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(picture alliance) Das Schmipfwort "du Jude!" verweist auf eine besondere Tradition des Antisemitismus

Antisemitismus - Die Stimme des Muftis auf den Schulhöfen

Verblasst auf deutschen Schulhöfen die Kenntnis um das Jahrtausendverbrechen? Neue antisemitische Beleidigungen kommen dort in Mode und zeigen eine alte Verbindung zwischen deutschem Antisemitimus, dem historischen Großmufti von Jerusalem und der PLO auf

Auf manchen Berliner Schulhöfen, auf denen Söhne muslimischer Einwanderer den Ton angeben, hat sich neben „du Opfer!“ die antisemitisch konnotierte Beleidigung „du Jude!“ verbreitet. Staatliche Integrationsbemühungen für islamische Bürger stoßen hier auf ein besonderes Problem: Wer deutscher Staatsbürger wird, der sollte auch die deutsche Schuldgeschichte des Antisemitismus und seiner Folgen kennen. Daran hapert es.

Die grundsätzliche Frage, ob die politische, gesellschaftliche Verantwortung einer Nation – im deutschen Fall diejenige für den Holocaust – übertragbar ist in ein persönliches Verantwortungsgefühl, verblasst im Generationenwechsel. Was jedoch bleiben sollte, ist die historische Kenntnis des Jahrtausendverbrechens. Es zu erinnern, obliegt auch eingebürgerten Immigranten, die sich entschieden haben, in der Bundesrepublik zu leben. Aus jener Kenntnis wächst die Verpflichtung, Antisemitismus zu bekämpfen – in der eigenen Familie und im eigenen Kulturkreis.

Unter dem Deckwort des „Antizionismus“ ist er in islamischen Organisationen hierzulande virulent. Viele Schulkinder (nicht nur die muslimischen) reden wie ihre Eltern. Jenes Schimpfwort, „du Jude!“, verweist auf eine besondere Tradition des Antisemitismus, die Deutschland geschichtlich mit dem arabischen Raum verbindet. Eine ideologische Hass-Linie führt von Adolf Eichmann über den historischen Großmufti von Jerusalem, al Husseini, bis zu dessen Nachfolger in unseren Tagen.

Vor 50 Jahren, im Mai 1962, wurde der zum Tod verurteilte Eichmann als Organisator des Völkermords an Europas Juden in Israel gehängt. Seine Asche wurde vor der Küste des Landes im Meer verstreut. Eichmanns Verteidigungsstrategie in Jerusalem – er sei nur ein winziges Rad in der Verwaltungsbürokratie des Genozids gewesen – hatte den verharmlosenden Begriff des „Schreibtischtäters“ durchgesetzt. Dass der SS-Hauptsturmbannführer in Wirklichkeit keineswegs der gehorsame kleine Beamte war, hat die Autorin Bettina Stangneth in ihrem Buch über „das unbehelligte Leben eines Massenmörders“, „Eichmann vor Jerusalem“, herausgearbeitet. Er reiste oft durch die Schreckenslandschaft des Holocaust und kannte die von ihm und seinesgleichen beschickten Vernichtungslager.

Nicht erst im argentinischen Exil rühmte sich der Teilnehmer der Endlösungskonferenz in Wannsee seiner Bekanntschaft mit dem Großmufti von Jerusalem, al Husseini, der 1941 in Berlin auf der Flucht vor der britischen Kolonialmacht ein Asyl gefunden hatte, eine teilweise muslimische SS-Brigade rekrutierte und der in Radiosendungen im arabischen Raum verkündete: „Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet. Das gefällt Gott, der Geschichte, dem Glauben.“ Nach dem Krieg lebte er unbehelligt in Kairo, wo er 1974 starb – ein unerbittlicher, antisemitischer Feind Israels.

Sein gleichgestimmter, gegenwärtiger Nachfolger im hohen geistlichen Amt ist Jerusalems Großmufti Muhammad Hussein. Eingesetzt hat ihn der Nachfolger Arafats und Regierungschef des autonomen Palästina, Mahmud Abbas, inzwischen gern gesehener Gesprächspartner der Bundesregierung.

Als Abbas’ Fatah-Organisation Anfang des Jahres ein Gründungsjubiläum feierte und ihrer terroristischen „Märtyrer“ gedachte, zitierte der Mufti in einer Fernsehsendung eine „Hadith“ – eine überlieferte Anweisung – des Propheten Mohammed: „Der jüngste Tag wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen und sie töten, sodass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken. Und jeder Baum und jeder Stein wird sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Gottes, da ist ein Jude hinter mir, komm und töte ihn.‘“

Die Abbas-Regierung lehnte es ab, sich von dem Mufti zu distanzieren. Er sei aus dem Zusammenhang zitiert worden. Aber der TV?Moderator, der ihn einführte, hatte den Zusammenhang in klaren Worten hergestellt: „Unser Krieg gegen die Nachfahren der Affen und Schweine ist ein Krieg der Religion und des Glaubens.“ Der Sender wird, wie andere palästinensische Institutionen auch, mit EU?Mitteln kofinanziert. In Schulbüchern der PLO, in Großbritannien gedruckt, fehlten Israels Grenzen.

Europas Politiker ringen die Hände angesichts der obstinaten Politik des israelischen Premiers Netanjahu – als hinge der Fortgang des sogenannten Friedensprozesses einzig und allein von seinem guten Willen ab. Es bedarf allerdings keiner außerordentlichen Vorstellungskraft, um sich in die Gemütslage eines israelischen Zuhörers zu versetzen, der solche Mordaufrufe an der realen Geschichte der Juden misst.
Auf eine kritische Stellungnahme der islamischen Verbände in Deutschland zu hoffen, wäre vergebliche Liebesmüh. Auf den Schulhöfen von Berlin spricht die Stimme des Muftis – und nicht nur seine – in scheinbar kindlicher Unschuld. 

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