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Zypernkrise - Ein Lehrstück in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Eskaliert die Eurokrise erneut? Nach dem Nein der Zyprer zur umstrittenen Zwangsabgabe für Sparer sah es zunächst ganz danach aus. Doch Politik und Märkte reagieren erstaunlich gelassen - denn die Ablehnung hat auch ihr Gutes

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Hand aufs Herz: Letztlich sind wir doch alle erleichtert, dass die Zyprer die Zwangsabgabe auf Sparkonten gekippt haben. Denn was die Euroretter hinter verschlossenen Türen ausgeheckt haben, hätte sich allzu leicht zum Angriff auf das Ersparte aller Europäer und auf die Einlagensicherung in der gesamten EU entwickeln können.

Zypern sei nur ein Testlabor, bald würden andere Länder folgen, warnten wütende Demonstranten auf der Mittelmeerinsel. Viele Bürger in Deutschland dachten ganz ähnlich. Die Verunsicherung war so groß, dass sich Kanzlerin Angela Merkel sogar gezwungen sah, zu erklären, die deutschen Konten seien sicher. Ein Alarmsignal!

Umso besser, dass die Zwangsabgabe nun vom Tisch ist. Sogar die Börse jubelt, was beweist, dass die viel beschworenen Märkte dem Nein aus Nikosia durchaus etwas Positives abgewinnen können. Genau wie die Bürger hatten viele Anleger begonnen, am Verstand der Euroretter zu zweifeln - nun macht sich Erleichterung breit.

Gut ist auch, dass sich das frisch gewählte zyprische Parlament über das Diktat aus Brüssel hinweggesetzt hat. Kanzlerin Merkel hatte sich persönlich in den Wahlkampf in Nikosia eingemischt und für die nun regierenden Konservativen geworben. Jetzt sind diese demokratisch legitimiert - und dürfen auch mal Nein sagen.

Es ist ein Lehrstück in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das uns dieser Tage in Nikosia, Brüssel und Berlin geboten wird. Die Euroretter mussten lernen, dass sie sich nicht ungestraft über den Willen des Volkes und über EU-Recht hinwegsetzen können - auch nicht, wenn es um die Rettung einer Zockerinsel geht.

Und die Zyprer müssen lernen, dass sie ihr Geschäftsmodell ändern müssen. Statt der Zwangsabgabe auf Sparguthaben müssen sie nun andere Mittel und Wege suchen, um ihren Anteil an der Rettung der Banken zu leisten. Ob dieser Anteil nun 5,8 Mrd. Euro betragen muss, wie es die Eurogruppe fordert, oder ein paar Millionen weniger, ist dabei im Grunde unerheblich.

Denn, und das ist die dritte Lektion aus der Zypern-Krise, so schnell lassen Brüssel und Berlin ein Euro-Mitglied nicht fallen. Noch am Samstag hatten sie lauthals gedroht, Zypern kurzerhand Pleite gehen zu lassen, falls es die Auflagen der Eurogruppe nicht auf Punkt und Komma umsetzen würde.

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Und nun? Nichts! Obwohl ein zentraler Teil des Spar- und Reformdiktats gescheitert ist, macht die Eurogruppe weiter wie zuvor. Er „nehme Kenntnis“ von der Ablehnung der Zwangsabgabe und „bekräftige“ die „Bereitschaft, Zypern in seinen Reformbemühungen zu unterstützen“, teilte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem lapidar mit.

Gleichzeitig ließ die Europäische Zentralbank wissen, dass sie die beiden großen zyprischen Banken vorerst weiter finanzieren werde, um sie vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten. Die Drohung, den Geldhahn zuzudrehen, hat sich über Nacht in Luft aufgelöst. Selbst in Berlin ist der Ton plötzlich konzilianter geworden.

Denn im Ernst kann niemand wollen, dass sich Zypern nun in die Arme Russlands wirft. Damit wären alle außen- und energiepolitischen Ambitionen der EU auf Jahrzehnte zunichte gemacht. Wenn die zyprischen Gasfelder in die Hand von Gazprom gelangen, kann Europa seinen Traum von der energiepolitischen Autonomie endgültig vergessen.

Genauso kann niemand eine ungeordnete Pleite wollen. Schon gar nicht Berlin - denn deutsche Banken sind mit fast 6 Mrd. Euro auf Zypern einer der größten Gläubiger. Und Deutschland trägt eine besondere Mitverantwortung für die Krise. Schließlich war es Schäuble, der die Rettung monatelang verschleppte. Wenn sie jetzt scheitert, wird man ihm die Schuld in die Schuhe schieben.

Man wird sich also zusammenraufen müssen. Wenn es gut läuft, könnte am Ende zum ersten Mal ein wirklicher Kompromiss stehen - also kein Diktat aus Brüssel, sondern ein Paket, das ordentlich durchverhandelt wurde. Dies hätte eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung für die anderen Krisenländer. Seht her, die Eurogruppe lässt ja doch mit sich reden, wäre die erfreuliche Botschaft.

Und wenn es schlecht läuft? Wenn die Zyprer versuchen, die Euroretter zu erpressen - oder wenn sich Berlin stur stellt und jeden Kompromiss verhindert? Dann sieht es düster aus um die Zukunft der Gemeinschaftswährung. Dann könnte es doch noch zum großen Knall kommen - und das ausgerechnet kurz vor der Bundestagswahl.

Diese finstere Aussicht ist aber schon wieder Grund genug, doch noch einen Ausweg zu suchen - nicht wahr, Herr Schäuble?

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