchgesetzt und ihre Welt geschaffen. In Europa hat sich der anpassungsgeile Rest unter Aufsicht der USA die Köpfe eingeschlagen, zuerst wegen eines erschossenen Thronfolgers, dann für eine verquaste Ideologie, die keiner haben wollte.
Auf dem Wege zur Weltmacht gibt man 726 Milliarden pro Jahr nicht umsonst für Gewalt und Krieg aus, nachdem dem vergeblichen Versuch der Gutmenschen, das System mit einem Obama von Innen aufzuweichen,gescheitert ist. Jetzt ist der nahe Osten dran. Russland und China sind die nächsten.
Alles ganz einfach.

Jürgen Keil | Do., 20. Dezember 2018 - 16:12

Ich bin kein Verehrer von Josef Fischer. Aber als die USA den Irakkrieg begannen, warnte er, damals noch Außenminister, vor unabsehbaren Folgen in dieser unüberschaubaren, unberechenbaren, explosiven Region. Der Mann hatte einen klaren Blick und er hatte recht. Die Grünen von heute sind rechthaberische Gut- Eiferer und ihr, insbesondere weibliches, Spitzenpersonal verfügt über eine erschreckend geringe Sachkenntnis, überspielt das aber mit vielen und schnellen Worten.

Hans Jürgen Wienroth | Do., 20. Dezember 2018 - 16:43

Ist die westliche Welt aufgrund der Fehler aus der Historie auf ewig in der Schuld und muss vernichtet werden? Fast könnte man diesen Eindruck gewinnen.
Die Kolonialisierung Afrikas hat diesen Ländern einen wirtschaftlichen Schub gegeben, den es ohne diese Zeit nicht gegeben hätte. Das die ehemaligen Kolonialherren den Übergang zur Freiheit nicht regeln konnten lag auch an den Freiheitskämpfern, die nach der Vertreibung die neue Herrschaft übernahmen.
In den arabischen Ländern (incl. Nordafrika) sollte sich die Welt heraushalten und dies „innerarabisch“ regeln lassen. Wer als Menschenfreund und Pazifist versucht Menschenrechte und Menschlichkeit durchzusetzen ist auf verlorenem Posten. Wir sollten aber als Europa verhindern, dass sich diese Konflikte auf unseren Kontinent ausdehnen. Wir sind viel zu weit weg, um Täter und Opfer auseinanderzuhalten. Den Frieden muss die arabische Welt selbst wollen. Das gilt auch für den Konflikt der Palästinenser mit den Israelis.

Juliana Keppelen | Do., 20. Dezember 2018 - 17:43

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

und muss vernichtet werden?
Nein muss er nicht.
Aber offensichtlich fühlt sich der "Wertewesten" ständig verpflichtet sich zu jederzeit überall das wo er sich traut einzumischen ob es den Ländern passt oder nicht. Kann mich nicht entsinnen,dass je eines der Länder bei denen der "Westen" in den letzten Jahrzehnten intervenierte von den Ländern darum gebeten wurde. Es ist der Westen der in seinem Missionierungswahn (ich nennne es knallharte Geopolitik) glaubt Länder nach ihrem Vorbild umkrempeln zu müssen koste es was es wolle (dafür geht man auch über Leichen).

auf den Punkt gebracht. Danke liebe Juliana. Ich sehe das schon seit Jahren so. Der Nordafrikanische Frühling lässt grüssen. Aber die Verantwortlichen, zuerst Hillary Clinton und Barak Obama werden noch als Friedensbringer hochgelobt als endlich zur Verantwortung gezogen. Die Destabilisierung Afrikas fand mit dem Sturz von Gaddafi statt, da hätten Diplomaten statt Kriegstreiber die Welt über Jahre sicherer gemacht. Wird aber vom Rothschild-Kriegs-und-Banken-Komplex nicht wirklich gefördert. Das grösste Problem unserer Welt ist nicht der Islam, der wird instrumentalisiert, sondern die Wall-Street mit ihren gierigen Protagonisten.

Robert Müller | Fr., 21. Dezember 2018 - 13:17

Antwort auf von Holger Busekros

Ich möchte daran erinnern, das der "Nordafrikanische Frühling" nicht einfach so scheiterte, sondern die Golfstaaten mit viel Geld und Waffen die Islamisten unterstützten. So wie Erdogan die Muslimbrüder stützte. Demotaktische Erfolge in der arabischen Welt werden nicht gerne gesehen und der Westen hat sich vornehm zurück gehalten.

Juliana Keppelen | Do., 20. Dezember 2018 - 16:45

der sich die Freiheit nimmt Klartext zu reden und zu schreiben. Es wundert mich, dass er ab und zu (aber doch recht selten eher als Feigenblatt um Vielfältigkeit zu demonstrieren) in Talkshows zu Wort kommt.

Tomas Poth | Do., 20. Dezember 2018 - 19:00

Auf alle Fälle geht beides nicht konfliktfrei zusammen, westliche Produkte und westliches Leben gerne wollen, bei gleichzeitiger Beibehaltung des mittelalterlicher Islams.
Das ist eine der Zutaten für Konflikte in Nah- und Mittelost.

Karl Müller | Do., 20. Dezember 2018 - 19:03

bekommen halt nicht viel auf die Reihe. Einfach neben der Wirtschaftsstruktur mal die Zahlen zu Patentanmeldungen und die Masse Nobelpreisträger im MINT Bereich betrachten.
Der "Wertewesten" nutzt die lokale Unzucht mit Religion und daraus zwangsläufig fatalen Entwicklungen auch nur aus.
Auch in Europa war gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Fortschritt immer nur gegen und trotz "Religion" zu haben. Das hat unsere politische Klasse nur leider als unwichtig erachtet.

Christian Froelich | Fr., 21. Dezember 2018 - 00:10

Unbestreitbar hat Herr Dr. Lüders die richtigen Argumente auf seiner Seite,wenn er die negativen Auswirkungen,der westlichen Geopolitik,nebst der Folgen,in dieser Region der Welt,in den letzten 100 Jahren beschreibt. Jetzt hat man solange im Hornissennest rumgestochert,sodaß es gewaltig summt & brummt. Der Filmklassiker "Lawrence von Arabien",mit Peter O' Tool,hätte man seit dem Vertriebsbegin,zum Pflichtprogramm einiger Verantwortlicher machen sollen. Nebenbei angemerkt,selbst dem sogenannten römischen Imperium,unter dem Kaiser Augustus,zu Zeiten seiner größten Ausdehnung,waren weite Teile dieses Raumes "südlichstes Babarenland" und der Dienst an deren Grenzen,dem einfachen Legionär ein Greul.

Ines Schulteh | Fr., 21. Dezember 2018 - 00:44

...Da kann man die USA doch jetzt ausklammern. Unter Obama ging die Einmischung weiter, trotz vorab erteiltem Friedensnobelpreis. Trump zieht sich zurück, - auch nicht recht, - oder?

Jürgen Lehmann | Fr., 21. Dezember 2018 - 16:56

Seit dem „Krieg gegen das Böse“, den Präsident George W. Busch, zur Vernichtung des Terrorismus, in Gang setzte, betreibe ich - in einem Teil meiner Freizeit - verstärkt Islamwissenschaft - in Verbindung mit dem Verhalten des sogenannten Westens.

Dem Beitrag von M. Lüders: „Islamische Welt - Der Untergang des Morgenlandes“ kann ich daher vollste Zustimmung geben.
Es ist mir auch gleichgültig ob ich als Mullah-Freund, Putin-Versteher oder mit etwas anderem betitelt werde, da ich tatsächlich, durch meine jahrelangen Nachforschungen, feststellte, dass bei einem großen Teil des Westens die Meinung vorherrscht:
DIE BÖSEN SIND IMMER DIE ANDEREN

Den Mut von Herrn Lüders, die Fakten so offen zu legen, kann man bewundern.