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EU-Parlament - David Camerons Spiel mit Rechtspopulisten

Vor der Wahl forderte David Cameron noch eine EU-Reform, um die Macht der Rechtspopulisten einzuschränken. Nun bietet er den Wahren Finnen und der dänischen Volkspartei in seiner Fraktion selbst eine Plattform. Heute Mittag hat sich Cameron auch für die AfD geöffnet

Autoreninfo

Laetitia Grevers hat Geschichte in London studiert. Ihre Texte sind unter anderem im Magazin der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

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Ein Abgeordneter der nordischen Partei, Jussi Halla-Aho, unterstellte somalischen Flüchtlingen eine „kulturelle und möglicherweise genetische Neigung zu Taschendiebstahl und Sozialbetrug.“ Außerdem erklärte er den Propheten Mohammed 2009 zu einem Pädophilen. Die Dänische Volkspartei lehnt selbst kleine Zugeständnisse an Muslime strikt ab. Sie wettert gegen den Bau einer Moschee in Kopenhagen. Verboten werden soll auch das Zubereiten von Schulmahlzeiten nach muslimischer Tradition. Ein Drittel der Europa-Abgeordneten beider Parteien sind vorbestraft.

Trotz solcher Entgleisungen hat die Fraktion der Tories im EU-Parlament die finnischen und dänischen Rechtspopulisten aufgenommen. Zuvor waren die zwei Parteien Teil der Fraktion der UKIP. Camerons Fraktion Europa der Konservativen und Reformer, AECR, hatte sich wegen der radikalen Ansichten dieser Parteien in den letzten Jahren geweigert, mit ihnen zu koalieren. Sagte Cameron kurz vor der Wahl noch, die Europäische Union müsse dringend reformiert werden, um den Einfluss der radikalen Parteien einzudämmen, ist seine neue Lösung nun eine Koalition mit Radikalen.

Nationaler Machtkampf auf europäischer Bühne


Dies sei der letzte Nagel des Modernisierungs-Sarges der Tories, kritisierte der Labour-Politiker Gareth Thomas den Strategiewechsel Camerons. Cameron führt den innenpolitischen Machtkampf zwischen seiner Partei und der UKIP auf europäischer Ebene weiter. Die Konservativen haben bereits viele Briten an die Partei mit der aggressiven Anti-Europa-Rhetorik verloren. Cameron fürchtet um seine Wählerstimmen und nimmt nun alte UKIP-Koalitionspartner auf, um den Einfluss der UKIP und ihrer Fraktion Europäische Freiheit und Demokratie auf europäischer Ebene einzuschränken. Gleichzeitig nehmen Einfluss und Gelder der Fraktion der Tories im EU-Parlament zu. Mit nun 55 Abgeordneten ist die Fraktion auf dem Weg zur drittstärksten im Parlament – und nur noch wenige Abgeordnete von den Liberalen entfernt.

Seit Cameron 2009 seine marktliberale und sozialpolitisch-konservative Fraktion gründete und die Europäische Volkspartei, EVP, in der auch die CDU Mitglied ist, verließ, sind die Beziehungen zwischen London und Berlin geschwächt. Von der jüngsten britisch-deutschen Konfrontation, in der sich Cameron gegen Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsidenten stellt, ganz zu schweigen.

Dass Cameron nun auch Parteien der strammen Rechten in seine Fraktion aufnimmt, dürfte die Beziehung zu Deutschland und der EVP weiter belasten. Das sagen sogar Verbündete des britischen Premiers, wie Matt Persson, der Direktor des Think Tanks Open Europe, Camerons politischer Denkfabrik. Er warnte in der Financial Times vor Camerons Strategie: „Europäische Staatsoberhäupter werden die Tories wegen diesem Vorgehen kritisch beäugen.“

AfD – ein Affront gegen Merkel


Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer war bisher im EU-Parlament eine wichtige Mehrheitsbeschafferin für die Europäische Volkspartei. Mit den radikalen Dänen und Finnen wird die EVP ungern zusammenarbeiten. Wenn am Donnerstagnachtmittag auch die AfD in die Fraktion gewählt wurde, erwarten Cameron weitere Konflikte.

Angela Merkel hat sich bereits sehr kritisch zu einer Mitgliedschaft der AfD in der AECR-Fraktion geäußert. Der britische Premier weiß, dass eine Unterstützung von Bernd Lucke das momentan ohnehin gespannte Verhältnis zur Kanzlerin weiter belasten würde. Er möchte sich die Option aber noch offen halten. Die Regierung in London will vorab keine klare Position dazu beziehen. Gewichtet Cameron das Wachstum seiner Fraktion stärker als die angespannte Lage mit Merkel, wird die AfD wohl aufgenommen.

Bernd Lucke hat mehrfach betont, nur mit den britischen Konservativen im EU-Parlament koalieren zu wollen und nicht mit der UKIP. Er möchte nicht mit ausländerfeindlichen Parteien in Verbindung gebracht werden. Wenn die AfD in die Fraktion der britischen Konservativen gewählt wird, wird Lucke es schwer haben, diese Ankündigung auch in die Tat umzusetzen. Die Wahren Finnen und die dänische Volkspartei lassen grüßen.

Update vom 12.6. um 12:16: Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer hat die AfD  in ihre Fraktion gewählt. Nun hat die Fraktion der britischen Konservativen 63 Abgeordnete und ist nach aktuellestem Stand drittstärkste Gruppierung im EU-Parlament. Bernd Luckes Partei ist mit sieben Abgeordneten im Parlament vertreten. 

 

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