
- Der Wuteinfänger
Donald Trump hat das Programm für die ersten 100 Tage seiner Amtszeit vorgestellt. In diesen schwierigen Zeiten könnte er der richtige Präsident sein. Er hat die aufgeladene Stimmung zwar entfacht, ist aber als Einziger in der Lage, sie auch wieder zu beruhigen
Nach der Schockstarre, die der Wahlsieg Donald Trumps ausgelöst hat, ist Nüchternheit angesagt. Letztlich war es eine demokratische Wahl. Seitdem schlug Trump versöhnliche Töne an. Das ist nicht nur gespielt: die Unverschämtheiten, die Trump im Wahlkampf äußerte, waren Überredungsrhetoriken, um gewählt zu werden. Dass er den Hass der US-Amerikaner schürte, ist das schwerste Erbe dieses Wahlkampfes. Aber das heißt nicht, dass es so weitergehen muss.
Die Menschen in den USA waren schon lange vorher hasserfüllt und wütend. Trump hat diese Disposition nur brachial ausgenutzt, indem er sie förderte und öffentlich aussprach. Damit hat er zwar gewonnen, aber zugleich das Problem geschaffen, dass seine Unterstützer ihre Hasstiraden und wütenden Forderungen nicht aufgeben werden.
Freibrief für Hass
Momentan ist er ihr Wutdelegierter. Wenn Trump aber in den Mühlen der Politik- und Rechtsprozesse nicht nur langsam, sondern zurückrudernd auftreten wird, beginnt die große Distanzierung. Irgendwann werden die Armen merken, dass ein Milliardär sich nicht eignet, ihnen Recht und Einkommen zukommen zu lassen. Die Gefahr, dass dann, wenn Trump die Erwartungen enttäuscht, schlimmere Figuren auftreten werden, ist nicht gebannt.
Wenn wir aber davon ausgehen, dass Trump das weiß, wird er alles tun, um die Wut der Wähler nicht weiter ausbrechen zu lassen. Denn sie fangen bereits an, offen rassistisch in den Straßen aufzutreten. Der Sieg Trumps ist für viele der Freibrief, Minderheiten offen zu beschimpfen und zu bedrohen. So betrachtet, ist Trump die einzige Figur, die ihre Wut und ihren Hass auffangen und abmildern kann. Es kommt jetzt darauf an, die Balance zu halten zwischen teilweiser Erfüllung der Wahlversprechen und kluger Politik.
Das Ende des Neoliberalismus
Selbst wenn Trump nicht weiß, dass das seine eigentliche Aufgabe und Verantwortung ist, wird er über den allgemeinen Patriotismus und unter Zuhilfenahme neuer politischer und administrativer Kräfte genauso agieren, wie es nötig ist, um den abdriftenden Teil amerikanischer Bürgerschaften wieder einzubinden. Niemand anderer hätte das jetzt gekonnt. Hillary Clinton schon gar nicht. Aber auch nicht die radikal-christlichen Republikaner wie Ted Cruz, die ja eher die fundamentalistischen Prinzipien als die Wut der Bürger repräsentierten.
Es kommt jetzt auf die „mixed policy“ an, das heißt auf eine Art von Politik, die die wütenden Bürger eigentlich nicht mehr wollen. Aber nur so kann Trump das Land im Fahrwasser halten. Er wird dafür Arbeitsplätze subventionieren und damit die hohe Verschuldung des Staates ins Unermessliche erhöhen. Die neoliberale Epoche ist nun endgültig beendet. Wir kommen in einen Staatspaternalismus, der sozialdemokratische Umverteilungszüge tragen muss. Nur dass das in den USA niemand so nennen darf, obwohl alle genau das wollen und fordern. Der Kapitalismus, das große Glücksversprechen des „american dream“ ist für die Wähler Trumps abgewirtschaftet; sie müssen auf den starken Mann und damit auf den Staat vertrauen.
Per Kurznachrichtendienst Twitter stellte der künftige US-Präsident sein Programm für die ersten 100 Tage seiner Amtszeit vor. Demnach will Trump aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP aussteigen und „Wohlstand und Jobs für amerikanische Arbeiter“ schaffen. Dazu sollen unter anderem Regulierungen, zum Beispiel im Energiebereich, gestrichen werden.
Kein Idiot, sondern Geschäftsmann
Wenn Trump begreift, welche Aufgabe er tatsächlich zu erfüllen hat, dann kann der Angriff auf die Demokratie, der aus der Wut der Bürger herrührt, abgewendet werden. Denn Trump genießt Vertrauen, was hoffentlich ausreicht, um einige Maßnahmen zu lancieren, die einige der Wütenden wieder beruhigen und eine andere, weniger aufgeladene Atmosphäre im Land schaffen könnten.
Möglichweise ist er genau der richtige Präsident in dieser schwierigen Situation. Nur er kann die Wütenden in die Demokratie zurückholen, wenn diese auch dabei verbogen wird. Trump als Idioten darzustellen, ist unbedacht bis unklug. Selbst wenn er ein eher schlichtes Gemüt sein sollte, arbeitet er funktional und konstruktiv. Es ist absurd, ihm zu unterstellen, dass er die Wutbürger fördern möchte. Allein aus Geschäftsinteressen könnte er nicht zulassen, dass die Armen und Verlierer die Politik der USA bestimmen sollten. Er wird nur die Politik fahren, die sein Geschäft nicht schädigt.
Eine andere Meinung zum künftigen US-Präsidenten Donald Trump vertritt der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel. Lesen Sie hier seinen Artikel „Belehrungen von oben bringen nichts“.