Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump
Die Medienrevolution spielt Donald Trump in die Hände / picture alliance

US-Wahlkampf - „Trumps Strategie fing bei Bush an“

Das erste indirekte TV-Duell zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump endete unentschieden. Der Wahlkampfstratege Volker Riegger erklärt, wieso es gar nicht mehr unserer Zeit entspricht, mit Wissen zu punkten

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Florian Beißwanger ist freier Journalist und lebt in Berlin.

So erreichen Sie Florian Beißwanger:

Herr Riegger, Sie waren erfolgreicher Campaign-Manager und Strategieberater für viele sozialdemokratische Wahlkämpfe hier und in anderen europäischen Ländern. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Donald Trump Präsident wird?
Für die USA fehlt mir das richtige Bauchgefühl, obwohl ich seit 1976 viele Präsidentschaftswahlkämpfe vor Ort beobachtet habe. Sie müssen da tief in die Kultur eintauchen. Trotzdem meine ich: Er kann es immer noch schaffen.

Wie erklären Sie sich, dass nach zwei Amtszeiten die Wähler in den USA fast immer einen kompletten Gegenentwurf zu Politik und Persönlichkeit des scheidenden Präsidenten wählen?
Die Offenheit für Neues ist Grundlage der Kultur der USA und hat sie zur bis heute führenden Weltmacht werden lassen. Viele aus der gescheiterten deutschen Freiheitsbewegung von 1848 sind damals nach Amerika gegangen. Die haben dann natürlich bei uns gefehlt – eine der Ursachen des grauenhaften Desasters, das wir Deutschen im 20. Jahrhundert angerichtet haben.

Trumps Slogan enthält ein Versprechen: „Make America great again“. Ein gelungener Wahlspruch?
Er spricht unmittelbar die amerikanische Grundüberzeugung an: „Gott will, dass wir die Besten sind.“ Zugleich geht er auf den Frust und die Verlassenheitsgefühle der sozial Abgehängten oder Desorientierten ein. Viele fühlen sich im Amerika der Wall Street und des Silicon Valley fremd und an den Rand gedrückt.

Volker Riegger
Prof. Volker Riegger

Was macht einen guten Slogan aus?
Er muss Menschen bewegen. Er sollte auch einen kleinen Widerstand enthalten. Trumps Slogan ist perfekt.

Was verstehen Sie unter einem „kleinen Widerstand“?
Wenn ein Slogan zu eingängig ist, wenn da nicht ein kleiner Stolperstein dabei ist, dann wird er keine Anschlusskommunikation und damit keine Dynamik entfalten. Insofern zielt der Slogan direkt auf die gekränkten amerikanischen Seelen, die Trump einsammeln, aber nicht heilen will.

Ist das etwas Neues?
Damit haben schon Bush, Cheney und Rumsfeld mit ihren Vasallen Blair und Aznar den Irakkrieg angezettelt und das noch heute andauernde Abschlachten und Vertreiben von Hunderttausenden im Nahen Osten ausgelöst. Der Blogger David Roberts hat erstmals 2010 mit dem Begriff „Post-Truth-Politics“ eine politische Praxis beschrieben, die mit erfundenen und erlogenen Realitäten arbeitet. Sie steht für eine politische Kultur, in der die Darstellung von Politik in den Medien vollkommen losgelöst ist vom Gesetzgebungsprozess, der zentralen Funktion und dem innersten Kern der liberalen westlichen Demokratie.

Aber Trump setzt doch noch eins drauf, oder nicht?
Seine Strategie ist die bewusste Radikalisierung des Politikverständnisses von George W. Bush und dessen Umgebung. Fakten, die in den demokratischen Diskurs eingebracht, dort verhandelt werden und für die Bürger überprüfbar sind, gibt es da gar nicht mehr. Das erinnert an die Zeit um 1600, als es im Gefolge von Buchdruck und Alphabetisierung zu einem regelrechten Krieg der Flugschriften mit ihren jeweiligen Wahrheiten gekommen ist.

Trotzdem haben die Republikaner bei den vergangenen beiden Wahlen in den sozialen Netzwerken nicht in gleicher Weise punkten können wie die Demokraten.
Mich überzeugt die politikökonomische Erklärung, dass sie sich immer auf die Rüstungsindustrie haben verlassen können. Zu den allmächtigen Kindern der Hippies im Silicon Valley haben sie lange keinen Draht gefunden.

Hat sich das mittlerweile geändert?
Mit dem PayPal-Gründer und Trump-Fan Peter Thiel haben sie nun jemand aus dem Valley, der diese Lücke schließt. Dieser Wahlkampf wird deshalb noch stärker eine Auseinandersetzung im Digitalen sein, aber letztlich wieder im Analogen, im richtigen Leben, entschieden werden.

Ist es dank der Digitalisierung einfacher geworden, Menschen zu bewegen?
Medienrevolutionen waren immer Teil und Treiber gesellschaftlicher und politischer Veränderungen. Heute befinden wir uns in einem welthistorischen Umbruch. Wir können nur hoffen, dass uns und unseren Kindern die gesellschaftlichen Verwerfungen und massenhaften Menschenopfer erspart bleiben, die mit der letzten vergleichbaren Umwälzung, der Ausbreitung des Buchdrucks und der Alphabetisierung, verbunden waren.

Warum hat Hillary Clinton ihren parteiinternen Herausforderer Bernie Sanders nicht zu ihrem Vize gemacht?
Wahrscheinlich haben ihre Strategen ein Glaubwürdigkeitsproblem befürchtet. Den Clintons wird ja nachgesagt, sie seien Buddies der Wall Street. Sanders hatte sich als sozialer Gegenpol positioniert. Clinton hätte immer wieder mit Zitaten ihres Vizes herausgefordert werden können.

Wie wichtig ist Sanders für Clintons Wahlkampf?
Es spricht sehr für die demokratische Vitalität der Vereinigten Staaten, dass ein Außenseiter wie Sanders so viel Unterstützung hat mobilisieren können. Und das auch noch mit einem fast jusohaften Programm.

Wird davon etwas bleiben?
Sein Ansatz könnte zum Keim einer politischen Bewegung werden, die in Trumps sozialen Resonanzraum mit der Parole eindringt: „Mr. Trump, Sie sind gefeuert!“

Die Demokraten scheinen in diesem Wahlkampf nicht nur die Republikaner zum Feind zu haben, sondern auch Russland.
Das ist wirklich spannend, dass in der inneramerikanischen Auseinandersetzung plötzlich Russland eine Rolle spielt. Aber nicht nur dort. Auch die AfD, Marine Le Pen und Erdogan ranken sich an Putins Politikstil hoch. Weniger an der rationalen als an der autokratischen Komponente seiner Herrschaft. Da zeichnet sich eine globale Allianz derer ab, denen das Autoritäre in den westlichen Demokratien zu kurz kommt. Sie sehen die Zukunft wieder einmal bei starken Männern und Frauen mit einfachen Antworten. Diese aber haben den Nachteil, in der Regel falsch zu sein, wie Sigmund Freud bemerkt hat.

Volker Riegger war von 1972 bis 1986 Leiter der Abteilung Politische Planung, Wahlen und Öffentlichkeitsarbeit beim Vorstand der SPD in Bonn. Seit 1986 lehrt er Strategische Kommunikationsplanung an der Universität der Künste Berlin. Von 1989 bis 2015 war er Vorstand der von ihm gegründeten logos Holding AG für Unternehmenskommunikation und -beratung in München.

 

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Christa Wallau | Fr., 9. September 2016 - 12:36

Trump, "AfD, Marine le Pen, Erdogan ranken sich an Putins Politikstil hoch."
"Da zeichnet sich eine globale Allianz derer ab, denen das Autoritäre in den westlichen Demokratien zu kurz kommt."

Das sehe ich nicht so. Autoritär ist doch z. B. die
deutsche Regierung - weiß Gott - in hohem Maße! Kann man denn in einer Demokratie noch autoritärer regieren als Angela Merkel?
Nein, die Gemeinsamkeiten liegen in etwas ganz anderem: Die "Normalbürger"
sowohl in den USA wie in Frankreich und eben jetzt auch zunehmend in D, fühlen sich in ihren
ureigensten, vitalen Interessen nicht mehr von ihrer Regierung vertreten. Es werden ihnen als Gründe dafür immer sog. g l o b a l e Veränderungen genannt, die unabänderlich seien. Genau das glauben eben viele nicht mehr!
Wer steckt denn hinter den ganzen Veränderungen, die ja nicht einfach vom Himmel gefallen sind? Wessen Interessen
werden hier verfolgt? D a s fragen sich die Menschen zunehmend und wünschen sich ehrlichere Antworten darauf.

Eine kleine Ergänzung. Wikipedia definiert "autoritär" wie folgt:
" Politikwissenschaftlich ist unter anderem die Rede von Autoritarismus als Ideologie bzw. von autoritären Regimen, die sich dadurch auszeichnen, „dass sie a) die Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung stark einschränken, b) öffentliche Willensbildungsprozesse (Presse-, Informationsfreiheit) und die öffentliche Auseinandersetzung über politische Entscheidungen stark behindern und c) die pluralistische Interessenvielfalt begrenzen".

Dies trifft, wie Sie schon geschrieben haben, 100% auf Merkel und ihre Regierung zu. Ob Trump, Le Pen etc. in Zukunft ebenso agieren werden, ist bislang reine Spekulation.

Walter Wust | Fr., 9. September 2016 - 15:42

Eine der wesentlichsten Veränderungen ist die Gleichschaltung der Medien weltweit. Noch nie wurde in den öffentlichen Medien so "synchron" Meinung vertreten wie in den letzten zwanzig Jahren. Auch die "Freiheit" nach amerikanischem Muster wurde in den letzten zwanzig Jahren ständig gefordert und gefördert mit all den Begleierscheinungen, wie "arabischer Frühling" und Maidan-Konflikt. Auch der Einsatz der Bundeswehrin Konflikte weitab von Europa oder gar Deutschlands, zeigt die amerikanische Expansionspolitik und die Durchsetzung westlicher Wirtschaftsinteressen mit militärischen Mitteln. Den vom Westen initiierten Freiheitskrieg in Syrien mit all seinen Auswirkungen sind festes Kalkül der Wirtschaftsmacht USA und Europa und soll sich mit TTIP und CETA noch manifestieren. Bleibt zu hoffen, daß noch ein kleiner Rest von Korrektnes das Schlimmste verhindern möge, obwohl der Rat zu Hamsterkäufen nicht von Ungefähr einherkommt. Wir schaffen Das.

Romuald Veselic | Fr., 9. September 2016 - 15:46

mit ihren Vasallen Blair und Aznar den Irakkrieg angezettelt und das noch heute andauernde Abschlachten und Vertreiben von Hunderttausenden im Nahen Osten ausgelöst.
Dies ist eine flagrante Lüge; aber typisch für dt. Sichtweise dessen, der die SPD Wahlagitation getaktet hat.
Wessen Vasal war dann Gerhard Schröder, damals Bundeskanzler? Man nannte ihn auch Gazprom Gerhard...
Was anderes: Ruanda Genozid, 2. Quartal 1994 - Im Verlauf und im Nachgang der Ereignisse wurden die Vereinten Nationen (UN) und Staaten wie die USA, Großbritannien und Belgien wegen ihrer Untätigkeit kritisiert.
Manchmal frage mich, egal was die USA tun, ist's immer falsch. Warum wird nicht der Genozid von Saddam Hussein in 1988 an den Kurden erwähnt? Mindestens 100000 Kurden wurden vergast.
Auch zur hälfte erzählte Wahrheit, ist eine Lüge. Dann könnten wir die religiöse Verfolgung in England im 16. Jh. ursächlich dafür erklären, für das Entstehen von USA und folglich für heutiges Übel verantwortlich machen.

*
Gut erkannt, Herr Veselic

Solche Spitzen sind von Seiten der SPD schon seit Amtsantritt des
"Arbeiterführers & Friedensfürsten" Gerhard Schroeder bekannt.

Nach Helmut Schmidt wuchs dort leider nichts Gescheites mehr heran.

Wen wunderts noch, das "Populistenkulte" wie AFD Aufwind haben?

Wer selber mit verdrehten Fakten argumentiert, der braucht sich nicht zu wundern wenn er "rechts & links" radikal überholt wird.

Lesen Sie nur mal wie "begeistert" die überwältigende Mehrheit von Kommentatoren hier über sogenannte "AFD Politik" schwärmt.

Ahhhh.... Die Guten Alten Zeiten ;-)

(Pssst... das darf man fast schon nicht mehr laut sagen.)

Merkel gibt Wählern keine Schuld http://tinyurl.com/jebut9r

Welcome to the age of the "stupid voter"

Und Trump reitet in Amerika genau auf der selben Welle....

"I love the poorly educated" ;-)

Schmerzlichst...
(bearbeitet, die Redaktion, bitte bleiben Sie sachlich)

Lucas Schult | Fr., 9. September 2016 - 18:16

hätte vielleicht erwähnen können, dass Bill Clinton den Satz "Make America great again" für seinen eigenen Einzug ins Weiße Haus benutzt hat, jetzt aber über Donald Trump sagt, dass dieser Spruch rassistisch wäre.

Zum Wahlausgang: Donald Trump wird haushoch gewinnen. Die Umfragen sind selbst in ihren manipulierten Zuständen zu dicht aneinander. Wer Demokraten überrepräsentiert, hat diese Wahlperiode überhaupt nicht verstanden. Hillary wird nicht im Ansatz die Menge an Wählern mobilisieren können wie Barrack Obama in 08 und 12, während Trump hingegen ordentlich bei den Unabhängigen und Demokraten abgräbt. Wie auch in den Vorwahlen wird er massig Wähler mobilisieren, die noch nie gewählt haben und deswegen in keiner Umfrage auftauchen, weil sie keine "likely Voters" sind.

Zudem wird Hillary die Debatten und die Wikileaksenthüllungen nicht überstehen, falls sie überhaupt gesundheitlich in der Lage ist.

Dimitri Gales | Fr., 9. September 2016 - 20:15

Wenn Trump gewinnen sollte, dann Dank der emotionalen Sprache, mit der er sich an die Amerikaner wendet. Er kodiert sie nicht, sondern spricht emotional an, was inzwischen viele Amerikaner fühlen, empfinden (!).
Wer die USA aus den siebziger Jahren kennt, würde bei einem heutigen Besuch das Land, die amerikanische Gesellschaft kaum wiedererkennen. Der Wandel war und ist radikal. Die beisherigen Regierungen haben scheinbar ohne das Volk regiert. Und das hilft heute Donald Trump.

Bernhard K. Kopp | Sa., 10. September 2016 - 12:49

Seit Jahrzehnten werden, um bei Wahlen Stimmen zu gewinnen, Rechtsansprüche an Sozialleistungen begründet, die nur mit steigenden Schulden finanzierbar sind. Es mag in Italien dramatischer sein als in Deutschland, aber 'post-truth-politics' ist nicht ganz neu.