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Ukraine-Krise - Putin jetzt nicht aus den Augen verlieren

Auch wenn sich der Fokus der Welt gerade auf den radikalen Islamismus richtet, dürfen Putin und der Ukrainekonflikt jetzt nicht aus dem Fokus geraten. Wer wegschaut, der darf sich nicht beklagen, wenn sich die Landkarte vor der deutschen Haustür erneut verändert

Wir sind schockiert. Und das zu Recht. Der brutale Angriff von zwei Terroristen in Paris, von denen mindestens einer von Al Kaida ausgebildet wurde, hat zwölf Tote gefordert. Manche sprechen schon von einem neuen 9/11. Aber es zeigt sich auch – wieder einmal –, wie schnell sich Wahrnehmungen verschieben, wie sehr die Macht der Bilder die Prioritäten verändert und zugleich relativiert.

Schon vergessen? In unserem Nachbarland im Osten, von Berlin nicht weiter entfernt als Paris, sind in einem Jahr fast 5000 (!) Menschen gestorben, und es werden immer noch mehr. Seit September gilt eine Waffenruhe. Welche Waffenruhe? Tag für Tag wird gekämpft. Russland hat keineswegs nachgelassen, die Separatisten aktiv mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen. Und auch der ukrainische Präsident Poroschenko denkt nicht daran,  die erzwungenen Geländegewinne im Donbass einfach hinzunehmen. Auch er lässt die Truppen verstärken.

Eine Umsetzung des so oft zitierten Minsker Abkommens vom vergangenen September lässt weiter auf sich warten – allen Sanktionen gegen Russland zum Trotz. Wladimir Putin lässt sich Zeit. Zu Hause reitet er auf der nationalen Welle, die ihn – noch – trägt. Er hat die Krim heim zu Mütterchen Russland geholt, und die Weltgemeinschaft hat sich in Wahrheit damit abgefunden.

Aber darf sie zulassen, dass man sich auch daran gewöhnt, dass ein wesentlicher Teil der übrigen Ukraine unter russischem Einfluss bleibt? Dass Europa sich von diesem Konflikt abwendet und angesichts neuer brutaler Herausforderungen wie gerade rund um Paris am liebsten wegschaut?

Im Süden Europas wäre man längst froh, wenn man diesen lästigen Konflikt abhaken könnte. Spanien und Portugal haben andere Sorgen, Italien möchte dringend wieder mit Moskau ins Geschäft kommen, Österreich reagiert bei diesem Thema sehr allergisch, Frankreich sitzt dazu noch auf nicht abgelieferten Rüstungsgütern im Wert von zwei Milliarden Euro. Die baltischen Staaten und Polen dagegen sind weiter im Sanktionsfieber – immer noch eine Schippe drauf, heißt dort die Devise.

Merkels harter Kurs gegen Putin
 

Und alle schauen auf Deutschland, auf Angela Merkel. Sie soll es richten, irgendwie. Noch hält sie Kurs. Das hat sie während des Besuches des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Janzenjuk erneut gezeigt. Merkels Linie ist klar und berechenbar: Sie fordert die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens – das heißt, die Festlegung einer Waffenstillstandslinie, eine Absicherung der Grenzen sowie den Rückzug der russischen Truppen. Erst dann, wenn sich Moskau wirklich daran hält, will sie die Sanktionen aufheben. Und sie lässt sich auch nicht, etwa aus Paris, dazu drängen, übereilt zu einem Spitzentreffen nach Kasachstan zu reisen. Es muss sich lohnen, ist ihre Devise. Bisher überlässt sie das Verhandeln den Diplomaten, die in diesen Stunden um Lösungen ringen. Ob das dann auf die Ebene der Außenminister gehoben wird, ist möglich, aber nicht einmal das ist sicher.

Der Berliner Politik ist hier eine Führungsrolle zugewachsen, die sie nicht angestrebt, aber doch angenommen hat. Und wenn es auch zwischen Angela Merkel und ihrem Außenminister Frank-Walter Steinmeier Schattierungen bei der Frage gibt, wie weit man Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen darf, so bleiben sich beide im Kern doch einig: erst nach klaren Fortschritten bei der Beendigung des Konfliktes darf man Moskau aus der Zwangsjacke der Sanktionen entlassen.

Deutschland war lange Zeit Russlands enger Partner im Westen – und wurde dafür von vielen, vor allem in Washington, mit Misstrauen betrachtet. Jetzt hat sich das umgedreht: Nun ist es die deutsche Bundesregierung, die einen harten Kurs gegenüber Moskau verfolgt. Ein Einknicken ohne konkrete Ergebnisse wäre gerade jetzt nicht akzeptabel, zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Regierung in Kiew endlich daran macht, dieses zutiefst korrupte, seit Jahrzehnten heruntergewirtschaftete Land zu reformieren – mit offenem Ausgang.

Auch wenn sich der Fokus gerade auf die Gefahr des radikalen Islamismus richtet, darf die Aufmerksamkeit bei der Lösung dieses Konfliktes nicht einfach kleiner werden. Nicht nur wären an die 5000 Menschen umsonst gestorben. Wer jetzt wegschaut, der darf sich nicht beklagen, wenn die Landkarte sich vor der deutschen Haustür weiter verändert. „Eingefrorene“ Konflikte im Osten Europas gibt es genug, und Wladimir Putin hat es oft genug offen ausgesprochen, dass es sein Ziel ist, Russlands Einfluss weiter auszubauen.

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