Attentat Moskalik
Spurensicherung nach dem Anschlag auf General Moskalik nahe Moskau am 25. April / picture alliance / AP

Getötete Generäle in Russland - Attacken aus dem Untergrund

Die Ermordung zweier wichtiger Generäle innerhalb von sechs Monaten ist zu einem Lackmustest für den russischen Sicherheitsapparat geworden. Offenbar existieren von außen gesteuerte Untergrundnetze, denen man nicht beikommt.

Autoreninfo

Ekaterina Zolotova ist Analystin für Russland und Zentralasien beim amerikanischen Thinktank Geopolitical Futures.

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Am 25. April wurde ein Generalleutnant des russischen Militärs in Balaschicha, einer Stadt in der Nähe von Moskau, getötet. Einige Monate zuvor wurde jener General, der für die Abteilung für Strahlen-, chemische und biologische Verteidigung des russischen Militärs zuständig war, ebenfalls getötet. Die Attentate weisen einige Gemeinsamkeiten auf: In beiden Fällen waren in Fahrzeugen Sprengsätze installiert, die aus der Ferne gezündet wurden, wahrscheinlich durch nahe gelegene Videokameras.

Der Zeitpunkt des zweiten Mordes ist besonders bemerkenswert. An diesem Tag traf der Sondergesandte Washingtons für den Nahen Osten, Steve Witkoff, in Moskau ein, um sich im Kreml mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen und erneut über die Zukunft der Ukraine zu sprechen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Angriffe während der Verhandlungen stattfinden; eine Seite versucht oft, die andere daran zu erinnern, dass sie ein Druckmittel hat, um die Gespräche nach eigenem Gutdünken zu stören oder zu erleichtern. Und in der Tat haben die Verhandlungen über die Ukraine zu keinem Ergebnis geführt, da weder die Ukraine noch Russland an unmittelbaren, bedeutenden Zugeständnissen interessiert sind.

Der Prozess wird durch die russische Innenpolitik etwas erschwert. In der russischen Elite gibt es zwei inoffizielle Lager: diejenigen, die den Kampf fortsetzen wollen, und diejenigen, die Frieden wollen. Wichtig ist, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass ihre Meinungsverschiedenheiten stark genug sind, um eine größere oder unüberbrückbare Kluft in der Regierung zu verursachen. Die Befürworter des Friedens sehen eine Lösung als eine Frage der Praktikabilität. Sie verstehen die politische Gefahr, einen Krieg nach so vielen kostspieligen Jahren zu „verlieren“, aber sie glauben einfach, dass die Rückkehr zu internationalem Handel und wirtschaftlicher Stabilität für die Regierung und für die Industrie auf lange Sicht wichtiger ist. Deshalb hört man Putin und Konsorten regelmäßig über ihre Bereitschaft zu einem Waffenstillstand, zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Rückkehr ausländischer Investitionen sprechen. Die Befürworter des Friedens wissen auch, wie wichtig minimale Zugeständnisse sind – was erklärt, warum Putin erst nach der militärischen Sicherung von Kursk erklärte, Russland sei zu Verhandlungen bereit.

Zwei Lager in Sachen Ukrainekrieg

Das Lager der Kriegsbefürworter, zu dem Dmitri Medwedew, Sergej Schoigu und Ramsan Kadyrow gehören, will so lange weiterkämpfen, bis Russland einen militärischen Sieg erringen kann. Diese Fraktion stellt fest, dass ein auf dem Verhandlungsweg erreichter Waffenstillstand die Ursachen des Krieges nicht beseitigen wird und allenfalls der Ukraine und der Nato zugutekäme. Sie glauben, dass der Sieg in Kursk und die Spaltung des Westens in Bezug auf seine Unterstützung für die Ukraine letztlich zu Triumphen auf dem Schlachtfeld führen werden. Im Gegensatz zu den Friedensbefürwortern, die einen künftigen Konflikt mit der Nato ausdrücklich ausschließen, erklärt die Gruppe der Kriegsbefürworter öffentlich, dass sie den Vereinigten Staaten nicht traut, und dass sich die europäischen Länder bereits aktiv auf einen Konflikt mit Russland vorbereiten.

Die Spaltung der russischen Elite spiegelt die Spaltung der russischen Öffentlichkeit wider. Umfragen des Levada-Zentrums zufolge befürwortet mehr als die Hälfte aller Befragten Verhandlungen, während ein Drittel für weitere Militäraktionen ist. Eine solide Mehrheit hält jedoch Zugeständnisse für inakzeptabel.

Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eliten haben zu Spekulationen geführt, dass eine der Fraktionen für den Tod der Generäle verantwortlich ist. Dies hält jedoch keiner ernsthaften Logik stand. Die russischen Behörden sind in der Vergangenheit nicht auf diese Weise mit interner Opposition umgegangen. Sie ziehen es vor, diese zu inhaftieren oder in eine Position zu versetzen, in der sie keinen Ärger machen können. So ernannte Putin beispielsweise im vergangenen Jahr den Wirtschaftswissenschaftler Andrej Belousow zum Nachfolger von Schoigu als Verteidigungsminister. Der Grund für die Umbesetzung wird immer noch kontrovers diskutiert – einige sagen, es handele sich um einen gewöhnlichen Machtkampf, während andere argumentieren, es sei eine Bestrafung für die mangelhafte Leistung des Militärs in der Anfangsphase des Krieges in der Ukraine. In jedem Fall wurde Schoigu nicht wegen taktischer Meinungsverschiedenheiten mit Putin getötet, sondern ihm wurde lediglich eine weniger einflussreiche Position als Sekretär des Sicherheitsrats übertragen.

Andere Beispiele gibt es viele. Generalmajor Ivan Popov wurde 2023 des Kommandos enthoben, nachdem er über Probleme in der Armee berichtet hatte. Er wurde wegen Betrugs- und Korruptionsvorwürfen zu fünf Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister Timur Iwanow wurde der Bestechung und Veruntreuung beschuldigt (obwohl es auch Hinweise gab, dass Iwanow des Verrats verdächtigt wurde), ebenso wie der ehemalige Generalleutnant Juri Kusnezow. Beide waren Schoigu-Loyalisten. In keinem Fall wurde eine dieser Personen im Rahmen eines Terroranschlags unter falscher Flagge ermordet. Die russische Regierung nutzt dieses Mittel einfach nicht.

Darüber hinaus gibt Moskau zu Protokoll, dass die terroristischen Bedrohungen der vergangenen Jahre auf ukrainische Sabotage- und Unterminierungsversuche zurückzuführen sind. Schoigu selbst warnte kürzlich vor möglichen Attentatsversuchen. Die russischen Strafverfolgungsbehörden gehen davon aus, dass die Anschläge in der vergangenen Woche und im Dezember im Auftrag der ukrainischen Sicherheitsdienste verübt wurden. Nach Angaben der russischen Regierung verdächtigt die Ukraine den im Dezember getöteten General Igor Kirillow, den Einsatz von Chemiewaffen gebilligt zu haben. Der vorige Woche getötete Jaroslaw Moskalik war keine öffentlich bekannte, aber durchaus wichtige Persönlichkeit im Verteidigungsministerium. Im Jahr 2015 war er Mitglied der russischen Kontaktgruppe zur Lösung der Situation in der Südostukraine, und in jüngster Zeit half er bei der Ausarbeitung von Vorschlägen zur Erhöhung der Kampffähigkeiten der russischen Truppen, organisierte die Entwicklung eines nationalen Verteidigungsplans und erstellte strategische und operative Protokolle.

100.000 Dollar für die Ermordung des Generals

Mit anderen Worten, Moskalik war für viele wichtige Informationen im Zusammenhang mit der Führung der Truppen zuständig. Er war als intelligenter, gründlicher und anspruchsvoller Offizier bekannt, und es gab Gerüchte, dass er für die Leitung des Nationalen Zentrums für Verteidigungsmanagement in Betracht gezogen wurde. Im Verhör bestätigten die Verdächtigen des Mordes an Kirillov die Beteiligung der ukrainischen Sicherheitsdienste, die angeblich versprachen, 100.000 Dollar für die Ermordung des Generals zu zahlen und ihre Ausreise aus Russland nach Europa zu organisieren. Nach Angaben des FSB war ein Agent des ukrainischen Sicherheitsdienstes auch an der Ermordung von Moskalik beteiligt.

Selbst wenn diese Version der Ereignisse stimmen sollte, macht die Beteiligung externer Kräfte an diesem Terroranschlag die Sache für den Kreml, der in jeder Situation ein Bild der Stärke zu vermitteln versucht, nicht einfacher. Die Ermordung von zwei Generälen innerhalb von sechs Monaten ist somit zu einem Lackmustest für den russischen Sicherheitsapparat geworden. Die Ereignisse zeigen, dass Russland trotz personeller Veränderungen und Erfolgen an der Kriegsfront im Innern verwundbar bleibt. Und die Tatsache, dass beide Anschläge offenbar gut geplant waren, zeugt von der Tatsache, dass es innerhalb Russlands tragfähige und umfangreiche Untergrundnetze gibt, die von außen gesteuert werden – Netze, von denen Moskau entweder nichts weiß oder die es nur schwer dingfest machen kann.

Personalmangel im Innenministerium

Dies könnte zumindest teilweise auf personelle Probleme zurückzuführen sein. Bis Ende 2024 war der Personalmangel im russischen Innenministerium auf 174.000 Personen angestiegen. Das Ministerium verlor im Jahr 2024 monatlich etwa 3000 Mitarbeiter, angeblich wegen zu niedriger Gehälter und mangelnder Aufmerksamkeit für die Strafverfolgung. Tatsächlich hat die Regierung angesichts der Kriegsanstrengungen den Haushalt des Ministeriums im Jahr 2024 gekürzt.

Die innere Sicherheit Russlands ist – zu Recht oder zu Unrecht – mit dem Krieg in der Ukraine verknüpft. In einem Kommentar zum Tod von Moskalik kritisierte ein General im Ruhestand die Regierung mit den Worten, dass die Generäle, von denen die Ergebnisse in der Ukraine und das Leben Tausender Soldaten abhängen, aufgrund unzureichenden Schutzes weiterhin sterben. Um das Problem zu beheben, muss Moskau entweder schneller Frieden schaffen oder sich wieder auf die Kriegsanstrengungen konzentrieren – beides ist angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in der russischen Elite schwierig.

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Ernst-Günther Konrad | Fr., 2. Mai 2025 - 11:36

Das verwundert doch jetzt nicht wirklich. Auch in Russland, wie überall auf der Welt, haben sich die Meinungen zu diesem Krieg gespalten. Die ein dafür und die anderen dagegen. Die Argumente sind bei pro und kontra ebenso gleich. Und natürlich sind alle beteiligten Seiten bestrebt, dass ihre Position gewinnt. Also ist die Ermordung wichtiger Politiker und Militärs egal auf welcher Seite leider eben auch ein Mittel, die jeweils andere Seite zu schwächen bzw. in eine schlechtere Position zu bringen. Am Ende des Tages werden die Generäle ersetzt und die Fronten verhärten sich nur. Niemand hat tatsächlich einen Vorteil von solchen Attentaten, egal auf welcher Seite. Und es läßt sich trefflich spekulieren darüber, ob russ. Separatisten, Putin Gegner jedweder Art, Ukrainer oder sonst wer dahinter steckt. Und manchmal ist so etwas auch eine rein persönliche Sache und hat it Politik nichts zu tun. Ich denke mal, auch das wird nie herauskommen oder wir Leser werden es nicht mehr erleben.