Corona-Impfskandal in Polen - Sonderrechte für Promis

Während der Impfstart in Deutschland schleppend verläuft, wird er in Polen überschattet von einem Skandal an der Warschauer Universitätsklinik. Diese hat Prominente bei der Impfung bevorzugt. Es ist ein Skandal, der die Arroganz vieler Prominenter aus Politik und Kultur offenbart.

PiS-Chef Jarosław Kaczyński hat bei den Regeln gegen Corona auch schon Privilegien genossen / dpa
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Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Ihre Freude konnte und wollte Alicja Jakubowska nicht verbergen. „Sieht man die Freude in meinen Augen?“, fragte die Warschauer Krankenschwester, die am 27. Dezember 2020 als erste Person in Polen gegen das Coronavirus geimpft wurde, die versammelte Presse. Dass mit Jakubowska eine Krankenschwester zuerst gegen das Coronavirus geimpft wurde, ist kein Zufall.

Im Gegensatz zu Deutschland und anderen europäischen Staaten verfolgt Polen eine andere Impfstrategie und lässt zuerst Personal aus dem medizinischen Bereich, Verwaltungsmitarbeiter medizinischer Einrichtungen sowie Pflegekräfte in Altersheimen impfen. Eine Ausnahme bilden lediglich Eltern von Frühchen, die ebenfalls die Impfung außerhalb der Reihe erhalten sollen. Insgesamt gehören zu der sogenannten „Gruppe 0“ rund eine Million Menschen.

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Skandal an Warschauer Universitätsklinikum

Wie ein Skandal an der Warschauer Universitätsklinik jedoch zeigt, helfen Beziehungen und ein bekannter Name, die in Polen praktizierte Impfstrategie zu umgehen. Neben Ärzten, Pflegekräften und zum Teil auch deren Familienangehörigen wurden bis zum Ende des Jahres auch 18 Prominente gegen Covid-19 geimpft, darunter der ehemalige Ministerpräsident und heutige Europaabgeordnete Leszek Miller und die Schauspielerin Krystyna Janda, die durch ihre Rollen in den Filmen von Andrzej Wajda und Auftritten in einigen Fernsehproduktionen von Dieter Wedel auch in Deutschland bekannt wurde.

Beide waren so stolz auf ihre vorzeitige Impfung, dass sie sich sogar in den sozialen Netzwerken mit diesen rühmten. Nichts Verwerfliches an dieser Vorgehensweise sah auch die Universitätsklinik. In einer am 31. Dezember veröffentlichten Mitteilung mit dem Titel „Die Warschauer Universitätsklinik wirbt für die Impfung gegen Covid-19“, berichtete sie voller Stolz von einer zusätzlich erhaltenen Lieferung von 450 Impfdosen, mit der 300 Mitarbeiter der Universitätsklinik, 150 Familienangehörige des medizinischen Personals und Patienten der Universitätsklinik, darunter 18 „bekannte Personen aus der Welt der Kunst und Kultur“, geimpft wurden.

Die Rechtfertigung

Gerechtfertigt hat dies die Klinik mit der von der staatlichen Agentur für Materialreserven erhaltenen Vorgabe, diese Impfdosen bis zum Ende des Jahres zu verbrauchen. Eine Motivation der Warschauer Universitätsklinik, die durchaus berechtigt sein mag. Laut einer aktuellen Umfrage, die im Auftrag der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita durchgeführte wurde, wollen sich 44 Prozent der Polen nicht gegen Covid-19 impfen lassen.

Als Hauptgrund geben die meisten an, dass sie dem Impfmittel nicht trauen, da dieses schnell entwickelt wurde. Doch aus der erhofften Werbeaktion entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit ein Skandal, der die polnische Öffentlichkeit nun seit Anfang des Jahres beschäftigt. Die heftige Kritik an der Warschauer Universitätsklinik und den beteiligten Prominenten ist nicht unbegründet.

Von Studenten veröffentlicht

Publik machten den Skandal Studenten der Warschauer Universitätsklinik, die in den sozialen Netzwerken über einen Arzt berichteten, der keine Impfung erhielt, weil ihm ein bekannter Schauspieler vorgezogen wurde. Seitdem melden sich weitere Ärzte und Pflegekräfte der Universitätsklinik zu Wort, welche die Bevorzugung der Promis nicht nur beklagen, sondern auch darauf verweisen, selbst noch nicht geimpft worden zu sein.

Für eine Abkühlung der Emotionen konnten auch die Rechtfertigungen der Beteiligten nicht sorgen. An der Behauptung der Universitätsklinik, man wollte mit der Aktion Werbung für die Coronaimpfung machen, lässt sich jedenfalls bezweifeln, wenn man bedenkt, dass zu den außerhalb der Reihe geimpften auch Edward Miszczak gehört. Dieser ist zwar Programmdirektor von TVN, dem größten privaten Fernsehsender in Polen, der breiten Öffentlichkeit ist er jedoch nicht bekannt. Ebenfalls zu den Geimpften soll der Medienunternehmer Mariusz Walter gehören, der den heute zum Discovery-Konzern gehörenden Sender TVN gründete. Ebenfalls pikant ist, dass Zbigniew Gaciong, der Rektor der Medizinischen Fakultät, Vize-Vorsitzender des TVN-Stiftungsrates ist.

Auch PiS-Politiker genießen Privilegien

Krystyna Janda wiederum entschuldigte sich, doch ein Einsehen wollte sich nicht richtig zeigen. In einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung verwies sie auf Elvis Presley, der 1956 für die Polio-Impfung warb. Es sind jedoch nicht nur die zum Teil widersprüchlichen Aussagen der Beteiligten und die noch in der Angelegenheit vielen offenen Fragen, welche den Skandal hochkochen lassen, sondern auch die regierungsnahen Medien. Für diese sind die Impfungen der Prominenten seit Tagen das wichtigste Thema.

Was nicht nur an dem Umstand liegt, dass Krystyna Janda aus ihrer Abneigung für die regierende PiS kein Geheimnis macht und der Fernsehsender TVN für seine regierungskritische Berichterstattung bekannt ist. Antielitäre Rhetorik gehört seit Jahren zum festen Repertoire der polnischen Nationalkonservativen. Dabei zeigte die Covid-19-Pandemie, dass auch PiS-Politiker besondere Privilegien für sich in Anspruch nehmen.

Für Schlagzeilen sorgen zurzeit auch Landräte, die sich außerhalb der Reihe haben impfen lassen. Darunter auch einige der PiS, von denen manche aber als Reaktion aus der Partei ausgeschlossen wurden. Das bekannteste Beispiel ist jedoch der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński. Dieser besuchte am 10. April, dem 10. Jahrestags des Flugzeugunglücks von Smolensk, das Grab seiner Mutter, zu dem auch eine Tafel für seinen in Krakau beigesetzten Bruder Lech gehört. Für die normalen Polen waren die Friedhöfe während des damaligen Lockdowns nicht zugänglich.

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