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(Picture Alliance) In der Eurokrise fallen die Staaten wie Dominosteine

Spanien am Abgrund - Das Euro-Endspiel hat begonnen

Merkels Strategie gegen die Eurokrise ist krachend gescheitert: Spanien steht am Abgrund und kann sich nicht mehr über die Kapitalmärkte finanzieren. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist zwar noch längst nicht pleite, doch die Anleger spielen nicht mehr mit. Das lange gefürchtete Endspiel der Eurokrise hat begonnen

In der Eurokrise fallen die Staaten wie Dominosteine. Nach Griechenland, Irland und Portugal ist nun offenbar Spanien an der Reihe: Das Land kann sich nicht mehr über die Kapitalmärkte finanzieren, wie Finanzminister Cristóbal Montoro am Dienstag gestand. Es war ein dramatischer Offenbarungseid, der den Anfang vom Ende des Euro bedeuten könnte.

Zuvor waren die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen in die Nähe der „Todeszone“ von sieben Prozent geklettert. Damit wurde es für Madrid endgültig zu teuer, sich an den Märkten Geld zu beschaffen. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist zwar noch längst nicht pleite, Spanien ist nicht Griechenland, doch die Anleger spielen nicht mehr mit. 

Damit verfliegt die Illusion, Europa habe die Lage im Griff. Und es wird offensichtlich, dass die deutsche Strategie zur Eindämmung der Krise auf ganzer Linie gescheitert ist. Strenge Disziplin für die Staaten und freies Spiel für die Märkte hieß das Rezept aus dem Kanzleramt. Durch Druck von innen und außen, so die Theorie, werde sich die Lage nach und nach verbessern.

Der neue Fiskalpakt, so verkündete Kanzlerin Angela Merkel noch im März, werde den Euroländern ein paar Monate Luft verschaffen. Mit Schuldenbremsen nach deutschem Muster und tief greifenden Strukturreformen könnten sich die überschuldeten Staaten wieder fit für die Märkte machen. Der Fiskalpakt sei ein „Meilenstein“, fügte sie stolz hinzu.

[gallery:Griechenland unter: Karikaturen aus zwei Jahren Eurokrise]

Doch Merkels Strategie griff schon damals zu kurz. Wo immer ihre Therapie umgesetzt wurde, verschärfte sich die Krise. Irland und Portugal geht es heute, zwei Jahre nach der Flucht unter den Euro-Rettungsschirm, nicht besser als vorher, im Gegenteil: wahrscheinlich brauchen beide Länder neue Hilfspakete. Und in Griechenland droht der völlige Absturz.

In der jüngeren Wirtschaftsgeschichte ist es noch keinem Land gelungen, sich durch Kürzen und Schrumpfen seiner Schulden zu entledigen. Ohne Wachstum geht es nicht. Merkel ignorierte diese grundlegende ökonomische Einsicht jedoch ebenso wie den Hinweis vieler Experten, dass hinter der Schuldenkrise immer noch eine Bankenkrise steckt.

Beides rächt sich nun. Der Schrumpfkurs, den Berlin und Brüssel Spanien verordnet haben, führte geradewegs in die Rezession. Das Land, das noch vor fünf Jahren traumhafte Wachstumsraten aufwies und ein vorbildliches Budget vorlegte, erscheint heute als der kranke Mann Südeuropas.

Und die Bankenkrise, die nach dem Platzen der Immobilienblase entstand, droht jetzt in eine Staatsschuldenkrise umzuschlagen. Denn die Banken brauchen frisches Kapital, das sie an den Märkten nicht mehr bekommen. Nun soll der Staat einspringen - doch das könnte Madrid überfordern.

Seite 2: Für Spanien ist kein Platz mehr unterm Euro-Rettungsschirm...

Na und? Sollen die Spanier doch unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen und sich die Kredite dort besorgen, heißt die Antwort aus Berlin. Schließlich haben es die anderen Euro-Krisenländer ja auch so gemacht; genau dafür sei der milliardenschwere Fonds ja geschaffen worden. 

Doch so einfach ist die Sache nicht. Zum einen ist Spanien zu groß für eine weitere Rettungsaktion. Der Rettungsschirm könnte zwar wohl noch die für die Stützung maroder Banken nötige Summe aufbringen. Doch das ganze Land könnte er wohl kaum auffangen - schließlich ist Spanien größer als Griechenland, Irland und Portugal zusammen.

Zum anderen würde eine erneute Stützungsaktion den Rettungsschirm selbst in eine gefährliche Schieflage bringen. Wenn sogar Spanien, dessen Schuldenquote immer noch niedriger ist als die deutsche, künstlich beatmet werden muss, würde sich die Aufmerksamkeit der Märkte sofort auf Italien konzentrieren, das Europas größten Schuldenberg vor sich herschiebt.

Und dann würde offenbar, dass für Italien kein Geld mehr da ist - eine Einladung für Spekulanten und Eurogegner aller Welt, auch diese letzte Bastion zu knacken. Dann wäre die böse Prophezeiung erfüllt: Alle so genannten PIGS-Staaten - Portugal, Italien, Griechenland und Spanien - wären gefallen, die Währungsunion wäre sturmreif geschossen.

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist eine Bankrotterklärung für die Krisenpolitik, die vor allem in Berlin konzipiert wurde. In den drei Jahren seit Beginn der Schuldenkrise hat sich die Lage permanent verschlechtert. Mittlerweile ist es schon so schlimm, dass die G7 hektische Krisensitzungen einberuft, um eine weitere Eskalation zu verhindern. 
 
Europa ist zum Krisenherd der Weltwirtschaft geworden - doch Merkel tut immer noch so, als könne sie weiter machen wie bisher. Ex-Außenminister Joschka Fischer hat ihr deshalb vorgeworfen, Europa an den Abgrund zu führen. Fischer ist sogar so weit gegangen, vor einem neuen historischen Versagen Deutschlands zu warnen, ähnlich wie vor dem 1. und 2. Weltkrieg.

So weit muss man nicht gehen. Doch klar ist, dass in Spanien das lange gefürchtete Endspiel der Eurokrise begonnen hat, und dass sein Ausgang so oder so auf Deutschland zurückfallen wird. Merkel wird sich daher mehr einfallen lassen müssen, wenn sie nicht als Mitschuldige am Scheitern Spaniens und damit vermutlich auch des Euros dastehen will.

Und sie wird schnell handeln müssen. Denn die Uhr tickt - spätestens beim EU-Gipfel Ende Juni muss ein schlüssiges Rettungskonzept stehen. Es muss mehr beinhalten als Sparen und Strukturreformen, viel mehr. Ob die Kanzlerin dieser Verantwortung gerecht wird? Bisher hat sie nicht einmal Problembewusstsein erkennen lassen.

 

 

 

 

 

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