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Syrien - Die Blamage des Westens

Barack Obama hat in der Syrienfrage zu lange gezaudert. Der politische Schaden für den Westen ist beträchtlich. Putin spürt das – und versucht, seine eigene Weltallianz aufzubauen

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Mit Fehlern in der Politik ist es wie mit Laufmaschen beim Stricken. Sie ziehen sich durch. Der große Fehler des Barack Obama liegt schon geraume Zeit zurück. Der US-Präsident laboriert immer noch daran. Wenn das Assad-Regime in Syrien Giftgas einsetzt, dann gibt es Krieg mit den USA, das war die Formel des US-Präsidenten. Das war seine rote Linie. Die Linie wurde überschritten, aber aus diversen und zum Teil guten Gründen scheut Obama, scheut der ganze Westen die Konsequenzen.

Nicht zum ersten Mal in seinen Amtsjahren drängt sich der Eindruck auf, dass er den Mund zu voll nimmt und hinterher nicht liefern kann, was er versprochen hat. Für eine seiner vollmundigen Ansagen, eine atomwaffenfreie Welt zu schaffen, hat er schon vor vielen Jahren den Friedensnobelpreis bekommen. Die Welt wartet hingegen immer noch darauf, dass er sie atomwaffenfrei macht.

Putin hat die Schwäche der USA knallhart ausgenutzt

Es gibt begnadete Redner, zu denen Obama zweifellos gehört, bei denen sich zu einer großen Gabe der Rede auch eine große Fähigkeit zum entschlossenen Handeln gesellt. Winston Churchill etwa war so ein Politiker, der für seine Wortkunst zu Recht den Literaturnobelpreis bekommen hat. Aber Obama erinnert leider immer weniger an Churchill, statt dessen immer mehr an einen späteren Nachfolger des britischen Kriegspremiers. „Phoney Tony“ wurde der britische Premierminister Tony Blair auf der Insel genannt, weil er sich auch zu oftmals übergroßen Worten hinreißen liess. Obama ist in Gefahr, zum Tony Blair im XXL-Format zu werden.  

Das hat Folgen von weltpolitischem Ausmaß. Den USA als verbliebener Supermacht ist in der Syrienfrage das Heft aus der Hand genommen worden. Russlands Präsident Wladimir Putin, ausgestattet mit einem animalischen Gespür für Macht, hat die Schwäche der Supermacht USA knallhart ausgenutzt und sich als Schlüsselfigur im Syrienkonflikt positioniert.

Putins Chuzpe, die Schwäche des US-Präsidenten zu nutzen, ist dabei atemberaubend. Er kontert eine Fernsehansprache Obamas mit einem Namensbeitrag in der New York Times, in dem er das „ Reich des Bösen“ – einst Begriff des US-Präsidenten Ronald Reagan für Russland – kurzerhand in die Vereinigten Staaten verlegt.

Putin erdreistet sich, die USA als Weltkriegstreiber und sich und Russland als die neue Friedensmacht des Globus darzustellen.

Mehr noch: Er fordert seinen Wettbewerber im Kampf um die Rolle des mächtigsten Mannes in der Syrienfrage auf dessen Staatsgebiet heraus. Er träufelt das Gift des Zweifels am eigenen Präsidenten direkt in die Köpfe der Amerikaner. 

Und dieser Zweifel ist dort vorher schon ordentlich gewachsen. Denn wie möchte eigentlich ein Barack Obama seine Bevölkerung aus der Kriegsmüdigkeit reißen, wenn er unlängst von sich gesagt hat, niemand sei kriegsmüder als er selbst?

Churchill lesen!

Ein politischer Führer darf sich in Fragen von Krieg und Frieden kein öffentliches Nachdenken über seine Befindlichkeiten leisten. Schon gar nicht, wenn er vorher eine klare rote Linie gezogen hat. Churchill lesen! möchte man Obama zurufen.

Der politische Schaden, den das beherzte Zaudern des US-Präsidenten angerichtet hat, ist beträchtlich. Er betrifft nicht nur die USA und deren Rolle in der Welt. Er betrifft den ganzen Westen. Er ist nochmals ein Stück weiter erodiert über die Syrienfrage. Das transatlantische Natoband hatte sich schon vor Jahren gelockert, weshalb Obamas Vorgänger im Irakkrieg nicht mehr auf das westliche Militärbündnis sondern notgedrungen auf eine Koalition der Willigen setzte.

Aus dieser Koalition der Willigen ist inzwischen eine Koalition der Unwilligen geworden. Ein Zeichen der weiteren Schwächung. Es macht deutlich: Der Westen unter Führung der USA ist nicht mehr der Hegemon der Welt. Das spürt Putin ganz genau und versucht, seine eigene Weltallianz aufzubauen. Nach dem Ende der Blöcke und der Vorherrschaft des Westens läuft jetzt Russlands Rückspiel.

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