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Terror in Beirut - IS-Selbstmordanschlag erschüttert den Libanon

Mit dem Massaker von Beirut versetzt der Islamische Staat nicht nur die Schiiten des Landes in Angst. Vor allem zeigt der Anschlag, dass nach der mörderischen Gewalt in Syrien nun auch dem Libanon ein Bürgerkrieg droht. Die Regierung warnt bereits vor einer neuen Attentatsserie 

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Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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Asphalt und Hauswände sind blutverschmiert. Die Flammen wurden gelöscht, es riecht verkohlt und verbrannt. Die schmale Einkaufsstraße im Süden Beiruts ist übersät mit Glassplittern und Mauerbrocken, stumme Zeugen des mörderischen Anschlags vom Vorabend, der bislang 44 Menschen das Leben kostete und 239 teilweise lebensgefährlich verletzte.

Fast alle Opfer sind Schiiten, die gerade nach dem Abendgebet aus der Moschee drängten. Viele in ihrem Wohnviertel Bourj al-Barajneh sind Anhänger der Hisbollah. Schockiert rief Libanons Premierminister Tammam Salam für Freitag Staatstrauer aus und bestellte das gesamte Kabinett plus Militärführung zu einer Krisensitzung in seinen Amtssitz.

„Dieses barbarische Verbrechen zielt nicht nur auf ein Gebiet oder eine Glaubensgruppe, es zielt auf den gesamten Libanon“, sagte er. Hospitäler riefen die Bevölkerung über Rundfunk zu Blutspenden auf. „Nicht hinnehmbar“ titelte Libanons Zeitung „L'Orient Le Jour“. Das Blatt „Al-Diyyar“ druckte in großer Aufmachung Fotos von den Torsos der Attentäter. Die der Hisbollah nahestehende Zeitung „Al-Akhbar“ schwor allen Feinden einen langen Krieg.

Bereits wenige Stunden nach dem Massaker meldete sich der „Islamische Staat“ (IS) im Internet. „Die schiitischen Gotteslästerer sollen wissen, wir werden nicht eher ruhen, bis wir Rache genommen haben im Namen des Propheten Mohammed“, brüsteten sich die so genannten „Soldaten des Kalifates“. Erst vor zwei Wochen hatte sich die IS-Filiale in Ägypten bezichtigt, eine russische Urlaubermaschine mit 224 Menschen an Bord über dem Nordsinai zum Absturz gebracht zu haben. Alle westlichen und russischen Fluggesellschaften stoppten daraufhin ihre Flüge ans Rote Meer und evakuierten rund 70.000 Feriengäste.

Auf der Suche nach einer politischen Lösung
 

In Beirut dagegen sprengten sich nach ersten Ermittlungen zwei der IS-Attentäter, die 48 Stunden zuvor aus Syrien eingereist waren, inmitten der dicht gedrängten Menschenmenge in die Luft. Einem dritten Terroristen riss die Explosion die Beine ab. Den bärtigen Mann fanden Soldaten tot unter den Opfern, ohne dass er seine mörderische Ladung zünden konnte. Ein viertes Mitglied der IS-Terrorzelle ließ sich von der Polizei ohne Widerstand festnehmen.

Der Anschlag zeigt, dass die fast fünfjährige mörderische Gewalt in Syrien auch den Libanon in einen Bürgerkrieg stürzen könnte, wie ihn das Land schon einmal von 1975 bis 1990 erlitten hat. Unter den Sunniten des kleinen Mittelmeeranrainers gibt es viele radikale Gegner des Regimes von Baschar al-Assad, die ihre Basis vor allem in der Hafenstadt Tripoli und in Sidon haben. Dagegen kämpft die schiitische Hisbollah zusammen mit Revolutionären Garden aus dem Iran und russischen Kampfflugzeugen an der Seite des alawitischen Diktators.

Am Wochenende finden zum zweiten Mal seit Beginn der russischen Luftoffensive in Syrien internationale Gespräche in Wien statt. Die Diplomaten wollen eine politische Lösung für den Bürgerkrieg finden, der bisher mindestens 250.000 Menschen das Leben gekostet und die Hälfte der syrischen Bevölkerung zu Flüchtlingen gemacht hat.

Mehr als eine Million Syrer haben in dem benachbarten Zedernstaat Zuflucht gesucht, Regimegegner und Regimeanhänger gleichermaßen. Die meisten Kämpfe und Gewalttaten auf libanesischem Boden finden nach wie vor in der Grenzregion zu Syrien statt. Seit zwei Jahren jedoch wird auch die libanesische Hauptstadt Beirut immer häufiger Ziel von Anschlägen. 2013 gab es vier Terrortaten mit insgesamt 54 Toten, 2014 starben 18 Menschen bei fünf Explosionen. „Ich fürchte, wir werden jetzt eine neue Phase von Attentaten erleben“, erklärte am Freitag Libanons Gesundheitsminister Wael Abu Faour.

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