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Flüchtlingspolitik in Griechenland - Die Angst vor dem Domino-Effekt

Griechenland beobachtet die Grenzschließungen in anderen EU-Ländern mit großer Sorge: Am Ende müsste es allein mit den Flüchtlingen fertig werden. Dabei greift der Vorwurf, Athen sichere seine Grenzen nicht richtig, ins Leere

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Alkyone Karamanolis ist freie Journalistin und auf das Thema Griechenland spezialisiert.

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Rucksäcke, Schlafsäcke, Regencapes – im Athener Stadtzentrum, dort, wo die Busse nach Nordgriechenland starten, haben sich die Geschäfte auf Reiseausstattung für Flüchtlinge spezialisiert. Bislang ist Griechenland ein Transitland: von rund 860.000 Flüchtlingen, die vergangenes Jahr dort angekommen sind, haben nur 13.197 einen Asylantrag in Griechenland gestellt. Zum Vergleich: in Deutschland beantragten im gleichen Zeitraum 476.649 Menschen Asyl.

Drohender Ausschluss aus dem Schengen-Raum


Entsprechend besorgt verfolgt Griechenland die sukzessiven Grenzschließungen und Aufnahmebeschränkungen für Flüchtlinge in Mittel- und Nordeuropa. Einen Vorgeschmack auf das, was kommen könnte, gab es zuletzt am Sonntag, als Mazedonien seinen Grenzübergang vorübergehend sperrte: nach drei Stunden hatte sich auf griechischer Seite ein Rückstau von etwa 2.500 Menschen gebildet. Es war bereits das zweite Mal innerhalb von nur einer Woche, dass Mazedonien seine Grenze provisorisch dicht machte. Sollte Griechenlands nördlicher Nachbar endgültig Ernst machen, würde das de facto den Ausschluss Griechenlands aus dem Schengen-Raum bedeuten.

Schon jetzt lassen die mazedonischen Grenzbeamten nur Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak weiterreisen und auch das nur, wenn sie als Zielland Deutschland oder Österreich angeben. Die wachsende Zahl von Migranten aus Nordafrika, aber auch Flüchtlinge aus anderen Ländern, etwa Iran, stecken in Griechenland fest. Macht man sich klar, dass allein seit Anfang des Jahres über 35.000 Flüchtlinge und Migranten neu in Griechenland angekommen sind, wird das Ausmaß der Herausforderung, vor die sich das krisengebeutelte Land gestellt sieht, schnell deutlich.

Griechenland will Dublin reformieren


Dabei reagiert man in Athen verschnupft auf den Vorwurf, Griechenland sichere seine Grenzen nicht hinreichend, und tatsächlich ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der Landgrenze mit der Türkei vernachlässigbar. Anders gestaltet sich die Lage in der Ägäis. Hier sieht sich Griechenland aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet, Menschen aus Seenot zu retten. Alles andere, so die Argumentation Griechenlands, liefe auf illegale Push-Back-Aktionen hinaus. Erst vor wenigen Tagen sind wieder 42 Flüchtlinge auf der Überfahrt nach Griechenland ertrunken, unter ihnen 17 Kinder.

Griechenland wirbt daher für eine gesamteuropäische Lösung, so zuletzt auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos, wo der griechische Premier Alexis Tsipras eindringlich an die Solidarität seiner Amtskollegen appelliert hat. Das Problem lasse sich nicht auf nationaler Ebene lösen. Deshalb hofft Griechenland auch auf eine Reform des Dublin-Systems, wie sie EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker vergangene Woche angeregt hat.

In der Flüchtlingsfrage allein gelassen


Denn Griechenland würde Chaos drohen, bliebe es in der Flüchtlingsfrage auf sich allein gestellt. Bereits 2011 hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg in einem Grundsatzurteil entschieden, Asylsuchende nicht nach Griechenland zu überstellen, auch, wenn Griechenland als ihr Einreiseland für das Asylverfahren zuständig wäre. Als Grund führten die Richter das mangelhafte Asylsystem und die unzureichenden Aufnahmebedingungen an. Am Asylsystem ist seither zwar ein wenig nachgebessert worden, die Aufnahmebedinungen in Griechenland sind jedoch weiterhin ungenügend.

Unverändert angespannt sind auch die politische und die wirtschaftliche Situation. Mit fast 25 Prozent liegt die Arbeitslosenquote in Griechenland so hoch wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union, von einer Erholung ist man noch weit entfernt.

Rechtsextremisten sind die Gewinner der Krise


Zwar kommen die Griechen den Flüchtlingen bislang ausgesprochen hilfsbereit entgegen. Doch zumindest ein Teil der Bevölkerung dürfte seine Haltung ändern, sollten die bislang durchziehenden Menschen zu Dauergästen werden. So regte sich sofort Protest, als vergangenen Sommer ein Aufnahmezentrum für 100.000 Flüchtlinge in der Nähe von Athen angekündigt wurde. Auch im nordgriechischen Katerini gibt es Widerstand gegen ein geplantes Aufnahmezentrum. Im Athener Innenministerium besteht außerdem die Befürchtung, die Hotspots könnten, obwohl als Durchgangslager konzipiert, zu Daueraufnahmeeinrichtungen werden, weil Europa, so die Sichtweise in Griechenland, ein gemeinsames Problem an den Rand der Gemeinschaft abzuschieben versucht. Nutznießer dieser Situation wäre dann wohl die Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“, der große politische Gewinner der Krise und nach wie vor drittstärkste politische Kraft im Land.

Im Geschachere darum, wie und wo dem Flüchtlingsstrom Einhalt zu gebieten sei, verweist Griechenland jedenfalls auf seinen östlichen Nachbarn, die Türkei. Dieser lasse den Schleusern freie Hand und ziere sich außerdem bei der Rücknahme illegaler Migranten. Die Flüchtlingsproblematik, so die Überzeugung in Athen, sei nur zu lösen, indem man die Fluchtursachen bekämpfe. Hier sind Athen und Berlin ausnahmsweise mal einer Meinung.

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