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Ursula von der Leyen und Michel Barnier: Der damalige Sonderberater des EU-Kommissionspräsidenten hatte 2006 schon einen Pandemieplan / dpa

Europa und das Coronavirus - Der EU-Pandemieplan, den es hätte geben können

In der Corona-Krise scheint Europa, scheint die EU abgemeldet zu sein. Schengen ist ausgesetzt, die Staaten handeln nicht abgestimmt. Gibt es keinen Pandemieplan? Doch. Den gibt es oder besser: Den gab es. Die Wahrheit ist viel schlimmer.

Kay Walter

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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Wer das Coronavirus und seine Begleiterscheinungen im Ausland erleben darf, der lernt das deutsche Gesundheitssystem zu schätzen. Seine im Vergleich zu fast allen anderen Ländern Europas flächendeckend bessere Ausstattung mit Technik, Schutzkleidung, Intensiv-Betten und medizinischem Personal ebenso wie seine Fähigkeit, ein Vielfaches an Tests durchzuführen und auszuwerten. Die Rede ist von Mitgliedern der EU, den entwickelten Ländern Westeuropas.

Das bedeutet nicht, dass in Deutschland alles Gold wäre, dass keine Fehler gemacht würden und keine Versäumnisse zu beheben seien. Gesundheitsminister Jens Spahn hat etwa noch Ende Januar im Bezug auf das Coronavirus öffentlich behauptet, das Infektionsgeschehen sei im Vergleich zur normalen Grippe milder. Trotzdem sei man bestmöglich selbst auf eine Grippepandemie vorbereitet, auch mit ausreichend Schutzkleidung. Ob er das heute genau so wiederholen würde, darf bezweifelt werden.

Europa ist abgemeldet

Spannender als solche Fehleinschätzungen ist aber die Frage: Wo ist eigentlich Europa in dieser weltweiten Krise? Schengen scheint beendet, zumindest ausgesetzt; Alle Grenzen sind geschlossen; Innenminister Seehofer droht „Heimkehrern“ mit Quarantäne. Seine Amtskollegen sehen das ähnlich. Ob beim Kauf von Masken und Schutzkleidung oder der Forschung zu Medikamenten und Therapien: Jedes Land agiert für sich allein und gegen alle anderen. Es gibt null gemeinsames Handeln, ja nicht einmal Abstimmung über die getroffenen Maßnahmen. Der Wunschtraum aller Nationalisten hat sich erfüllt, Europa ist abgemeldet.

Wieso eigentlich? Gerade jetzt müsste doch die Hochzeit für gemeinschaftliches Handeln sein. Und dabei ist von Corona-Bonds noch nicht die Rede, sondern nur von gemeinsamer Fürsorge, gemeinsamer Forschung, gemeinsamem Einkauf statt Konkurrenz und gegenseitiger Preistreiberei. Wo ist Europa? Gibt es keinen Pandemieplan? Doch. Den gibt es oder besser: Den gab es. Die Wahrheit ist viel schlimmer.

Die Wahrheit ist viel schlimmer

Es war ein Dienstag, genau der 9. Mai 2006, da präsentierte Michel Barnier in seiner damaligen Funktion als Sonderbeauftragter von Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel ein Thesen-Papier. Der Titel: Für eine europäische Eingreiftruppe für Zivilschutz. Explizit thematisiert wurde darin die Frage: Was macht, was kann Europa im Fall einer Pandemie?

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Charlotte Basler | Mi., 8. April 2020 - 11:35

ist Ihre Sicht auf die Lösungskompetenz der EU nicht sehr optimistisch angelegt? Was veranlasst Sie zu glauben, die EU hätte auch nur in einem der von Ihnen aufgeführten Punkte wie
- Vorausschauendes länderübergreifendes Handeln, - ausreichend vorhandene Schutzausrüstung für alle Länder
besser und schneller gehandelt?
Welche Notsituationen gab es, welche die EU schneller und nachhaltiger gelöst hätte?
Bis heute hat die EU die Migrationskrise nicht gelöst, welche immerhin schon seit 2014 /2015 Probleme und Streit bei den Mitgliedsstaaten verursacht.

Hätte, hätte, Fahrradkette. Wenn D dies ernst genommen hätte, dann hätte man viel schneller, im Januar/Anfang Februar entschlossen reagieren können, und wäre besser vorbereitet gewesen. Wenn alle EU-28 Länder sich ähnlich gut vorbereitet hätten, dann würde dies für die EU gelten. Die EU-Institutionen könnten nur dann handeln wenn sie einen dezidierten Auftrag / Rechtsgrundlage und die Mittel und das Personal hätten. Es wäre völlig unsinnig auf EU-Ebene, in 22 Sprachen, eine Agentur zu schaffen und materiell auszustatten, die einer USA-FEMA funktional ähnlich wäre. Jeder Appell für " Gemeinsamkeit " ist Gesülze.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 8. April 2020 - 11:59

wenn ich von den "Angriffen" auf Wolfgang Schäuble absehe.
Ich schätze ihn, ich teile aber nicht alles von ihm.
Die Länder hätten auch für ein höheres Steueraufkommen zuhause sorgen können.
Wenn ich dieses in meinen Augen ärgerliche "Auskeilen" weglasse, ein wirklich guter Artikel.
.. und Frau von der Leyen wird ganz sicher fähig sein, darauf einzugehen, bzw. es für die Zukunft aufzunehmen.
Frohe Ostern

Gerhard Schwedes | Mi., 8. April 2020 - 12:15

Die Argumentation des Artikels fußt sprachlogisch auf einer Tautologie. Er sagt im Kern: Hätte man länderübergreifend Maßnahmen für eine Pandemie getroffen, wäre man länderübergreifend besser für Corona vorbereitet gewesen. Die gleiche Aussage lässt sich auch auf die einzelnen Länder übertragen. Hätte sich jedes Land besser für eine Pandemie gewappnet, hätte es die Corona-Krise besser bewältigt. Warum, so fragt sich der einfache Leser, soll etwas im Großen mehr klappen als im Kleinen. Das leuchtet doch überhaupt nicht ein. Jeder Landrat weiß doch, dass je weiter weg die Direktiven von oben von den konkreten Problemen entfernt sind, desto weniger, weil pauschaler, gelingt ein angemessenes Handeln auf eine konkrete Herausforderung. Aus diesem Grunde ist ja gerade der Föderalismus jedem Zentralismus überlegen und weit effektiver - von Ausnahmen mal abgesehen. Der Artikel setzt m. E. wieder einmal seine naive Hoffnung auf das bürokratische Monster in Brüssel anstatt auf das einzelne Land.

Werter Herr Schwedes,

Ihrem guten u. sachlich überzeugend dargestellten Komm. stimme ich gern zu.

Der Autor indes ist auch m. E. einer der immer noch den Traum, besser die Illusion einer kpl. geeinten EU träumt.
Man darf ihn nat. träumen lassen, sollte HIER, im Cicero, solche Artikel aber nicht mehr bringen.

Sie haben Recht, jeder sollte seine Aufgaben machen.
Dieses ständige Zeigen mit dem Finger auf andere ist völlig umangebracht.
Genauso unangebracht wie die maßlosen Forderungen nach Geld von anderen Staaten, ob nun als Eurobonds oder Coronabonds.
Warum gibt es keinen europäischen Finanzminister, Verteidigungsminister, Außenminister? Da machen die Schreihälse nicht mit.
Die EU soll nur eine Goldene Kreditkarte liefern, aber entscheiden möchte jede Regierung selber.

Wilfried Düring | Mi., 8. April 2020 - 22:57

Antwort auf von Gerhard Schwedes

Lieber Herr Schwedes, Ihr Beitrag hat auch mir sehr gefallen.
Die Konsequenz aus gescheiterter Zentralisierung und Globalisierung müßte sein: Versuchen wir REGIONEN stark, lebenswert, und auf eine liebenswerte Weise 'besonders' und vielleicht sogar 'einzigartig' zu machen.
Gerne länder- bzw. staaten-übergreifend. Pommern, Schlesien und Böhmen; Flandern, Tirol, das Elsass; Siebenbürgen und die Vojvodina. Gerne auch das alte Ostpreußen - als eine zukünftige 'Brücke' zwischen den heute noch verfeindeten Polen, Balten - und Russen.
Europa sollte von unten wachsen.
Viel Geld, welches in Brüssel als 'Schmiermittel' zur Eigen-Finanzierung des bürokratischen 'Super-Apparates' 'verheizt' wird, könnte gespart und stattdessen in den Regionen produktiv verwendet werden.

Markus Michaelis | Mi., 8. April 2020 - 12:43

Es gehört zu den Mantras der Zeit, dass "Gemeinsam" immer besser ist. Ganz sicher hat es viele Vorteile und man sollte das immer mitdenken und vieles wird und sollte man gemeinsam machen. Aber ist es so klar und richtig, dass Gemeinsam immer das Allerbeste ist und nur durch falsch denkende Menschen überhaupt eingeschränkt wird? Warum treten wir dann nicht China bei, oder der afrikanischen Union? Das wäre doch noch gemeinsamer.

Ich denke, dass zum Einen Vielfalt natürlich auch ihre Vorteile hat, durch mehr parallele Versuche in Dingen, die ohnehin niemand so versteht, dass man sie planen könnte. Zum Anderen setzt Gemeinsam auch ein gemeinsames Denken, gemeinsame Ziele, gemeinsame Verantwortung voraus. Versteht man unter Gemeinsam, dass sich alles nach den eigenen Ideen richtet, ist Gemeinsam immer eine tolle Sache.

dieter schimanek | Mi., 8. April 2020 - 13:05

Gut das es nicht dazu gekommen ist! Bis sich in Brüssel alle geeinigt hätten, wären wir ausgestorben. Es gibt zumindest bei uns einen nationalen Pandemieplan, der allerdings auch nie umgesetzt wurde. 27 Länder müßten sich schnell einigen, glauben sie das tatsächlich? Ich bin froh das sich die Bundesländer zu schnellem Handeln entschlossen haben. Wäre es nach der Bundesregierung gegangen hätte es deutlich länger gedauert und die Grenzen wären auf. Nicht einmal hier in D. klappt die Einigkeit, geschweige bei der EU.

Christa Wallau | Mi., 8. April 2020 - 13:58

Antwort auf von dieter schimanek

... lieber Herr Schimanek.
Daß die EU bisher nie etwas wirklich Wichtiges auf die Beine gestellt bzw. kein einziges drängendes Problem zur allgemeinen Befriedigung gelöst hat, ficht die EU-Begeisterten nicht an.
Sie träumen ihren Traum stur weiter und fühlen sich dabei noch als fortschrittliche
Friedensapostel und die besseren Menschen auf unserem Kontinent.
Sie w o l l e n an ihren Vorstellungen vom wunderbaren Leben in zukünftigen
"Vereinigten Europäischen Staaten" festhalten - auf Biegen oder Brechen.
Kein noch so schlüssiges Argument und keine Erfahrungswerte können sie davon
abbringen.

Also: Wenig Chancen für Skeptiker und Realisten, wie Sie und ich es sind, bei den politisch Verantwortlichen in Deutschland Gehör zu finden!

Trotzdem: Gesunde und frohe Ostertage!

Dr. Roland Mock | Mi., 8. April 2020 - 15:24

Antwort auf von dieter schimanek

Sehe ich auch so. Die beste Idee wäre, die EU mal für ein Weilchen auszuknipsen: Kein „Green Deal“, keine „Solidarität“ (übersetzt: Deutschland zahlt immer), Abschaffung der CO2-Grenzwerte.... Und bloß nicht noch Einmischung der EU in die Corona-Krise. Da graut mir schon beim Gedanken....

Roland Völkel | Mi., 8. April 2020 - 16:32

Antwort auf von dieter schimanek

nicht mal, eine Einigung, in der Frage der Sommerzeitumstellung, herbeizuführen! Und bei so einen komplexen Thema wie die Pandemie, ist die Sache wohl aussichtslos!
Bleibt alle gesund & Frohe Ostern.

Klaus Funke | Mi., 8. April 2020 - 13:20

Bei allem Schrecken und dem menschlichen Leid hat dieses Virus eine reinigende Wirkung, Es befreit uns von angehäuftem Ballast und Unnützem, Aufgeblähtem. Allzu üppig, übermütig und leichtfertig verhielt sich die Menschheit in den letzten Jahren, allzu schnell wurde Altes, Bewährtes, Traditionelles und dabei Gutes, Menschliches über Bord geworfen. Ich gestehe, ich empfinde eine gewisse Freude, dass jetzt die Kreuzfahrtindustrie Schwierigkeiten hat oder die Flugwirtschaft, dass die Event-Apologeten vielleicht aussterben, dass die überriebene Globalisierung ihre Grenzen aufgezeigt bekommt. All das braucht die Menschheit nicht wirklich. Besinnung und Entschleunigung sind jetzt gefragt. Gut so. Vielleicht rafft ds Virus auch noch ein paar längst fällige politische Strukturen hinweg. Dazu gehört die EU, die als EWG völlig ausgereicht hätte. Wozu brauchen die europäischen Völker das Bürokratie-Monster Brüssel? Wegen er Reisefreiheit? Lächerlich. Weg damit. Verschlanken...

Ernst-Günther Konrad | Mi., 8. April 2020 - 17:27

Mit der alten EWG, vielleicht auf 10-12 Staaten erweitert, da wäre es vielleicht möglich gewesen. Nicht aber mit 27 Regierungen, unterschiedlichster historischer Hintergründe und eben auch verschiedenster Ethnien. Da prallen im Denken und Handeln einfach Welten aufeinander. Von einem europäischen Pandemieplan höre ich das erste mal. So, So Schäuble hat abgelehnt. Warum wohl? Wahrscheinlich deshalb, weil wir wieder zur Kasse gebeten worden wären. Als Finanzminister war Schäuble wohl bedacht, dass eben nicht alles der deutsche Steuerzahler berappt, damit Merkels Geldkoffer für "wichtigere" Dinge gefüllt bleiben.

Denn von der Finanzierbarkeit eines solchen Planes lese ich hier nichts. Es mag ja sein, das wir deutschen im Vergleich zu den anderen EU-Staaten das bessere, vielleicht sogar das beste Gesundheitssystem haben. Nur zeigt es sich gerade in dieser Krise, dass es eben gut sein mag, aber eben nicht sehr gut.
Dieser Artikel signalisiert, sie wollen die "alte" EU weiter beatmen.

Bernhard Weber | Mi., 8. April 2020 - 19:09

Natürlich hatte Deutschland keinen Plan.
Jedoch gab/gibt es eine Aufstellung von all den Dingen, die in solchen Fällen vorzubereiten bzw. zu erledigen sind, dargelegt an einer SARS-Pandemie:
Hierbei rechnete man mit mehr Kranken und Verstorbenen, also einem schlimmeren Fall.
Dargelegt in der schon oft genannten BT-Drucksache 17/12051 (im Anhang Nr. 4 ) vom September 2013. Danach gehandelt hat die Bundesregierung natürlich nicht.
Das jetzige "situationselastische" (ein anderer Ausdruck für operativ) Handeln erfolgt nach dem Prinzip
der Feuerwehr, wo brennt es am meisten.
Die EU schafft nicht einmal dies.

Rob Schuberth | Mi., 8. April 2020 - 19:23

Nun, durch diese C-Pandemie, wird deutlich wie die Illusion (eines geeinten Europa, resp. der Länder der EU) zerfällt.

Diese ideale EU war im Grunde auch nie da, sondern sie existiert immer nur in den Reden u. Köpfen Derjenigen die dieses elitäre Projekt unbedingt durchsetzen wollen.

Ein Rückschritt muss nicht schlecht sein wenn er rational gut begründet ist,.

In diesem Fall rate ich dazu: Zurück zur gut funktionierenden EG.

Schengen? Nein, zuviel ungewollte Migration, zu viel Kriminalität u. ä.

AN-Freizügigkeit? Nein, zu viel Lohndumping u. Betrugsmodelle (z. B. mit Kindern die es gar nicht gibt, für die aber KiGeld kassiert wird).
Und nie wieder Modelle irgendeiner Form eines Finanzausgleichs.

Ach ja, und entweder den Euro ganz, oder nur für bestimmte (notleidende) Länder abschaffen. Dann können die wieder ihre normalen Abwertungen fahren. Das ging Jahrzehnte gut u. war für sie besser als der Euro.