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(picture alliance) Die eigene Leistung soll zählen, die ehrliche Anstrengung.

USA - Wie gut, dass es Mitt Romney gab

Mitt Romney hat die Wahl nicht umsonst verloren. Die politischen Pläne der Republikaner waren teilweise absurd. Richtig allerdings war ein Teil der Rhetorik

Wie gut, dass es Mitt Romney gab! Wie gut, dass er mit Paul Ryan einen obersten Schuldenbekämpfer zu seinem Vize machte! Wie gut, dass die Republikaner in Amerika fast gleich so stark sind wie die Demokraten!

Denn damit bleibt ein Prinzip erhalten, das verloren zu gehen drohte – das Leistungsprinzip. Es wurde und wird viel geschmäht. Dabei muss sich jede Gesellschaft die Frage stellen: Nach welchen Kriterien wollen wir uns aufbauen? Was soll zählen und über Einfluss, Macht und Wohlstand entscheiden? Früher waren es die physische Stärke und die Zahl der Kinder, dann kamen Geburt und Abstammung hinzu. Stände, Zünfte und Zugehörigkeiten, auch kirchlicher Art bestimmten über Rang und Würde.

Doch ob Kaste oder Adel, Erbschaft oder Glück: All solche Kriterien wurden nach und nach als ungerecht empfunden. Jede Art von Protektionismus gilt inzwischen als unfair. Das Individuum selbst will über sein Schicksal bestimmen dürfen. Der Mensch will Schmied seines eigenen Glückes sein.

Darum empört leistungslose Karriere, der anstrengungslose Wohlstand. Die Gehälter von Bankmanagern, Fußballprofis, Schauspielern, Künstlern und Showstars stehen in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu ihren persönlichen Fähigkeiten, Talenten und Risiken, die sie eingehen. In der Bildungspolitik stößt der enge Zusammenhang zwischen familiärem Hintergrund (reich) und Schul- beziehungsweise Universitäts-Abschluss (gut) unangenehm auf. Der Millionenerbe, der sein Vermögen verprasst, gilt nicht als Lebemann, sondern als Nichtsnutz.

Die eigene Leistung soll zählen, die ehrliche Anstrengung. Was auch sonst?

Doch das tut es nicht. Schon von Geburt an sind Menschen unterschiedlich. Groß, klein, stark, schwach, extrovertiert, introvertiert, eher schnell, eher langsam. Außerdem kann das Schicksal zuschlagen. Antriebsschwäche, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Behinderung, Sucht, familiäre Nöte – nur für einen Bruchteil dieser Faktoren sind die Menschen selbst verantwortlich. Vieles trifft sie ohne ihr Zutun. Deshalb muss es neben der Leistung ein anderes Prinzip geben, das die Gesellschaft formt: der Zusammenhalt, die Solidarität. Der Starke hilft dem Schwachen.

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Mitt Romney und die Republikaner wollten Amerika nicht gerechter machen. Im Gegenteil: Wären sie an die Macht gekommen, wären die gesellschaftlichen Gräben tiefer geworden. Außerdem wollten sie noch mehr Geld in die Verteidigung investieren. In praktische Politik übersetzt, waren ihre Pläne absurd.

Richtig allerdings war ein Teil der Rhetorik. Amerikaner sind heute pro Kopf höher verschuldet als Griechen. Mehr als 10 Billionen Dollar beträgt das Defizit. Um es einfach auszudrücken: Wer jedes Jahr mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, überbetont das Solidaritätsprinzip und unterbelichtet das Leistungsprinzip. Amerika lebt weit über seine Verhältnisse. Das Land ist nicht so stark, wie es in seiner Lebenswirklichkeit tut. Die Relation aus Wohltaten, die der Staat verteilt, und Steuern, die er einnimmt, ist aus dem Lot.

Also erhöhen wir die Steuern, sagen die Demokraten. Das leuchtet ein, insbesondere wenn es vorrangig die wenigen Superreichen betrifft. Aber als einziges Ausgleichsinstrument zwischen Solidarität und Leistung taugen Steuererhöhungen nur bedingt. Durch das stetige Altern der Gesellschaft steigen die Ansprüche an Wohltaten schneller als die Produktivitätindizes der Gesellschaft. Wenn Jahr für Jahr die Ausgaben steigen und immer wieder durch höhere Steuern ausgeglichen werden, lohnt sich ab einem bestimmten Punkt die Leistung des Einzelnen nicht mehr.

Dieses Gefühl ist in Amerika schon jetzt weit verbreitet. Wahrscheinlich war es für viele Menschen ein wesentliches Motiv, trotz der ideologischen Radikalität der Republikaner und den Persönlichkeitsschwächen Mitt Romneys dem Herausforderer ihre Stimme zu geben. Sie votierten in erster Linie nicht für eine Person oder Partei, sondern für ein Prinzip. In Amerika, einem Einwanderungsland, ist das Ideal einer „achieving society“ noch am Leben. Und darin kann man in der Tat auch etwas Gutes sehen.

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