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(picture alliance) Die Schlagzeilen nach Nine Eleven

Nine Eleven - Wie ein Tag die Welt veränderte

Die Ereignisse des 11. September 2001 haben die Welt verändert. Es folgte ein von den USA angeführter Anti-Terror-Krieg, bei dem nicht nur unzählige Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch ein Stück Freiheit der Sicherheit zum Opfer fiel. Ein prinzipielles Misstrauen gegenüber Fremden ist im Westen seit zehn Jahren allgegenwärtig.

Die ersten Flugzeugentführungen fanden in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts statt. Seitdem gehörten sie zum Repertoire des international agierenden Terrorismus – zumal der Al Fatah-Truppe von Yassir Arafats PLO. Gleichwohl hatten sich bis zum 11. September 2001 die großen internationalen Fluglinien offenkundig geweigert, ihre Piloten hinter einbruchssicheren Cockpit-Türen vor mörderischen Besuchern zu schützen. Eine Kostenfrage?

Seit den drei Todesflügen vor einem Jahrzehnt, seit al Qaidas blutigen Einbruch in die Weltgeschichte sind jene Türen von außen praktisch nicht zu öffnen. Es ist die geringste, wenngleich verspätete Konsequenz eines Ereignisses, das wie ein historischer Wendepunkt den Lauf der Welt verändert hat.

Verschwunden sind offizielle Kriegserklärungen und Friedensverhandlungen.  Militärische Konflikte werden mit und ohne UN-Mandat ausgefochten. „Asymmetrische Kriege“ – die Strategie traditioneller Armee-Einsätze gegen schier unsichtbare Terroristen – gehören zur Militärausbildung nicht nur der Großmächte.

Allgegenwärtig im Alltag der ganzen Welt sind die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen und bei Massenveranstaltungen. Polizeiliche Überwachungsmaßnahmen im hochgerüsteten Informationszeitalter wurden Gewöhnungssache. Video-Kontrollen von Ballungszentren und Bahnhöfen in Großstädten sind die Regel. Prinzipielles Misstrauen gegenüber Fremden, die „kleiner und dunkler sind als wir“, gehört zur psychischen Grundausstattung vieler westlicher Flugzeugpassagiere. Dem massiven Ausbau anti-terroristischer Agenturen – wie zum Beispiel das amerikanische Department for Homeland Security mit über 150.000 Mitarbeitern – stehen laut Expertenmeinung über 10.000 Websites gegenüber, auf denen offen oder mittelbar für terroristische Organisationen wie al Qaida geworben wird.

Der amerikanisch geführte Anti-Terror-Krieg  im Irak und in Afghanistan (jener ohne, dieser mit UN-Mandat) hat die USA bisher eine Billionen Dollar gekostet. In beiden Ländern sind inzwischen mindestens 200.000 Menschen, überwiegend Zivilisten,  ums Leben gekommen. Nicht wenige von ihnen Opfer inner-islamischer Sekten und Bombenleger. In einem Jahrzehnt wuchs der jährliche Pentagon-Etat auf rund 600 Milliarden Dollar an – doppelt so viel wie der von Russland, China und den restlichen Nato-Staaten zusammen.

Weder die seit 1945 friedensgewohnten Europäer, noch die Russen haben eine Strategie gefunden, um im globalisierten Kampf mit nichtstaatlichen, terroristischen Gegner zu bestehen. Der Krieg in Tschetschenien endete mit der Errichtung eines islam-geneigten, brutalen autoritären Regimes von Moskaus Gnaden. Die entscheidende politische Veränderung allerdings sollte Amerikas Reaktion auf den Terroranschlag darstellen.

Ein Jahr nach dem Anschlag von New York beanspruchte Präsident George W. Bush in einer Sicherheitsdoktrin das Anrecht auf einen Präventivkrieg. Bush: „Wir werden nicht zögern, falls nötig allein zu handeln, indem wir unser Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen und präemptiv, wenn nötig allein gegen Terroristen vorgehen und sie daran hindern, unserem Volk und unserem Land Schaden zuzufügen. Angesichts der Ziele von Schurkenstaaten und Terroristen können wir nicht zulassen, dass unsere Feinde zuerst zuschlagen.“ Denn:  „Amerika besitzt eine militärische Stärke, die von niemandem herausgefordert werden kann und die es bewahren wird.“ Und: „Die Geschichte hat unsere Nation zum Handeln aufgefordert. Die Geschichte hat uns vor eine große Herausforderung gestellt: Wird Amerika mit seiner einzigartigen Stellung und Macht vor dem Terror die Augen verschließen oder uns in eine freiere und zivilisiertere Welt leiten? Darauf gibt es nur eine Antwort: Dieses großartige Land wird die Welt zu Sicherheit, Frieden und Freiheit führen.“

Doch der Irak-Krieg beruhte nicht auf anti-terroristischen Überlegungen, sondern gehorchte geo-politischen Ansichten neo-konservativer Intellektueller im Umkreis des Präsidenten und seines Vizes Cheney. Ihre Kenntnisse der Region waren, wie sich herausstellte, minimal. Henry Kissinger, seinerzeit immer noch tonangebender Nestor der US-Diplomatie, wandte sich gegen den Krieg: Ein militärisch erzwungener Regimewechsel „als Ziel einer Militärintervention verstößt gegen das System internationaler Beziehungen, das 1658 durch den Westfälischen Frieden errichtet wurde. Außerdem läuft der Begriff einer gerechtfertigten Präemption dem modernen Völkerrecht zuwider, das den Einsatz von Gewalt nur gegen akute, nicht aber gegen potenzielle Drohungen erlaubt.“

Nicht so sehr der Afghanistan-, wohl aber der Irak-Krieg mitsamt seinen abscheulichen Erscheinungen von Folter-Gefängnissen und Gefangenenlagern in Guantanamo und anderswo haben den internationalen Ruf der Vereinigten Staaten geschwächt, wenn nicht ruiniert – und das Zweistromland in eine ungewisse, auf alle Fälle konfliktreiche Zukunft geführt. Die gut begründete Weigerung der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder, gegen Saddam Hussein mit zu marschieren, sollte zu schweren transatlantischen Störungen führen. Sie war gerechtfertigt – die Behauptung Washingtons, dass der Diktator über Massenvernichtungswaffen verfüge und verstrickt sei in den Anschlag vom 11. September, sollte sich als bizarres Lügengebäude herausstellen.

Nicht zu gewinnen scheint inzwischen der Einsatz gegen die paschtunischen Taliban in den afghanischen Provinzen. Osama bin Laden ist tot – aber wie viele junge Terroristen dieses Unternehmens unter dem Titel „Enduring Freedom“ ungewollt rekrutiert wurden, ist leicht zu erahnen.

Ein Jahrzehnt später haben sich die Vereinigten Staaten aus der Rolle der einzig verbliebenen Supermacht der Welt zumindest teilweise zurückgezogen. Der militärische Einsatz gegen Gaddafis Truppen oblag in erster Linie den europäischen Verbündeten.  (Dass Deutschland sich an dem lokalen Krieg nicht beteiligte, sollte die Regierung Merkels mit hohem Ansehensverlust bezahlen.)

Die hohen Militärausgaben der Vereinigten Staaten haben den Verschuldungsstand des Landes in astronomische Höhen getrieben. Barack Obama hat das schwierige Erbe eines Vorgängers angetreten, der auf das „Kolossal-Verbrechen“ (Helmut Schmidt) von 2001 mit falschen Mitteln und hegemonialen und, wie sich herausstellte, unzeitgemäßen Überzeugungen antwortete, die inzwischen nicht mehr von der amerikanischen Bevölkerung geteilt werden: Auf die längsten Kriege der amerikanischen Geschichte reagiert sie mit klassischen neo-isolationistischen Hoffnungen, endlich vom Rest der Welt zufriedengelassen zu werden.

Was immer die pathologischen Hoffnungen eines Osama bin Ladens gewesen sein mögen: Sein klägliches Ende wirkt wie eine Allegorie auf das Ende einer Epoche transatlantischer Verbundenheit und gemeinsamer Interessenslagen. „Die Welt,“ so ein Satz des amerikanischen Schriftstellers Paul Austers in der einzigen Sonderausgabe in der Geschichte der ZEIT anlässlich des Attentats von „Nine-Eleven“, „wird nicht mehr dieselbe wie früher sein.“ Dem Satz wuchsen Flügel – er sollte Recht behalten.

 

 

 

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