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picture alliance/Mohammed Badra

Syrien-Konferenz - Wer ist die syrische Opposition?

Am 29. Januar sollen die Syrien-Friedensgespräche beginnen. In der Runde sitzt der Vertreter von Baschar al-Assad Dschihadisten und Kurden gegenüber. Wer sind die Regimegegner und was wollen sie?

Autoreninfo

Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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Zum ersten Mal seit zwei Jahren sitzen sich in Genf Syriens Regime und Opposition wieder gegenüber. Ab 29. Januar sollen möglichst die Friedensgespräche beginnen, teilte der UN-Sonderermittler für Syrien, Staffan de Mistura, am Montag mit. Mit seiner Hilfe sollen die Parteien den Fahrplan von Wien umsetzen, den die internationale Gemeinschaft im letzten November vorgezeichnet hat. Danach sollen die Verhandlungen Mitte des Jahres in einer nationalen Übergangsregierung münden, begleitet von einem Waffenstillstand. Bis Ende 2017 soll das syrische Volk dann eine neue Verfassung verabschieden und eine neue Führung wählen.

Die Regimeseite wird erneut vom syrischen UN-Botschafter in New York, Baschar al-Jaafari, vertreten, der bereits im Januar 2014 total kompromisslos agierte und das Klima mit permanenten Provokationen und Boshaftigkeiten vergiftete.

Sprecher der Opposition ist Riyad Hijab, auf den sich die unterschiedlichen Fraktionen im Dezember bei ihrem Vorbereitungstreffen in der saudischen Hauptstadt Riad einigten. Hijab ist Sunnit und war 2012 zwei Monate lang syrischer Premierminister, bevor er sich in einer aufsehenerregenden Flucht zusammen mit seiner Familie nach Jordanien absetzte.

Von Seiten der Opposition wird in Genf zum einen die in Riad ausgehandelte Delegation anwesend sein, die von einem 34-köpfigen Hohen Verhandlungskomitee nominiert worden ist. Dessen Spektrum reicht von der in der Türkei ansässigen „Nationalen Syrischen Koalition“, über das „Nationale Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel“ in Syrien bis hin zur „Freien Syrischen Armee“ sowie den Brigaden der „Islamischen Armee“ (Jaish al-Islam) und der „Islamischen Bewegung der Levante“ (Ahrar al-Sham).

Zusätzlich werden, wie von Moskau gefordert, auch kurdische Gruppen nach Genf reisen, die auf türkischen Druck von dem Oppositionstreffen in Riad ausgeschlossen waren. Die Kurden trafen sich damals parallel im Städtchen Al-Malikiyeh und gründeten mit lokalen christlichen und arabischen Milizen den „Syrischen Demokratierat“, der ein föderales Syrien zum Ziel hat.

Die Nationale Syrische Koalition


Die „Nationale Syrische Koalition“ besteht vor allem aus Exil-Syrern und hat ihren Sitz in Istanbul. An ihrer Spitze steht seit einem Jahr der 50-jährige Khaled Khoja. Die Mitgliedsgruppen sind untereinander zerstritten, weshalb ihr Dachverband international nicht einhellig als offizielle Vertretung der Assad-Opposition anerkannt ist. Stärkste Gruppe ist die Muslimbruderschaft, die in Syrien von der Assad-Dynastie brutal verfolgt und unterdrückt wurde. Mit dabei sind auch einige kleinere Kurdengruppen, die im „Kurdischen Nationalkongress“ zusammengeschlossen sind. Die Haltung der Nationalkoalition zum Assad-Regime ist kompromisslos. Sie fordert Rücktritt und Machtverzicht des Diktators, eine Maximalposition, von der sie erst kürzlich auf internationalen Druck abrückte.

Nationales Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel


Gegründet 2011, im ersten Jahr des Aufstands, gehören dem „Nationalen Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel“ linke, nationale und kurdische Parteien an sowie zahlreiche profilierte Oppositionelle. Ihre Mitglieder haben stets für eine Verhandlungslösung mit dem Assad-Regime plädiert und lehnen jede militärische Einmischung von außen ab, um eine totale Zerstörung ihrer Heimat abzuwenden. Das Bündnis, dessen Sitz sich in Damaskus befindet, wird vom Regime generell toleriert, obwohl einzelne Mitglieder immer wieder schikaniert oder verhaftet werden.

Freie Syrische Armee


Die moderaten Rebellen der „Freien Syrischen Armee“ befehligen nach Erkenntnissen der Brookings Institution in Washington etwa 75.000 Bewaffnete, die 110 verschiedenen Gruppen angehören. Die größten Verbände bilden die genannte Südfront an der Grenze zu Jordanien mit 25.000 Mann und die Nordfront in Homs, Hama und Aleppo mit 20.000 Mann. Die übrigen 30.000 Kämpfer entfallen auf 40 kleinere Gruppen mit jeweils einigen hundert oder tausend Mitgliedern. Alle Kämpfer stammen meist aus der näheren Umgebung ihrer Einheiten. Sie wollen vor allem die lokale Bevölkerung vor der Assad-Armee schützen und kämpfen für ein plurales Syrien.

„Islamische Armee“ (Jaish al-Islam) und „Islamische Bewegung der Levante“ (Ahrar al-Sham)


„Islamische Armee“ (Jaish al-Islam) und „Islamische Bewegung der Levante“ (Ahrar al-Sham) verfügen zusammen etwa über 27.500 Bewaffnete und gehören zu den stärksten Verbänden in Syrien. Ihre Kämpfer sind salafistisch geprägt, zur radikalen Al-Nusra-Front gibt es fließende Übergänge. Aus diesem Grund wehrt sich Russland gegen die Genfer Teilnahme vor allem von Jaish al-Islam. Die Rebellenführungen jedoch schlugen zuletzt moderatere Töne an und nahmen an der Konferenz in Riad teil. Zwei Wochen danach feuerte ein syrisches Kampfflugzeug eine Rakete auf ein Haus in der Umgebung von Damaskus, in dem ein konspiratives Treffen von Jaish al-Islam stattfand. Der charismatische Kommandeur Zahran Alloush, dem der Angriff galt, kam dabei ums Leben.

Kurdische Gruppen


Die mächtigste kurdische Gruppe ist die „Demokratische Unionspartei“ (PYD), die faktisch die halbautonomen Regionen der Kurden in Nordsyrien regiert. Sie ist ein Ableger der türkischen PKK, die in den USA und Europa als Terrororganisation gilt. Ihr bewaffneter Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), ist der stärkste Gegner des „Islamischen Staates“. Ihre Kämpfer errangen 2015 in den syrisch-türkischen Grenzorten Kobane und Tel al-Abyad wertvolle Siege gegen die IS-Terrormiliz. Zusammen mit den nordirakischen Peschmerga vertrieben sie die Gotteskrieger auch aus der Stadt Sindschar und kappten damit die wichtigste Verbindungstraße des IS zwischen Rakka und Mossul. Auf russischen Druck soll nun auch PYD-Mitvorsitzender Saleh Muslim in Genf dabei sein.

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