China sichert sich seit Jahren Zugang zu Rohstoffen in Afrika und baut dort unter anderem auch Schulen, wie hier in Botswana / picture alliance/dpa/XinHua | Han Xu

Europas neuer Blick auf Afrika - Weg von der Entwicklungshilfe

China, Russland, die USA und andere Staaten machen in Afrika wichtige Geschäfte, insbesondere im Bereich Seltener Erden. Die EU hingegen droht auf dem Kontinent mit ihrer klassischen Entwicklungspolitik an den Rand gedrängt zu werden. Kommt es in Brüssel zum überfälligen Umdenken?

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Ronan Wordsworth ist Analyst bei Geopolitical Futures.

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Seit dem Ende der Kolonialzeit bestand für Europa einen Großteil seiner Initiativen in Afrika darin, gemeinsame Werte und Entwicklung zu fördern – oft mit wenig Rücksicht auf die Rentabilität der Investitionen. Dies war zum Teil natürlich auf postkoloniale Schuldgefühle zurückzuführen, diente aber auch einem praktischeren Zweck: der Verhinderung von Massenmigration an der Quelle und dem Aufbau gesünderer Märkte, mit denen man Handel treiben konnte. Europa half also den Regierungen finanziell dabei, Bedingungen zu schaffen, unter denen sich die Menschenrechte entwickeln können, indem es beispielsweise Frauen unterstützt, Wasser- und Sanitäranlagen baut, ländliche Gebiete entwickelt und demokratische Prozesse fördert, die weitgehend auf gemeinsamen Werten basieren. Die Unterstützung Brüssels war spendenbasiert; sie überließ die direkte politische und wirtschaftliche Hilfe den ehemaligen Kolonialmächten, die noch Arbeitsbeziehungen zu ihren ehemaligen Kolonien unterhielten.

Die militärischen Praktiken Europas waren ähnlich gelagert. Während Washington durch eine Reihe von Initiativen, darunter Drohneneinsätze, Einsätze und Ausbildung von Spezialkräften, Antiterroroperationen und Unterstützung mit tödlichen Waffen, viel direktere Sicherheit bietet, neigt Europa dazu, lokale Akteure durch begrenzte Ausbildungsmissionen zu unterstützen, für die strenge Einsatzregeln gelten und die im Allgemeinen keine „tödliche Hilfe“ beinhalten. Für Europa gelten die Grundsätze Kapazitätsaufbau, Entwicklungshilfe und gemeinsame Werte.

Aber die Umstände ändern sich schnell, und die westlichen Staats- und Regierungschefs sind gezwungen, ihr Konzept für Afrika zu überdenken. Die größten Veränderungen kamen aus Washington, das vor kurzem USAID, den weltweit größten Anbieter von Auslandshilfe, der von Europa unterstützt wurde und eine mächtige Quelle amerikanischer „Soft Power“ war, entkernt hat. Die Abschaffung von USAID hat eine riesige Lücke hinterlassen, und Brüssel muss nun entscheiden, wie es diese füllen soll – und ob es sie überhaupt füllen soll. Wie die EU setzten sich auch die Vereinigten Staaten in Afrika für gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung, Gleichstellung der Geschlechter, Bildung, Migrationsmanagement und grüne Technologien ein. Die Tatsache, dass Washington sich von diesen Praktiken entfernt hat, bedeutet für die EU einen weiteren potenziellen Konkurrenten auf dem Kontinent, der einen eher transaktionalen Ansatz für Afrika plant und der vermutlich nicht die Art von Bedingungen an seine Hilfe knüpfen wird, die Europa mit sich bringt.

Europa will nicht wieder der Kolonialisierung beschuldigt werden

In der Zwischenzeit ist Europa zunehmend auf die Schwachstellen in der Lieferkette bedacht. Es hat weitgehend versucht, sich aus dem erneuten Wettbewerb um Einfluss und Ressourcen in Afrika herauszuhalten, vor allem, weil es nicht wieder der Kolonialisierung beschuldigt werden möchte. Aber es scheint, als könne sie es sich nicht länger leisten, am Rande zu stehen. Der von der Europäischen Kommission 2023 verabschiedete „European Critical Raw Minerals Act“ fordert eine robuste Lieferkette in einer Reihe von Kategorien und schreibt vor allem einen gewissen Grad an Selbstversorgung vor. Und da seine Reserven an bestimmten strategischen Rohstoffen schwinden, ist Europa gezwungen, Abbau- und Verarbeitungspartnerschaften mit anderen Ländern einzugehen. Die afrikanischen Länder, in denen viele dieser kritischen Mineralien vorkommen, haben bereits begonnen, Liefervereinbarungen mit vielen Drittländern zu schließen.

Eine dieser dritten Parteien ist natürlich China. Peking ist seit Jahren in Afrika aktiv und hat es geschafft, sich im Gegenzug für Infrastrukturen etliche Bergbaugeschäfte und Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Meistens handelte es sich dabei um reine Transaktionsgeschäfte. Jetzt wollen auch Russland, die Türkei, der Iran, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und sogar die USA auf dem Markt Fuß fassen und sich ihren eigenen Anteil sichern. Dafür gibt es viele Möglichkeiten: Bestechung von Beamten, einseitige Infrastrukturgeschäfte, Versprechen von Regimeschutz und Sicherheit – nichts davon passt zu Europas werteorientiertem Ansatz. Das bedeutet, dass für Brüssel nur noch wenig Raum auf dem Markt bleibt, um widerstandsfähige Lieferketten zu sichern. Viele in Europa denken daher über einen eher transaktionalen Ansatz nach.

Auch die veränderten Migrationsmuster haben Europas neuen Ansatz vorangetrieben. Nach der Migrationskrise Mitte der 2010er Jahre lagerte Europa einen Großteil seines Grenzschutzes an nordafrikanische Staaten aus. Die Wähler in der EU waren bereit, Geld für dieses Ziel auszugeben. Die Politik war effektiv, daher wird es für die Regierungen schwierig sein, die Wähler davon zu überzeugen, dass sie weiterhin Geld für eine Krise ausgeben müssen, die so kaum noch existiert. Wenn die Zustimmung der Wähler versiegt, versiegen auch die EU-Mittel.

Der letzte Grund für die neuen Perspektiven Europas betrifft Frankreich. Paris war lange Zeit de facto der außenpolitische Führer der EU, insbesondere in Bezug auf Afrika. Doch mehrere afrikanische Staaten, die früher gute Beziehungen zu Frankreich unterhielten, haben ihre ehemaligen Kolonialherren zugunsten von unter anderem Russland verschmäht. Infolgedessen räumt Frankreich dem Kontinent nicht mehr die Priorität ein, die es einst hatte.

Das Sicherheitsvakuum wurde von Russland gefüllt

Es gibt viele Hinweise auf den transaktionalen Ansatz Europas. Beispiel Somalia: Die Übergangsmission der Afrikanischen Union in Somalia – die nominell von afrikanischen Ländern geleitet, aber größtenteils von der EU finanziert und von den USA unterstützt wurde – endete im Dezember 2024, und ihr Ersatz hatte Schwierigkeiten, neue Mittel zu beschaffen, selbst als die islamistische Gruppe al-Shabab auf die Hauptstadt Mogadischu vorrückte. Dass die EU hier nicht mehr endlos helfen will, ist bezeichnend.

Die Gründe für Brüssels Zurückhaltung sind vielfältig. Zum einen ist der Raum ziemlich überfüllt. Die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate sind in Somalia aktiv (wo sie miteinander um Einfluss konkurrieren) und in der Lage, mehr Hilfe zu leisten, als sie es in der Vergangenheit taten. Beide zahlen die Gehälter einiger Streitkräfte, und eine private türkische Militäreinrichtung namens SADAT bildet somalische Spezialeinheiten aus. Die Türkei profitiert von dieser Vereinbarung, indem sie einen günstigen Zugang zu den somalischen Märkten erhält und langfristige Öl- und Gasverträge abschließt. Trotz ihrer Großzügigkeit hat die EU keinen solchen finanziellen Vorteil.

Die Sahelzone ist ein weiteres gutes Beispiel. Über verschiedene Finanzierungsmechanismen, darunter die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Europäische Friedensfazilität und die G5-Sahel, hat Brüssel seit 2014 mehr als 8,5 Milliarden Euro für Sicherheits- und diplomatische Missionen ausgegeben. Das Nettoergebnis war, dass der Vormarsch dschihadistischer Gruppen gestoppt werden konnte, aber jegliche Reformen der Regierungsführung wurden schnell wieder aufgegeben, als Militärjuntas in der gesamten Region an die Macht kamen. Das Sicherheitsvakuum wurde von Russland gefüllt, das nun Ressourcen im Austausch für die direkte Sicherheit des Regimes abzieht. All die Mittel, die für die Demokratisierung und den Staatsaufbau bereitgestellt wurden, scheinen nun vergeblich gewesen zu sein, da dschihadistische Gruppen erneut ihr Gebiet ausweiten und Zivilisten töten.

Ruanda wird beschuldigt, die eine Rebellengruppe im Ostkongo zu unterstützen

Und dann ist da noch die Demokratische Republik Kongo. Die Regierung in Kinshasa wird von Problemen geplagt, von denen keines größer ist als ihre Unfähigkeit, ihre Macht auf das gesamte Staatsgebiet auszudehnen. Das benachbarte Ruanda wird seit langem beschuldigt, die als M23 bekannte Rebellengruppe im Ostkongo zu unterstützen, wo die Zentralregierung nur eine sehr begrenzte Präsenz hat. Ruanda ist ein Partner westlicher Länder bei der Gewährleistung der regionalen Sicherheit (was die vergleichsweise starken und disziplinierten ruandischen Streitkräfte erklärt). China betreibt unterdessen viele der Minen für Seltene Erden und kritische Mineralien im Land; 100 Prozent des gesamten geförderten Kobalts und 65 Prozent des geförderten Kupfers gehen nach China. Die Verträge wurden im Gegenzug für zugesagte Infrastrukturinvestitionen unterzeichnet. Im Vorfeld der Wahlen im Jahr 2023 erklärte der kongolesische Präsident Felix Tshisekedi, die Verträge müssten neu verhandelt werden, da China deutlich mehr profitiere als der Kongo. Einige Wochen später wurde der Präsident auffallend still, und der Status quo bleibt bestehen.

Die EU hat ihrerseits die Beteiligung Ruandas an dem Konflikt verurteilt und die Verhängung von Sanktionen gegen einige Mitglieder der Streitkräfte erwogen. Sollte Ruanda jedoch nicht mehr in der Lage sein, wichtige Mineralien an die EU zu verkaufen, gibt es zahlreiche andere potenzielle Käufer. Die EU hat Ruanda im vergangenen Jahr rund 815 Millionen Euro im Gegenzug für den Zugang zu Mineralien, darunter Zinn, Wolfram und Gold, zugesagt.

Während Europa in Bezug auf demokratische Ideale schwankt, hat die US-Regierung versucht, mit Kinshasa unter der Leitung eines privaten Sicherheitsunternehmens (des Blackwater-Gründers Erik Prince) ein Geschäft über Sicherheit gegen Mineralien auszuhandeln. Russland und die Golfstaaten bieten ähnliche Dienste an. Europa hat damit das Nachsehen und ist nicht in der Lage, sich den Zugang zu den Rohstoffen zu sichern, auf die seine Hightech-Industrie und der grüne Wandel angewiesen sind.

Brüssel sieht die dringende Notwendigkeit, seine Rolle in Afrika neu zu bewerten. Das bedeutet nicht, dass es die Art von Initiativen, die es seit Mitte des 20. Jahrhunderts finanziert hat, zugunsten von einmaligen, unverbindlichen Transaktionen vollständig aufgeben wird. Aber es bedeutet, dass Europa weiß, dass es ein besseres Gleichgewicht finden muss, wenn es nicht der Außenseiter sein will.

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Brigitte Miller | Fr., 25. April 2025 - 08:45

kommt die Gewissheit, "dass es (Europa) ein besseres Gleichgewicht finden muss, wenn es nicht der Außenseiter sein will "?
Gibt es wirklich Anzeichen dafür und handelt es sich um Europa oder um Brüssel?

Maria Arenz | Fr., 25. April 2025 - 09:03

die vorhergehenden Berichte über die Geistesblitze einer KGE i.S. AFD oder das nur zu berechtigte Klagelied des Bundespolizisten i.S. Afghanistanprogramm noch nicht die Laune verdorben haben, der schafft seine Tagesdepression sicher nach diesem Artikel. Wann hört endlich dieser Wahn auf, man könne einen Kontinent, bei dem alle aber wirklich alle Vorausetzungen für die Entstehung funktionsfähiger Territorialstaaten fehlen, mit noch mehr Geld und noch mehr guten Worten "entwickeln"? Lasst sie endlich ihren eigenen Weg finden, aber ihre hoffungslose Jugend sollen sie dann auch bitte zu ihren neuen Freunden schicken, von den sie sich so gerne ohne lästige Bevormundung "helfen " lassen. Russland und China sind ja berühmt für ihren Antirassismus.

Wolfgang Borchardt | Fr., 25. April 2025 - 09:15

als Partner zu behandeln. Die Verehrung alter Kolonialpolitik in eine moralisch-fürsorglich ist sowohl diskrimierend als auch teuer.

„Afrika kann sich selbst helfen, es braucht keine Almosen.Afrika braucht Leute, die faire Politik mit ihm machen wollen .
Die beste Hilfe ist vor Ort. Fairer Handel ist das Wichtigste. Die Milliarden für die Flüchtlingspolitik sind die grösste Fehlinvestition“ Serge Menga
Oder Paul Kagame: "Der ruandische Präsident Paul Kagame sagte Mitte Juni 2018 in einem Interview mit der Zeitschrift Jeune Afrique: „Afrika braucht keine Babysitter. Je weniger sich die Welt um Afrika kümmert, umso besser geht es Afrika.“ Er bezieht sich in dem Interview auf tausende europäische, amerikanische, asiatischen und andere „Helfer“, die mit ihrem Paternalismus meinen, sie würden den Afrikanern helfen. Ruanda ist zwar keine Demokratie, wie sie uns gefällt, aber ein funktionierender Staat mit behördlicher Effektivität".
Solche Stimmen gibt es in Afrika mehrere.

Karl-Heinz Weiß | Fr., 25. April 2025 - 10:08

Im Beitrag wird gut verdeutlicht, wie die jeweils herrschenden Clans "überzeugt" werden können: allein durch Geld für den eigenen Clan. Auch nach Libyen, Irak, Syrien und Afghanistan ist Europa immer noch überzeugt, dass Nation Building möglich ist. Nein, die größtenteils mit dem Lineal gebildeten "Staaten" basieren auf unterschiedlich strukturierten Clans. Ein afrikanisches Sprichwort fasst es sinngemäß so zusammen: wenn Du nicht den Staat hintergehst, benachteiligst Du Deine Familie.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 25. April 2025 - 10:24

Wieso gibt man einem Staat wie China noch Entwicklungshilfe? Aha. Geld vordergründig für soziale Projekte, aber natürlich auch wirtschaftliche Interessen. Seltene Erden will man, aber wird da wirklich permanent vor Ort die Arbeitsbedingungen überwacht? Kommt das Geld/Hilfsgüter wirklich dort an, wo sie hingehören? Gerade Hilfsgelder verschwinden in NGOS, die nicht selten mit den jeweiligen Herrschenden teilen. Und dann kommen aus solchen Ländern angebliche Flüchtlinge und wenn man die abschieben will, nimmt man sie nicht wieder auf.
Die Scheckbuchmentalität diente doch in erster Linie sich Regierungen und Machthaber zu kaufen für die eigenen Zwecke. Lasst die Afrikaner in Ruhe. Hört auf mit Entwicklungshilfe in dieser Form. Wenn dann nur vor Ort, Wasseraufbereitung und andere Hilfe, die Menschen zu Menschen bringen. Von Geld ist noch niemand satt geworden. Und mit Erpressung, Entwicklungshilfe gegen seltene Erden hat man was genau bewirkt? Man hat nur kriminelle unterstützt.