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(picture alliance) Großbritannien in Europa – Wer bremst, verliert

Briten in Europa - Weder fähig noch willens, sich zu integrieren

Großbritannien und Europa – eine Geschichte voller Missverständnisse. Seit Anbeginn der Mitgliedschaft im Club Europa sind die Briten die größten Skeptiker der Integration. Strategie der Briten ist es seit jeher, sich erst dann zu Europa zu bekennen, wenn sie befürchten müssen, abgehängt zu werden

Nach den jüngsten Entfremdungen zwischen Großbritannien und dem Rest Europas gibt es auf beiden Seiten des Kanals viele, die nun hoffen, die Entfremdung könne zur Trennung führen. Schön wär’s: Wahrscheinlich würde das Insel-Land erst dann wirklich europäisch, wenn es eine Zeitlang draußen vor bliebe und von den Mühen der Einsamkeit eines Besseren belehrt würde. Nur gerade diesen Gefallen werden die Briten Europa nicht tun.

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Im Nachhinein muss man dem General de Gaulle Recht geben, der als Präsident Frankreichs 1964 vergeblich  - und gegen massiven Bonner Widerstand - versucht hatte, den Beitritt Londons zur Europäischen Gemeinschaft zu verhindern. Seine Begründung klingt erstaunlich zeitgemäß:  England sei  ein insularer, maritimer Staat, der im wesentlichen industrielle und kommerzielle Ziele verfolge, mit aller Welt  geschäftlich vernetzt und von starken eigenen Traditionen geprägt sei. Mit anderen Worten: die Briten seien weder fähig noch willens, sich in Europa politisch zu integrieren.

Der britische Premier Cameron bekräftigt nur diese Einschätzung, wenn er jetzt im Unterhaus erklärte, die EU-Mitgliedschaft sei deshalb im nationalen Interesse Britanniens, weil “wir eine Handelsnation sind und den gemeinsamen Markt brauchen für Handel, Investitionen und Arbeitplätze.“ Sein Land bleibe Vollmitglied der EU, „die Ereignisse der letzten Woche haben daran nichts geändert.“ Zu offensichtlich wären die Nachteile einer Entflechtung, zu gross die Furcht, von den Beratungen und Beschlüssen der anderen gänzlich abgekoppelt zu sein. 

Diese Furcht, nicht etwa der Wunsch nach einem geeinten Europa, war es auch, die London vor 50 Jahren zum EU-Beitritt veranlasste; erst als die Briten erkannten, dass der europäische Zug ihnen davon lief, sprangen sie auf.  Seither waren  alle  britischen Premiers wie ihr Volk immer nur  halbherzige Europäer, Cameron selbst erklärt sich stolz zum „Euro-Skeptiker“.

In den letzten Jahren konnten er und seine Anhänger sich sogar bestätigt fühlen: viele ihrer Partner jenseits des Kanals, auch in Schröders und Merkels Berlin, wollten die EU lediglich als nützliches wirtschaftliches Arrangement, nicht aber als Keimzelle einer politischen Union verstehen, der sie nationale Kernaufgaben übertragen würden.

In der Abwertung der Europäischen Kommission oder der gönnerhaften Behandlung des Europäischen Parlaments standen die anderen Regierungen der britischen kaum nach.  In der Außenpolitik bestand nicht nur London auf Einstimmigkeit, also einem Veto für jedes Mitglied, gemeinsames Handeln blieb die seltene Ausnahme. In der Verteidigungsspolitik bastelten die Europäer zwar gerne viele Gremien und Posten, aber am liebsten wurschtelte jeder national weiter,  um ja nicht an einer längst verkümmerten nationalen Souveränität einzubüßen. Margret Thatcher, so schien es, hatte über Jacques Delors und Helmut Kohl gesiegt.

Das galt zunächst auch in der Finanzkrise. Euro-Skepsis und Euro-Indifferenz bestimmten das Verhalten der EU-Regierungen, bis in diesem Sommer Merkel und Sarkozy endlich erkannten, dass die Flut der Ereignisse drohte, die Union in den Abgrund zu reißen. Ihr Konzept zur Abwehr dieser Gefahr ist nun mehr europäische Regulierung, stärkere europäische Überwachung nationalen Finanz- und Wirtschaftsgebarens, weniger nationale Souveränität und mehr Brüssel.  Dafür erhielten sie Ende der letzten Woche das Plazet fast aller anderen EU-Partner.

Mit Ausnahme der Briten. London verhielt sich wie stets - wenn ihr für Europa etwas von uns wollt, dann fordern wir dafür unseren nationalen Preis – und ist nun überrascht, dass die anderen das alte Spiel nicht mehr spielen wollen. Offenbar hatten Cameron und seine Diplomaten verkannt, wie bitter ernst es den anderen, nicht nur Deutschland und Frankreich, diesmal war.  Und Cameron, ohnehin ein schwacher, von den anti-europäischen Kräften seiner Partei getriebener Regierungschef, blieb in der Verhandlungsnacht in den Klischees seiner Überzeugungen stecken.

Ist nun der Kanal unüberbrückbar geworden, gibt es seit dem Brüsseler Gipfel vom 10.12.20011, wie Frankreichs Präsident Sarkozy verkündet, zwei Europas – das eine für Solidarität, das andere für Markt, das eine ohne, das andere mit Britannien? Noch harren die Brüsseler Beschlüsse auf ihre Umsetzung und  Absegnung in 26 Regierungen und Parlamenten.

Aber wenn beides sich hinziehen und auf dem Kontinent der frühere Euro-Schlendrian zurückkehren sollte, wird London sich bestätigt fühlen. Die Briten werden, wie eh und je, sich erst dann dem Club der Solidarität anschließen, wenn sie befürchten müssen, sonst abgehängt zu werden. London wird umso eher den Anschluss suchen, je entschlossener die anderen die politische Integration in der EU voranbringen. Hier werden nachhaltige Fortschritte vor allem von Deutschland abhängen. Immerhin bekam Frau Merkel in Brüssel mehr Konzessionen von ihren  Partnern, als sie selbst bisher geliefert hat.

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