
- Der EU-Pandemieplan, den es hätte geben können
In der Corona-Krise scheint Europa, scheint die EU abgemeldet zu sein. Schengen ist ausgesetzt, die Staaten handeln nicht abgestimmt. Gibt es keinen Pandemieplan? Doch. Den gibt es oder besser: Den gab es. Die Wahrheit ist viel schlimmer.
Wer das Coronavirus und seine Begleiterscheinungen im Ausland erleben darf, der lernt das deutsche Gesundheitssystem zu schätzen. Seine im Vergleich zu fast allen anderen Ländern Europas flächendeckend bessere Ausstattung mit Technik, Schutzkleidung, Intensiv-Betten und medizinischem Personal ebenso wie seine Fähigkeit, ein Vielfaches an Tests durchzuführen und auszuwerten. Die Rede ist von Mitgliedern der EU, den entwickelten Ländern Westeuropas.
Das bedeutet nicht, dass in Deutschland alles Gold wäre, dass keine Fehler gemacht würden und keine Versäumnisse zu beheben seien. Gesundheitsminister Jens Spahn hat etwa noch Ende Januar im Bezug auf das Coronavirus öffentlich behauptet, das Infektionsgeschehen sei im Vergleich zur normalen Grippe milder. Trotzdem sei man bestmöglich selbst auf eine Grippepandemie vorbereitet, auch mit ausreichend Schutzkleidung. Ob er das heute genau so wiederholen würde, darf bezweifelt werden.
Europa ist abgemeldet
Spannender als solche Fehleinschätzungen ist aber die Frage: Wo ist eigentlich Europa in dieser weltweiten Krise? Schengen scheint beendet, zumindest ausgesetzt; Alle Grenzen sind geschlossen; Innenminister Seehofer droht „Heimkehrern“ mit Quarantäne. Seine Amtskollegen sehen das ähnlich. Ob beim Kauf von Masken und Schutzkleidung oder der Forschung zu Medikamenten und Therapien: Jedes Land agiert für sich allein und gegen alle anderen. Es gibt null gemeinsames Handeln, ja nicht einmal Abstimmung über die getroffenen Maßnahmen. Der Wunschtraum aller Nationalisten hat sich erfüllt, Europa ist abgemeldet.
Wieso eigentlich? Gerade jetzt müsste doch die Hochzeit für gemeinschaftliches Handeln sein. Und dabei ist von Corona-Bonds noch nicht die Rede, sondern nur von gemeinsamer Fürsorge, gemeinsamer Forschung, gemeinsamem Einkauf statt Konkurrenz und gegenseitiger Preistreiberei. Wo ist Europa? Gibt es keinen Pandemieplan? Doch. Den gibt es oder besser: Den gab es. Die Wahrheit ist viel schlimmer.
Die Wahrheit ist viel schlimmer
Es war ein Dienstag, genau der 9. Mai 2006, da präsentierte Michel Barnier in seiner damaligen Funktion als Sonderbeauftragter von Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel ein Thesen-Papier. Der Titel: Für eine europäische Eingreiftruppe für Zivilschutz. Explizit thematisiert wurde darin die Frage: Was macht, was kann Europa im Fall einer Pandemie?