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Iran - Neue Taktik, alter Hass

Präsident Hassan Ruhani und sein Außenminister Mohammad Zarif senden versöhnliche, ungewohnt milde Töne in die Welt. Doch damit proben sie nicht den Aufstand gegen den israelfeindlichen „Obersten Führer“ Ali Chamenei. Es ist eine Taktik, um die Atomverhandlungen zu Gunsten Irans zu entscheiden

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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In Teheran brannten gestern wieder amerikanische Flaggen. „Nieder mit den USA“, grölten Menschen in der Masse. „Tod für Israel“ wurde gebrüllt. Da sagt es sich leicht, dass die Gespräche des Westens mit Iran vertane Mühe sind. Doch es gibt Aussichten auf einen Wandel – dank der Wirksamkeit von Sanktionen. Selbst das Undenkbare scheint nun denkbar: dass Iran die Existenz Israels akzeptiert.

Brennende Obama-Bilder: Iranische Folklore


Vor 35 Jahren hatte es die Welt mit einem gänzlich neuen Iran zu tun. Am 11. Februar 1979 war die auf den Schah eingeschworene Armee des Kämpfens gegen islamische Guerillas müde und hatte sich für neutral erklärt. Der Schah war schon drei Wochen zuvor aus seinem Reich geflohen – nun stürzte auch seine Regierung.

Der 35. Revolutionstag ist flammend gefeiert worden mit dem üblichen Abfackeln der Gesichter des großen und kleinen Satans, diesmal loderten Obama-Porträts und Netanyahu-Fotos. So etwas gehört dermaßen zur Folklore der Islamischen Republik Iran, dass niemand mehr richtig hinschaut.

Irans neuer Präsident Ruhani mag weniger nach Skandieren der ewigen Parolen zumute sein. Er blickte am Jahrestag in seiner Rede vor Hunderttausenden nicht zurück, sondern auf das, was ansteht: Am 18. Februar will Iran in Wien die Verhandlungen über ein Atomabkommen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland fortsetzen. Auf „faire und konstruktive Gespräche“ setze er, kündigte Irans Präsident an. Fair play traut er öffentlich also dem Staat zu, dessen Sternenbanner vor ihm verbrannt wird.

Ruhani hat im Vorfeld dieser Revolutionsfeiern sogar versucht, ein paar freundliche Signale an Israel zu senden. Verkappt natürlich und nur sehr indirekt. Aber ihm scheint es wichtig zu sein, sich vom Antisemitismus und Holocaust-Leugnen zu distanzieren, wofür Iran die vergangenen Jahre und Jahrzehnte stand.

Als „Zeichen gegen religiöse Diskriminierung“, wie die staatliche Nachrichtenagentur es pries, hat Ruhani umgerechnet 150.000 Euro an das jüdische Krankenhaus in Teheran gespendet. Anfang September gratulierte er der jüdischen Gemeinde in seiner Hauptstadt zum jüdischen Neujahrsfest. Oft wird in Iran darauf hingewiesen, dass nirgends im Nahen Osten außer in Israel so viele Juden leben wie in Iran - etwa 25.000.

Damit allerdings hatte sich auch schon Ruhanis Vorgänger Ahmademidschad zu schmücken versucht. Der Mann, der den Holocaust grinsend zum „Mythos“ log, wollte auch als „Freund der Juden“ gelten - und den jüdischen Staat ausgelöscht sehen.

Ali Chamenei ist der wahre Herrscher in Iran


Das war nicht die Einzelmeinung des „Irren mit der Bombe“, sondern gehört in Iran gewissermaßen zur Staatsräson. So denkt der wahre Herrscher Irans: Ali Chamenei ist der Oberste Führer, der direkte Amtsnachfolger des Ayatollah Chomeini. Er war einst unter dem Revolutionsführer Präsident, seit dem Tod Chomeinis vor 25 Jahren ist er ganz oben. Er ist derjenige, der alles bestimmt in Iran.

Chamenei sprach lange vor Ahmademidschad von „übertriebenen Statistiken über die Ermordung von Juden“, nannte diese Zahlen bloße „Instrumente, um das Mitleid der Bevölkerung zu erwecken“. Jahr für Jahr wünschte er die Vernichtung Israels, verglich den Staat immer wieder als „Krebsgeschwür“ in der Region, das mal „zerschlagen“ oder „vernichtet“, mal „eliminiert“ oder „herausgerissen“ werden müsse. Chamenei sorgte auch dafür, dass reformorientierten Parlamentskandidaten aussortiert wurden. Deshalb wird Ruhanis neue West-Politik nun von überwiegend fundamentalistisch-konservativen Abgeordneten überwacht.

Wegen dieses wahren Machthabers Chamenei und seinen Ideologie-Wächtern gilt jedoch eines als tatsächlich ungewöhnlicher Wink Richtung Israel: die jüngsten Worte des iranischen Außenministers Mohammad Javad Zarif zum Holocaust, einem der engsten Ruhani-Vertrauten. Er nannte den Judenmord eine „grausame Tragödie des Umbringens“ und forderte im ZDF-Morgenmagazin zudem, „der Holocaust sollte in ganz klarer Sprache verurteilt werden“. Solche „Völkermorde, die begangen wurden“ dürften „nicht von irgendwem geleugnet werden. Wir müssen dies ablehnen und sicherstellen, dass dies nie wieder passiert.“

Außenminister Zarif zeigt sich gemäßigt - eine Taktik


Der „Oberste Führer“ Chamenei denkt ebenso nicht. Er könnte es sogar als Warnung gegen sich verstehen. Doch Zarif probt hier nicht den Aufstand. Er sagt das, selbst wenn es seiner eigenen Meinung entspricht, damit der Westen Iran traut. Damit die Atomverhandlungen nicht scheitern.

Dazu haben er wie auch Präsident Ruhani die Rückendeckung des durch und durch anti-israelischen und anti-amerikanischen Herrschers Chamenei. Und der ist nur deshalb bereit, diese für Iran neue Diplomatie zu dulden, weil die Sanktionen der letzten Jahre wirken.

Schlicht gesagt: Iran kann nicht mehr. Es braucht Handel mit dem Westen.

Das konservative iranische Parlament legt den neuen Weg der Gespräche sogar als einen Kurswechsel gegenüber Israel aus. Dabei palavert Zarif um das Existenzrecht des Staates Israel herum. Erst wenn die Palästinenser den Nachbarn akzeptierten, wolle auch Iran nachziehen. Nach einer Ablehnung a priori allerdings klingt auch das nicht mehr.

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